Geplante Änderungen der Bundesregierung im Rahmen des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivilrecht – Moratorium für die Er&füllung vertraglicher Ansprüche aus wesentlichen Dauerschuldverhä
Moratorium für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen
Verbrauchern, die wegen der Ausbereitung der COVID-19-Pandemie ihren Vertragspflichten (temporär) nicht mehr nachkommen können, sollen nach dem aktuellen Maßnahmenpaket der Bundesregierung Sonderrechte im Rahmen von wesentlichen Dauerschuldverhältnissen eingeräumt werden. Als wesentlich werden solche Dauerschuldverhältnisse definiert, „die zur Eindeckung mit Leistungen der Daseinsvorsorge erforderlich sind“. Explizit aufgezählt werden hier etwa Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste sowie Verträge über die Wasserver- und -entsorgung, sofern diese zivilrechtlich geregelt sind (vgl. Gesetzentwurf, S. 39).
Konkret sollen Verbraucher die Möglichkeit haben, vorübergehend ihre Leistung zu verweigern, „ohne dass hieran für den Verbraucher nachteilige rechtliche Folgen geknüpft werden“. Als vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie ist geplant, in Art. 240 § 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch das nachfolgende Moratorium, also eine Art „Stillhalteabkommen“ bzw. „Zahlungsaufschub“ einzufügen:
Art. 240 § 1 lautet:
„1. Ein Verbraucher hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind.
2. Ein Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABI. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,
- das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder
- dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.
Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.
3. Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger seinerseits unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Gewerbebetriebs gefährden würde. Absatz 2 gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Gewerbebetriebs führen würde. Wenn das Leistungsverweigerungsrecht nach Satz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, steht dem Schuldner das Recht zur Kündigung zu.
4. Die Absätze 1 und 2 gelten ferner nicht
- im Zusammenhang mit Miet-, Pacht- und Darlehensverträgen sowie
- im Zusammenhang mit Arbeitsverträgen.
5. Von den Absätzen 1 und 2 kann nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden.“
Zielsetzung der geplanten Änderungen bei Leistungsverweigerungsrechten von Verbrauchern im Rahmen wesentlicher Dauerschuldverhältnisse
Die geplanten Änderungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch sollen Verbrauchern helfen, deren Haushaltseinkommen aufgrund der COVID-19-Pandemie „einstweilen oder dauerhaft verringert oder weggebrochen ist.“ Durch die temporären Leistungsverweigerungsrechte soll den Verbrauchern finanzieller Handlungsspielraum gegeben werden, um zu gewährleisten, dass Verbraucher und Kleinstunternehmen, „insbesondere von Leistungen der Grundversorgung nicht abgeschnitten werden, weil sie ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen können.“
Wem stehen Leistungsverweigerungsrechte zu?
Die Leistungsverweigerungsrechte, die sich auf Geldleistungen und andere Leistungen beziehen können, stehen Verbrauchern zu. Der bisherige Gesetzesentwurf definiert den Verbraucherbegriff nicht neu, weshalb auf die Legaldefinition des Verbrauchers in § 13 BGB zurückzugreifen ist. Hiernach ist Verbraucher, jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
Wann steht dem Verbraucher das Leistungsverweigerungsrecht zu?
Einem Verbraucher steht das temporäre Leistungsverweigerungsrecht dann zu, wenn ihm infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre.
Für welche Verträge gilt das Leistungsverweigerungsrecht?
Das Leistungsverweigerungsrecht kommt für Verbraucherverträge in Betracht, die wesentliche Dauerschuldverhältnisse darstellen und vor dem 8. März 2020 abgeschlossen worden sind. Dauerschuldverhältnisse sind Verträge, die über einen längeren Zeitraum widerkehrende Leistungen zum Gegenstand haben. Wesentlich sind solche Dauerschuldverhältnisse, die zur Eindeckung mit Leistungen der Daseinsvorsorge erforderlich sind. Um zu beurteilen, ob ein Verbrauchervertrag vorliegt, soll nach dem Gesetzentwurf auf die in § 310 Abs. 3 BGB vorhandene Legaldefinition von Verbraucherverträgen zurückgegriffen werden (vgl. Gesetzentwurf, S. 39). Diese liegen bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vor.
