Mit Grüßen aus Luxemburg: Auskunftsanspruch des Treugeber-Kommanditisten über Mitgesellschafter und Beteiligungsquoten?
Führten früher alle Wege nach Rom, so führen heute alle Wege nach Luxemburg. Weil das AG München entgegen dem BGH und dem OLG München befand, dass die DS-GVO dem Auskunftsrecht eines Treugeber-Kommanditisten entgegenstehen könnte, hat sich nun der EuGH der Sache angenommen.
Ausgangslage
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat vor einem guten Jahr entschieden, dass ein mittelbarer Kommanditist auch dann Anspruch auf Kenntnis seiner Mitgesellschafter und deren Beteiligungsquoten hat, wenn er den Erwerb weiterer (mittelbarer) Gesellschaftsanteile anstrebt. Dem stehe insbesondere nicht die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) entgegen, da das Wissen um Name, Anschrift und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter „erforderlich“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) DS-GVO sei – und zwar auch dann, wenn die Information zur Unterbreitung von Kaufangeboten an Mitgesellschafter benötigt werde. Das Auskunftsrecht sei ein auf dem Gesellschaftsvertrag beruhendes, unentziehbares mitgliedschaftliches Recht des Gesellschafters einer Personen- oder Personenhandelsgesellschaft, weshalb es nach Treu und Glauben auch durch den Gesellschaftsvertrag nicht wirksam ausgeschlossen werden könne. Dem schloss sich Mitte des Jahres auch das OLG München ausdrücklich an – die Rechtslage schien geklärt.
Das AG München sah dies kürzlich jedoch anders und meldete Zweifel an der Vereinbarkeit des Auskunftsrechts mit der DS-GVO an. Auf ein entsprechendes Vorlageverfahren hin hat sich nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) positioniert.
Entscheidung des EuGH
Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) DS-GVO
Entgegen der Auffassung des BGH komme eine Rechtfertigung gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) DS-GVO lediglich dann in Betracht, wenn die Verarbeitung der personenbezogenen Daten „objektiv unerlässlich“ zur Verwirklichung eines Zwecks sei, der notwendiger Bestandteil der für die betroffene Person bestimmten Vertragsleistung ist. Entscheidend sei, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Verantwortlichen für die ordnungsgemäße Erfüllung des zwischen ihm und der betroffenen Person geschlossenen Vertrags wesentlich ist und daher „keine praktikablen und weniger einschneidenden Alternativen bestehen“.
Genau dies aber, so der EuGH, sei in dem vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Gesellschaftsvertrag die Weitergabe der Identität an andere Anteilseigner ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Wesentliches Merkmal des Erwerbs einer mittelbaren Beteiligung an einer Publikumsfondsgesellschaft über eine Treuhandgesellschaft sei – do der EuGH – gerade die gewünschte Anonymität der Gesellschafter. Und zwar auch untereinander. Die Herausgabe der Daten sei daher – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – in diesem Fall nicht „erforderlich“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) DS-GVO.
Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f) DS-GVO
Eine Rechtfertigung gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f) DS-GVO, so der EuGH, könne dann gegeben sein, wenn die Herausgabe der Daten zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder des Treuhand-Kommanditisten erforderlich sei und nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwögen. Insoweit erkannte der EuGH zwar ein „berechtigtes Interesse“ des Anspruchstellers. Allerdings müsse im Rahmen der „Erforderlichkeit“ geprüft werden, ob das berechtigte Interesse an der Verarbeitung der Daten nicht in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden könne, die weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen eingriffen. Hier brachte der EuGH als „milderes Mittel“ eine Aufforderung an die Fondsgesellschaft zur Weiterleitung der Anfrage an die betroffenen Mitgesellschafter ins Spiel. Auf diese Weise, so der EuGH, könnten die Betroffenen selbst entscheiden, ob sie lieber anonym bleiben wollen.
Daneben verlangt der EuGH noch eine Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen, die grundsätzlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhänge. Insoweit könne, insbesondere in einem Fall wie dem vorgelegten, in dem eine Datenweitergabe vertraglich ausgeschlossen war, nicht ausgeschlossen werden, dass das Interesse der weiteren Treugeber-Gesellschafter an ihrer Anonymität Vorrang vor dem Interesse der Mitgesellschafter haben könne, die deren Kontaktdaten erhalten möchten.
Schließlich könnten die mittelbaren Gesellschafter eines solchen Investmentfonds zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer personenbezogenen Daten vernünftigerweise nicht damit rechnen, dass diese an Dritte, vorliegend an andere mittelbare Gesellschafter dieses Investmentfonds, weitergegeben werden. Insofern resümierte der EuGH, dass es zweifelhaft erscheine, ob eine Verarbeitung personenbezogener Daten wie die Weitergabe der von den Klägern im Ausgangsverfahren begehrten Informationen mit einem berechtigten Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f) DS-GVO gerechtfertigt werden könne.
