November 2024 Blog

Feindliche Entziehung der Gesellschafterstellung

Aufgrund der Legitimationswirkung (§ 16 Abs. 1 GmbHG) gilt im Verhältnis zu einer GmbH nur derjenige als Gesellschafter, der als solcher in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Diese formale Betrachtung birgt ein nicht unerhebliches Missbrauchspotential. Durch die Einreichung unrichtiger Gesellschafterlisten ist es möglich, unliebsame Mitgesellschafter aus ihrer Gesellschafterstellung zu verdrängen. Die verbleibenden Gesellschafter können nach Aufnahme der Liste in das Handelsregister ungehindert weitreichende Geschäftsführungsmaßnahmen bis hin zu satzungsändernden Beschlüssen umsetzen. Zu der Frage, ob und wie sich ein betroffener Gesellschafter gegen ein solches Vorgehen zur Wehr setzen kann, hat das OLG Hamm klar Stellung bezogen.

Sachverhalt

Der Entscheidung des OLG Hamm lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragssteller war Gründer und früherer Geschäftsführer der Antragsgegnerin, einer GmbH, an der er zuletzt mit Geschäftsanteilen in Höhe von 29 % beteiligt war. Die Mehrheitsgesellschafterin unterbreitete dem Antragssteller ein Angebot zur Übernahme dieser Geschäftsanteile, welches der Antragssteller jedoch ablehnte. Hieraufhin beschlossen die Mehrheitsgesellschafterin in einer Gesellschafterversammlung die Einziehung der Geschäftsanteile des Antragsstellers.

Um den Verlust seiner Gesellschafterrechte zu verhindern, beantragte der Antragsteller erfolgreich den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Gesellschaft untersagt wurde, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen und die Gesellschaft verpflichtet wurde, den Antragsteller vorläufig als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln. 

Kurz darauf fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt, zu der der Antragsteller nicht eingeladen wurde. In dieser Versammlung beschlossen die Mitgesellschafter erneut die Einziehung der Geschäftsanteile des Antragstellers und veranlassten die Einreichung einer geänderten Liste zum Handelsregister, die den Antragsteller nicht mehr als Gesellschafter auswies.

Von diesen Vorgängen erfuhr der Antragsteller erst durch Einsichtnahme in das Handelsregister. Auf Kontaktversuche reagierte die Gesellschaft nicht. Der Antragsteller ließ in einem Parallelverfahren daher einen Widerspruch gegen die neue Gesellschafterliste zuordnen. Er beantragte außerdem den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Verpflichtung zur Einreichung einer weiteren Gesellschafterliste, die ihn als Gesellschafter ausweist. Dieser Antrag wurde in der Vorinstanz mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Antragsteller bereits durch die anderweitigen erfolgreichen Anordnungen ausreichend geschützt sei. Gegen diese Zurückweisung legte der Antragsteller sofortige Beschwerde beim OLG Hamm ein.

Entscheidung

Das OLG Hamm gab dem Antrag statt und verpflichtete die Gesellschaft, eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, die den Antragsteller als Gesellschafter ausweist.

Anders als die Vorinstanz befand das OLG Hamm, dass die erfolgreiche Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste sowie die Verpflichtung der Gesellschaft, den Antragsteller als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln, im vorliegenden Fall gerade keinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz bieten. Die Zuordnung eines Widerspruchs verhindere lediglich die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs, lasse aber die eingangs beschriebene negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG unberührt, so dass wirksame Beschlüsse in der Zwischenzeit auch ohne den betroffenen Gesellschafter möglich blieben. Zum anderen habe die Gesellschaft durch ihr Vorgehen gezeigt, dass sie den Antragssteller gerade nicht als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten behandelt. Eine solche Anordnung sei als milderes Mittel daher nicht mehr ausreichend.

Das Vorgehen der Gesellschaft sei erkennbar darauf ausgerichtet gewesen, den präventiven Rechtsschutz des Gesellschafters zu vereiteln. Sie habe den Einziehungsbeschluss ohne ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung beschlossen, habe kein Protokoll der Gesellschafterversammlung übersandt, habe die geänderte Gesellschafterliste ohne Anhörung des betroffenen Gesellschafters zum Handelsregister eingereicht und schließlich im Nachgang jede Kontaktaufnahme abgelehnt.

Werde aber der effektive Rechtsschutz eines Gesellschafters derart gezielt und heimlich unterlaufen, müsse die Rechtsordnung dem betroffenen Gesellschafter vorläufig maximalen effektiven Rechtschutz gewähren. Dieser sei nicht auf die Erhaltung des status quo beschränkt, sondern umfasse auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Korrektur des Handelsregisters.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG Hamm ist in sich schlüssig und zu begrüßen. Sie stärkt die Rechte des von einer Einziehung betroffenen Gesellschafters in einem wesentlichen Punkt und erhöht den Schutz vor einer gezielten Verdrängung aus der eigenen Gesellschaft.

Ohne die Instrumente des einstweiligen Rechtsschutzes ist es den verbleibenden Gesellschaftern nach Einreichung einer neuen Gesellschafterliste möglich, die Gesellschaft durch Beschlüsse und andere Maßnahmen weitreichend umzugestalten. Diese Maßnahmen bleiben selbst dann wirksam, wenn der betroffene Gesellschafter den zugrunde liegenden Einziehungsbeschluss erfolgreich anficht. 

Vor diesem Hintergrund kommt dem einstweiligen Rechtsschutz eine elementare Bedeutung zu, um nach einer Einziehung die Gesellschafterrechte bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu schützen. Insoweit hat der BGH bereits 2019 entschieden, dass einer Gesellschaft vorläufig untersagt werden kann, eine neue Gesellschafterliste beim Registergericht einzureichen, in der der von einer Einziehung betroffene Gesellschafter nicht mehr aufgeführt ist (BGH, Urt. v. 2.7.2019 - II ZR 406/17 (KG)). Liegt eine entsprechende einstweilige Verfügung vor und wird dennoch eine Gesellschafterliste eingereicht, ist es der Gesellschaft nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die formelle Legitimationswirkung dieser Gesellschafterliste zu berufen.

Noch nicht höchstrichterlich entschieden ist hingegen, welche rechtlichen Möglichkeiten dem Gesellschafter zustehen, wenn die geänderte Gesellschafterliste - wie im vorliegenden Fall - erstmals zum Handelsregister eingereicht worden ist. Die einstweilige Verpflichtung zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste mit dem Stand vor der Einziehung wurde lange Zeit als unzulässig angesehen, da eine einmal eingereichte Gesellschafterliste nicht mehr aus dem Handelsregister entfernt werden könne. Es handele sich daher um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache.

In Übereinstimmung mit der Entscheidung des KG Berlin vom 17.5.2023 - 23 U 14/23 hat das OLG Hamm nunmehr klargestellt, dass die Verpflichtung zur Vorlage einer vorläufigen Gesellschafterliste zumindest in solchen Konstellationen zulässig sein muss, in denen das Verhalten der beklagten Gesellschaft erkennbar darauf gerichtet ist, einen effektiven präventiven Rechtsschutz des betroffenen Gesellschafters zu vereiteln.

(OLG Hamm, Beschluss vom 20.06.2024 – Az.: 8 W 10/24)

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