März 2023 Blog

Kündigungsrecht aus §§ 4 Abs. 7 iVm. 8 Abs. 3 VOB/B unwirksam

Auftraggebern von Bauleistungen bot sich mit dem Kündigungsrecht aus §§ 4 Abs. 7 iVm. 8 Abs. 3 VOB/B bislang das scharfe Schwert einer recht einfachen außerordentlichen Kündigung bei Mängeln vor Abnahme. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies nun (in aller Regel) nicht mehr möglich.

Zeigten sich bei Bauleistungen bereits vor Abnahme Mängel, war es den Auftraggebern nach vorgenannter Regelung bislang möglich, eine angemessene Frist zu deren Beseitigung zu setzen, im Falle des fruchtlosen Fristablaufs die Kündigung anzudrohen und nach Ablauf der Mangelbeseitigungsfrist den gesamten Bauvertrag zu kündigen. Ein Zuwarten bis zur Fertigstellung der Leistung und eine Abnahme derselben war daher nicht erforderlich, um Mängelrechte geltend zu machen.

Diese in §§ 4 Abs. 7 iVm 8 Abs. 3 VOB/B vorgesehene Möglichkeit besteht nun in den meisten Fällen nicht mehr. Dabei ist entscheidungserheblich, dass die VOB/B keine gesetzliche Regelung darstellt, sondern allgemeine Geschäftsbedingungen. Zwar ist eine Überprüfung der Wirksamkeit der Klauseln der VOB/B gesetzlich ausgeschlossen, wenn die VOB/B in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichung insgesamt einbezogen ist, § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB. Dies stellt allerdings einen eher theoretischen Fall dar. Inhaltliche Abweichungen zur VOB/B finden sich in den meisten Bauverträgen. Ausreichend ist beispielsweise eine Vereinbarung, nach der die Parteien eine förmliche Abnahme vereinbaren oder die Geltendmachung von Vertragsstrafen bis zur Schlusszahlung möglich ist. Lediglich in Fällen, in denen der Auftragnehmer Verwender der VOB/B als eigene AGB ist, kann sich der Auftragnehmer nicht auf die Unwirksamkeit der in diesem Fall von ihm gestellten AGB beziehen.

Welche Möglichkeiten bleiben Auftraggebern sonst bei Mängel vor Abnahme?

Weiterhin möglich bleibt eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrags nach § 648a BGB. Dieses gesetzliche Kündigungsrecht stellt allerdings deutlich höhere Anforderungen auf. Erforderlich ist hierfür eine Gefährdung des Vertragszweckes, z.B. durch grobe Mängel bereits erbrachter Teilleistungen, wenn die mangelhaften Arbeiten das Vertrauen des Auftraggebers in die Eignung und Zuverlässigkeit des Auftragnehmers derart erschüttert haben, dass dem Auftraggeber die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar ist. Die wesentliche Abweichung von diesem gesetzlichen Leitbild durch §§ 4 Abs. 7 iVm. 8 Abs. 3 VOB/B zulasten des Auftragnehmers ist gerade der Grund für die durch den Bundesgerichtshof nun festgestellte Unwirksamkeit vorgenannter Klausel.

Alternativ bleibt dem Auftraggeber die Möglichkeit, Ansprüche aus allgemeinem Schuldrecht geltend zu machen, beispielsweise Schadensersatzansprüche statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB (Schadensersatz statt der Leistung).

Problematisch können Fälle werden, in denen ein Bauvertrag bereits gemäß §§ 4 Abs. 7 iVm. 8 Abs. 3 VOB/B wirksam gekündigt wurde und ein Kündigungsrecht gemäß § 648a BGB aufgrund der dort vorgesehenen hohen Hürden nicht vorliegt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine unberechtigte außerordentliche Kündigung im Zweifel als freie Kündigung gemäß § 649 BGB zu sehen, sodass der Bauvertrag zwar gekündigt ist, dem Auftragnehmer jedoch auch Werklohn für die nicht mehr ausgeführten Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen zusteht.

(Bundesgerichtshof – Urteil vom 19.1.2023 – VII ZR 34/20)

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