Mai 2015 Blog

Insolvenzabhängiges Kündigungsrecht (§ 8 Abs. 2 VOB/B) unwirksam!

Sofern der Auftragnehmer eines Bauvertrages einen Insolvenzantrag stellt, ist es regelmäßiger Reflex des Auftraggebers, sich so schnell wie möglich von diesem Vertragspartner zu trennen. Bisher hatte der Auftraggeber bei Einbeziehung der VOB/B hierfür eine Grundlage in § 8 Abs. 2 VOB/B. Ob dies so bleibt, ist fraglich.

Grund für die Kündigung im Fall einer Insolvenz ist meist, dass die Beurteilung der Frage, ob der Vertragspartner (bzw. ein eventueller Insolvenzverwalter) das Bauvorhaben insbesondere finanziell noch durchführen kann, dem Auftraggeber zu unsicher ist. Gerade auch die oft mangelnde Kommunikation des Verwalterbüros, hinterlässt zusätzlich „verbrannte Erde“. In Betracht eines oftmals bestehenden erheblichen Fristendrucks, sind daher schnelle Lösungen beliebt.

Sofern die VOB/B in den Vertrag einbezogen ist, gibt § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B dem Auftraggeber die Möglichkeit, allein aufgrund der Stellung eines Insolvenzantrages die Kündigung des Bauvertrages auszusprechen. Die Besonderheit der Vorschrift im Gegensatz zum ohnehin bestehenden Kündigungsrecht nach § 649 BGB ist, dass der Auftraggeber keinen Schadensersatz leisten muss.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die VOB/B kein Gesetz, sondern eine rein vertragliche Regelung darstellt. Sie muss sich daher sowohl an § 119 InsO als auch an § 307 BGB messen lassen.

§ 119 InsO ordnet die Unwirksamkeit aller Regelungen an, die bestimmte Rechte des Insolvenzverwalter beeinträchtigt, insbesondere auch das Wahlrecht, ob er einen noch nicht beendeten Vertrag fortsetzen oder auflösen will. Der für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte in einer Entscheidung noch zur Konkursordnung dies verneint, da zum einen der Insolvenzverwalter aufgrund der gesetzlichen Kündigungsvorschrift des § 649 BGB ohnehin in seinem Wahlrecht (zulässigerweise) gesetzlich beschränkt sei, darüber hinaus der Bauvertrag ein besonders Vertrauensverhältnis benötigt, welches durch die Antragstellung und den (möglicherweise) langen Schwebezustand zwischen Antragstellung und endgültiger Erfüllungswahl erschüttert sei. Die Gegenauffassung, der sich nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. angeschlossen hat, argumentiert vornehmlich mit einer wirtschaftlichen Sichtweise und einer sich hieraus ergebenden unterschiedlichen Rechtsfolge. Während durch das Kündigungsrecht nach § 649 BGB der Insolvenzmasse wenigstens der Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns verbleibe, stünde die Masse bei einer Kündigung nach § 8 Abs.2 Nr.1 VOB/B ohne ein solches Recht dar, allein hieraus folge eine Einschränkung des Verwalterwahlrechtes.

Die Unwirksamkeit leitet das OLG Frankfurt a.M. bereits alleine aus § 119 InsO her, deutet aber an, dass es auch von einer Unwirksamkeit nach § 307 BGB ausgeht. Da das Kündigungsrecht bereits nach § 119 InsO unwirksam ist, kommt es hier nicht auf die Frage an, ob die VOB/B als Ganzes einbezogen wurde oder nicht.

Hinweis für die Praxis

Mit dieser Entscheidung hat sich erstmals ein OLG nach der Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats des BGH vom 15. November 2012 zur Unwirksamkeit „insolvenzbedingter Lösungsklauseln“  für eine Unwirksamkeit der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B ausgesprochen. Aus diesem Grund sollte eine Kündigung des Bauvertrages nun nicht mehr nur auf die Stellung des Insolvenzantrages gestützt werden. Auch wenn nicht abzuschätzen ist, wie sich der erneut mit der Sache befasste VII. Zivilsenat positionieren wird, sollten immer auch andere Gründe (die regelmäßig vorliegen, wie etwa Verzug) gerichtsfest mit angeführt werden bzw. deren Voraussetzung kurzfristig geschaffen werden. Insbesondere muss auch darauf hingewiesen werden, dass, selbst wenn der VII. Zivilsenat die Wirksamkeit der Klausel annimmt, sich die Insolvenzverwalter schon auf anderem Terrain „in Position bringen“.  Der für das Insolvenzrecht zuständige XI. Zivilsenat hat in einer älteren Entscheidung nämlich den Grundsatz aufgestellt, dass ein Insolvenzverwalter auch die Vereinbarung nachteiliger Klauseln anfechten kann, wenn sie der einen Vertragsseite mehr Rechte, als die gesetzlichen Möglichkeiten für den Fall der Insolvenz einräumen. Da § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B dem später insolventen Auftragnehmer das Recht nimmt, einen Schadensersatz wegen entgangenem Gewinn zu verlangen, kann der Insolvenzverwalter diesen im Rahmen einer Anfechtungsklage geltend machen. Für diese wäre dann wieder der IX. Zivilsenat zuständig. Rechtssicherheit wird die Entscheidung des BGH nur bringen, wenn die Klausel des § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B auch in Karlsruhe für unwirksam erklärt wird.

(OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 16.3.2015, 1 U 38/14 – nicht rechtskräftig, Revision beim BGH anhängig unter dem Aktenzeichen VII ZR 56/15)

Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Johannes Schuhmann, Maître en Droit, Rechtsanwalt

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