Januar 2020 Blog

Miet­recht: Voll­stän­dige Neu­rege­lung des § 550 BGB (Schrift­form) geplant

Eine neue Gesetzesinitiative des Bundesrates beschäftigt sich mit nicht mehr und nicht weniger als der Abschaffung des sog. „Schriftformproblems“. Würde das Vorhaben umgesetzt, könnte daraus tatsächlich eine Erleichterung des Geschäftsverkehrs resultieren.

Übersicht

Der Bundesrat hat noch kurz vor Weihnachten einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht, der sich mit dem insbesondere im Gewerbemietrecht relevanten Thema der Schriftform bei langfristigen Mietverträgen beschäftigt. Es soll eine grundsätzliche Neuregelung erfolgen, die alte Regelung soll vollständig abgeschafft werden.

Stand heute

Die aktuell gültige Regelung des § 550 BGB sieht vor, dass Mietverträge, die mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr abgeschlossen werden, in Schriftform (§ 126 BGB) abgeschlossen werden müssen. Praktisch betrifft die Vorschrift fast ausschließlich Gewerbemietverträge, da eine Befristung von Wohnmietverträgen nur in ganz besonderen Einzelfällen rechtlich zulässig ist - und daher in der Kautelarpraxis kaum eine Rolle spielt. Im Gewerbemietrecht ist die Bedeutung umso größer, da nahezu alle Gewerbemietverträge eine feste Laufzeit von mehr als einem Jahr aufweisen und damit unter das Schriftformgebot fallen. Ein Verstoß hat bisher nach dieser Regelung zur Folge, dass der Mietvertrag zwar an sich wirksam bleibt, die feste Laufzeit aber entfällt und stattdessen das Mietverhältnis als unbefristet gilt, mit der weiteren Folge, dass es jederzeit innerhalb der ordentlichen Kündigungsfristen ohne Angabe von Gründen sowohl vom Vermieter als auch vom Mieter einseitig gekündigt werden kann.

Besonders tückisch ist dabei, dass das Schriftformerfordernis nicht nur den Mietvertrag selbst, sondern auch jede nachträgliche Änderung erfasst. In der Praxis stellt dies ein alltägliches Problem dar, da es nicht selten vorkommt, dass im laufenden Mietverhältnis kurzerhand mündliche Absprachen oder Absprachen per E-Mail, Briefwechsel o.ä. vorgenommen werden, die die gesetzliche Schriftform nicht wahren. Die Rechtsprechung zur Schriftform kann als ausufernd bezeichnet werden - ohne weiteres ein Indiz, dass es sich um ein sehr streitanfälliges Thema handelt.

Geplante Änderung

Nach der geplanten Änderung verbleibt es zwar bei einem grundsätzlichen Schriftformgebot für Mietverträge, die länger als ein Jahr fest abgeschlossen werden. Jedoch werden die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Schriftform durch mehrere Einschränkungen erheblich abgemildert:

  • Künftig soll ein Kündigungsrecht nur für den Erwerber einer Immobilie gelten und für diesen auch nur binnen der ersten drei Monate ab Kenntnis des Schriftformmangels.
  • Weitere Einschränkung soll sein, dass nur solche Schriftformmängel Kündigungsgrund sein können, die bereits vor Erwerb bestanden. Was genau mit „Erwerb“ gemeint ist, ist unklar. Die Gesetzesbegründung hilft hier auch nicht entscheidend weiter, dieser lässt sich lediglich entnehmen, dass „nach Erwerb“ wohl meint, dass der Schriftformverstoß „unter Beteiligung des Erwerbers“ erfolgt sein muss. Ob dies bereits direkt im Zeitraum zwischen Beurkundung des Kaufvertrages und dinglicher Eigentumsübertragung mit Eintragung im Grundbuch der Fall sein kann, ist dem Gesetzentwurf nicht zu entnehmen.
  • Hinzukommt dann noch eine weitere Einschränkung, nämlich ein Abwendungsrecht des Mieters. Er kann die Kündigung verhindern, indem er ihr binnen zwei Wochen seit Zugang widerspricht und sich mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den unter Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarungen bereit erklärt. Die Kündigung des Vermieters wird also in den seltensten Fällen durchsetzbar sein.

Der Mieter dagegen hat nach dem Entwurf der Neuregelung grundsätzlich kein Kündigungsrecht wegen eines Schriftformmangels mehr!

Folgen für die Praxis

Wenn das Gesetzt so kommt, wäre die wichtigste Neuerung sicherlich, dass dem Mieter in keinem Fall mehr ein Kündigungsrecht wegen eines Schriftformmangels zusteht. Dem Vermieter kann die Schriftform daher in Zukunft möglicherweise egal sein – eine klare Risikoverschiebung zu Lasten des Gewerbemieters, der daher nun umso mehr auf die Einhaltung der Schriftform achten sollte. Die Intention des Gesetzesentwurfes ist, die Norm auf ihren ursprünglichen Schutzzweck zu reduzieren, dem sie nach dem Willen des historischen Gesetzgebers eigentlich hätte dienen sollen: nämlich ausschließlich dem Schutz des Erwerbers vor Eintritt in ihm unbekannte mietvertragliche Regelungen. Als Ausgleich für diese einseitige Kündigungsmöglichkeit wird dieser - wie oben ausgeführt - enge Grenzen gesetzt.

Im Ergebnis könnte der Gesetzentwurf bei Umsetzung geeignet sein, deutlich mehr Rechtssicherheit in das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter, vor allem bei langfristen Gewerbemietverträgen, zu bringen.

Bundesrat-Drucksache 469/19 vom 20.12.2019

Johannes Schuhmann, Maître en Droit, Rechtsanwalt
Frankfurt am Main

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!