Juni 2018 Blog

Monatelanges Schweigen und Hinnahme eines Vollstreckungsbescheids ohne Einwendungen gegen die Forderung als Indiz für die Zahlungsunfähigkeit

Monatelanges Schweigen und Hinnahme eines Vollstreckungsbescheids ohne Einwendungen gegen die Forderung als Indiz für die Zahlungsunfähigkeit

Der BGH präzisiert seine Rechtsprechung hinsichtlich der Vorsatzanfechtung im Falle von Teilzahlungen. 

Sachverhalt

Die Beklagte hatte gegen die Insolvenzschuldnerin eine erhebliche Forderung, die zum 1. Dezember 2008 fällig war. Einen Teilbetrag beglich die Schuldnerin im September 2009. Der wesentliche Restbetrag blieb auch nach der Aufforderung zur Zahlung und dem anwaltlichen Schreiben mit Androhung der gerichtlichen Durchsetzung unbeglichen. Nach Erlass des Vollstreckungsbescheides kündigte die Schuldnerin an, Teilleistungen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb erbringen zu wollen. Die danach geleisteten Zahlungen an die Beklagte forderte der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin und der erklärten Vorsatz- und Deckungsanfechtung zurück.

Entscheidung

Der BGH verweist zunächst darauf, dass bereits das monatelange Schweigen auf die Rechnung der Beklagten für sich genommen ein Indiz für eine Zahlungseinstellung ist. Zudem hat die Beklagte durch ihre nachdrückliche Zahlungsaufforderung und eine anwaltliche Androhung von Zwangsmaßnahmen einen erheblichen Zahlungsdruck entfaltet. Nach einem neuneinhalb-monatigen Verzug ohne Einwendungen gegen die Rechnungen unternahm die Schuldnerin nichts, um die angekündigten kostenträchtigen gerichtlichen Maßnahmen zu vermeiden, und nahm dadurch bewusst den Erlass eines Vollstreckungsbescheids in Kauf. Aus Sicht des BGH stellte der Erlass des Vollstreckungsbescheids eine zeitliche Zäsur dar, und die Annahme unüberwindlicher Zahlungsschwierigkeiten war die im Wirtschaftsverkehr allein realistische Schlussfolgerung. Mit dem Angebot, Teilzahlungen in unbestimmter Höhe aus dem laufenden Betrieb zu erbringen, offenbarte die Schuldnerin ihr Unvermögen. Im Übrigen betont das Gericht unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung erneut, dass es für die Kenntnisvermutung genügt, wenn die Zahlungseinstellung aufgrund der Nichtzahlung nur einer – nicht unwesentlichen – Forderung dem Anfechtungsgegner bekannt wird, was hier ebenfalls der Fall war.

Praxishinweise

Der BGH bestätigt seine Entscheidung aus dem Jahr 2016 (BGH, Urteil vom BGH, Urteil vom 25.2.2016 – IX ZR 109/15, NJW 2016, 1168 = ZInsO 2016, 628) hinsichtlich der Kenntnisvermutung bei einem monatelangen Schweigen auf Rechnungen und Mahnungen und einem Ratenzahlungsangebot im streitigen Verfahren.  Beide Entscheidungen zeigen, dass es bei der Vorsatzanfechtung auf die Umstände der Ratenzahlungsvereinbarung ankommt. Für den Anfechtungsgegner bedeutet das, dass die Ratenzahlungsvereinbarungen nur dann sicher sind, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs halten. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Bitte um Ratenzahlungen - wie im entschiedenen Fall - erst anlässlich einer eingeleiteten gerichtlichen Forderungsbeitreibung erfolgt. An der Beurteilung der vergleichbaren Fälle ändert der neue § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO nichts. Denn die Vermutung gilt nur für verkehrsübliche Zahlungsvereinbarungen, also dann nicht, wenn der Gläubiger bereits im Vorfeld oder im Zeitpunkt der Vereinbarung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hätte erkennen müssen.

(BGH, Urteil vom 8. Juni 2017 – C-54/16).

Svetlana Charushnikova, Rechtsanwältin
Berlin

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