Entsprechend seiner Prüfungs- und Auslegungskompetenz stellte der EuGH jedoch auch insoweit fest, dass es letztlich Sache des vorlegenden – nationalen – Gerichts sei, zu beurteilen, ob die vorstehenden Voraussetzungen für die Rechtfertigung der Auskunftserteilung erfüllt sind.
Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c) DS-GVO
Der in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c) DS-GVO enthaltene Rechtfertigungsgrund ermöglicht die Datenweitergabe, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, welcher der Verantwortliche u.a. gemäß nationalem Recht unterliegt. Hierzu stellte der EuGH fest, dass eine solche Verpflichtung auch aus einer nationalen Rechtsprechung folgen könne, soweit diese klar und präzise und ihre Anwendung für die Rechtsunterworfenen im Sinne des EuGH vorhersehbar sei. Ob dies mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH und des OLG München der Fall sei, habe wiederum das vorlegende nationale Gericht festzustellen.
Zurück auf „Los“
Was bedeutet nun dieses Urteil nun für den an der Identität und Beteiligungsquote seiner Mitgesellschafter interessierten Treuhand-Kommanditisten? Das Vorlageverfahren hat ja ergeben, dass die genannten Rechtfertigungsgründe der DS-GVO nach Ansicht des äußerst restriktiv auszulegen sind und auch, dass der EuGH offenbar von der Wirksamkeit eines vertraglichen Ausschlusses des Auskunftsrechts ausgeht (auch wenn er sich hierzu inhaltlich nicht verhält).
Ob im zugrundeliegenden Fall allerdings die Voraussetzungen der Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b), f) und c) DS-GVO gegeben sind, hat nun zunächst das vorlegende nationale Gericht zu entscheiden. Im Ergebnis ist nun also – erneut – das AG München am Zug.
Anmerkung
Ein weiteres „wenn-dann-Urteil“ des EuGH also, das aufzeigt, unter welchen tatbestandlichen Voraussetzungen eine Herausgabe der begehrten Daten gegen die DS-GVO – also europäisches Recht – verstoßen könnte. Der Rechtspraxis hilft dies jedoch wenig: Ob in der Datenherausgabe tatsächlich ein Verstoß liegt oder die rechtfertigenden Voraussetzungen der DS-GVO vorliegen, haben nämlich die nationalen Gerichte eigenständig festzustellen, hier: zunächst das AG München. Der Erkenntnisgewinn des EuGH-Urteils hält sich damit erwartbar in Grenzen und man ist geneigt zu fragen, wem die Vorlage durch das AG München genutzt haben könnte.
Sicher ist: Der EuGH hat sich zu äußern, wenn er angerufen wird. Klar ist aber auch, dass er allein über die Auslegung europäischen Rechts entscheidet, hier also über die Auslegung der DS-GVO. Wohl deshalb erwähnt der EuGH nur am Rande, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein vertraglicher Ausschluss des Auskunftsanspruchs betreffend Name, Anschrift und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter bereits wegen Verstoßes gegen § 242 BGB nichtig ist, was der europarechtlichen Argumentation des EuGH den Boden entzöge.
Letztlich wird also der Ball vom EuGH unverrichteter Dinge wieder zurückgespielt und das AG München hat sich seiner ureigensten Aufgabe zu widmen und im Einklang mit dem europäischen, aber auf Basis des nationalen Rechts zu entscheiden, ob der vertragliche Ausschluss der Auskunft nichtig ist mit der Folge, dass die „Erforderlichkeit“ gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) DS-GVO bejaht werden und/oder die Abwägungen im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f) DS-GVO zugunsten des Auskunftbegehrenden ausfallen.
Je nach dem wird das AG München dann noch zu befinden haben, ob sich die Rechtsprechung des BGH und des OLG München als klar, transparent und vorhersehbar im Sinne der Ausführungen des EuGH darstellt und damit der Rechtsfertigungsgrund des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c) DS-GVO gegeben ist – was angesichts einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung wohl der Fall sein dürfte.
Möglicherweise bietet dieses Ergebnis ja Anlass für das ein oder andere Instanzgericht, zunächst unter Beachtung von Recht und Gesetz selbst in der Sache zu entscheiden und derlei zeitraubende „Schleifen“ über den EuGH – wo möglich – zu vermeiden.
(EuGH (Vierte Kammer) Urteil vom 12.9.2024 – C-17/22, C-18/22; BGH, Beschl. v. 24.10.2023 – II ZB 3/23; OLG München Beschluss vom 25.4.2024 – 7 U 3669/23e)

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