Ein Leistungsverweigerungsrecht kommt nur dann in Betracht, wenn der Schuldner seine Leistungspflicht infolge der COVID-19-Pandemie derzeit nicht erfüllen kann. Dem Gesetzesentwurf (Stand: 23. März 2020) ist nicht zu entnehmen, welche Anforderungen an diesen Kausalitätsnachweis in der Praxis gestellt werden. Mit Blick auf den Gesetzeszweck dürften diese aber nicht allzu hoch sein. Relevant wird der Nachweis dann werden, wenn der Gläubiger den Grund für die ausbleibende Leistung nicht in der COVID-19-Pandemie sieht.
Welche Auswirkungen hat das Leistungsverweigerungsrecht auf das Vertragsverhältnis?
Grundsätzlich bleibt das Schuldverhältnis und alle hiermit verbundenen Vertragspflichten bestehen. Allerdings kann während der Dauer des Moratoriums die Durchsetzbarkeit von Primärleistungsansprüchen ebenso verhindert werden wie die Entstehung von Sekundärleistungsansprüchen, die auf dem Ausbleiben der Leistung beruhen (Schadensersatzansprüche nach § 286 BGB, § 281 BGB oder auch das Rücktrittsrecht gem. § 323 BGB). Zudem sollen auch Rückgewähransprüche, vertragliche Schadenersatzansprüche sowie Aufwendungsersatzansprüche, die vor Inkrafttreten der Regelung entstanden sind vom Leistungsverweigerungsrecht erfasst werden (vgl. Gesetzentwurf, S. 40).
Auch Leistungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes schon fällig waren, sind nicht mehr durchsetzbar, wenn der Schuldner das Leistungsverweigerungsrecht geltend macht. Ebenso führt die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts dazu, dass bereits bestehende Verzugsvoraussetzungen wieder entfallen (vgl. Gesetzentwurf, S. 40).
Wie lange kann die Leistung verweigert werden
Grundsätzlich kann die Leistung nur solange verweigert werden, wie der Schuldner infolge der COVID-19-Pandemie nicht in der Lage ist seine Vertragspflichten zu erfüllen. Stand heute geht die Bundesregierung davon aus, dass die pandemiebedingten Maßnahmen und die hiermit verbundenen Einschränkungen der Wirtschaft zur Jahresmitte hin gelockert werden können. Bisher ist daher der 30.Juni 2020 als Enddatum für das Moratorium vorgesehen. Der Entwurf sieht aber eine Verlängerungsoption durch Rechtsverordnung vor (vgl. Gesetzentwurf, S. 40 f.).
Grenzen und Ausschlussgründe des Leistungsverweigerungsrechts
Das Leistungsverweigerungsrecht greift ausschließlich für Leistungshindernisse, die auf der COVID-19-Pandemie beruhen. Kann der Schuldner aus Gründen, die nichts mit der COVID-19-Pandemie zu tun haben nicht leisten, bleibt es uneingeschränkt bei den vertraglichen und /oder gesetzlichen Regelungen, und der Schuldner kann sich nicht auf das Moratorium berufen.
Der Schuldner kann sich auch dann nicht auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen, wenn dies aus Sicht des Gläubigers zu unzumutbaren Ergebnissen führen würde. Um in solchen Fällen einen Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner zu erreichen, steht dem Schuldner ein Kündigungsrecht zu. Der Entwurf der Bundesregierung nennt hier das Kündigungsrecht aus § 628 BGB bei Dienstverträgen als Beispiel.
Das temporäre Leistungsverweigerungsrecht soll zudem weder durch AGB noch durch Individualvereinbarung abbedungen werden können.
Wie ist das Leistungsverweigerungsrecht geltend zu machen?
Der Schuldner muss das Leistungsverweigerungsrecht einredeweise geltend machen. Des Weiteren trifft den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast, dass er „gerade wegen der COVID-19-Pandenie“ seiner Leistungspflicht nicht nachkommen kann.