HOAI 2013 auch zwischen Privaten anwendbar
Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 4.9.2019 zur Europarechtswidrigkeit der HOAI 2013 stellt sich für noch auf Basis dieser bis zum 11.11.2020 anzuwendenden Fassung der HOAI geschlossenen Verträge die Frage, ob sich insbesondere der Auftragnehmer nun auf die Unwirksamkeit der dort noch verpflichtenden Mindest-und Höchstsätze berufen kann. Nach langer Unsicherheit wurde diese Frage nun vom BGH geklärt.
Dabei war die Klärung dieser Frage lange umstritten. Verschiedene Oberlandesgerichte vertraten hierzu verschiedene Linien. Die Frage der Anwendbarkeit der bis 11.11.2020 noch in Kraft befindlichen HOAI 2013 im Verhältnis zwischen Bürger und Staat (vertikales Verhältnis) war schnell geklärt. Das Versäumnis des Staates die HOAI rechtzeitig richtlinienkonform umzugestalten, geht zu seinen Lasten.
Offen war hingegen die Frage hinsichtlich der weiteren Anwendbarkeit der HOAI 2013 im Verhältnis zwischen Privaten (horizontales Verhältnis). Grund dessen ist die fehlende Kompetenz des Europäischen Gerichtshofes nationale Gesetze und Verordnungen (wie die HOAI) selbst für unwirksam oder unanwendbar zu erklären. Dem Europäischen Gerichtshof steht es lediglich zu festzustellen, ob nationale Gesetze oder Verordnungen gegen Europarecht verstoßen. Es ist dann Aufgabe der Mitgliedstaaten diese Europarechtswidrigkeit durch eigene Gesetzgebungsakte zu beseitigen, wie es auch die Bundesrepublik Deutschland durch Neuauflage der HOAI zum 12.11.2020 tat.
Doch was ist mit Verträgen die vorher hat noch auf Basis der HOAI 2013 geschlossen wurden?
Die neue HOAI 2020 gilt nicht rückwirkend. Auf Verträge die vor dem 12.11.2020 abgeschlossen wurden, ist nach wie vor die bis dahin geltende HOAI 2013 mit ihren verbindlichen Mindest-und Höchstsätzen anzuwenden. Hiergegen regte sich in Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung Widerstand. Es wurde versucht, die bereits feststehende Europarechtswidrigkeit als Argument dafür heranzuziehen, die nach wie vor in Kraft befindlichen, verbindlichen Regelungen der HOAI 2013 nicht anzuwenden. Die Frage, ob dies aufgrund europarechtlicher Vorgaben so zu handhaben sei, legte der Bundesgerichtshof dem EuGH zur Entscheidung vor. Dessen Antwort liegt inzwischen vor und wurde nun vom Bundesgerichtshof aufgegriffen. Dies mit dem Ergebnis, dass jedenfalls zwischen privaten (horizontales Verhältnis) bis zum 11.11.2020 geschlossene Verträge den Regelungen der HOAI 2013 uneingeschränkt unterfallen. Es kann sich also ein Architekt, dessen Vertrag zuvor abgeschlossen wurde, nach wie vor auf eine gegebenenfalls vorliegende Mindestsatzunterschreitung berufen und ungeachtet entsprechender vertraglicher Honorarvereinbarungen eine höhere Vergütung nach dem einschlägigen Mindestsatz der HOAI geltend machen. Bei Verträgen, abgeschlossen ab dem 12.11.2020 ist dies hingegen nicht mehr möglich, da mit dieser Novellierung der HOAI der verbindliche Charakter der dort noch als Vorschlag enthaltenen Mindest- und Höchstsätze entfiel. Mit seiner Entscheidung setzt der Bundesgerichtshof nun einen Schlussstrich unter lange und ausführlich geführte Diskussionen zwischen den Obergerichten und dem Schrifttum. Die seit der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs aus 2019 herrschende Rechtsunsicherheit ist beendet.
(BGH, Urteil vom 2. Juli 2022 – Az.. VII ZR 174/19)