März 2025 Blog

Neue Horizonte in Chinas TMT-Sektor: Erweiterte Möglichkeiten für Internationale Investoren


I. Einführung

Der Telekommunikations-, Medien- und Technologiesektor („TMT“) steht an der Spitze globaler Innovation und Vernetzung und prägt die Weltwirtschaft. Obwohl China einen der größten und am schnellsten wachsenden TMT-Märkte darstellt, war dieser für internationale Akteure aufgrund von Beschränkungen für ausländische Investitionen und strengerer staatlicher Aufsicht historisch gesehen schlechter zugänglich. 

Im Zentrum dieser Zugangsbeschränkungen steht die Lizenzierung für Value-Added Telecommunications Services (VATS), die in der heutigen digitalen Geschäftswelt für immer mehr Branchen – nicht nur IT-bezogene, sondern auch traditionelle – relevant sein kann.
Die jüngste Entwicklung in dieser Hinsicht ist das „Pilot Program for Expanding Foreign Investment in VATS“ („Pilotprogramm-Richtlinie”), das im Oktober 2024 von der chinesischen Regierung in Peking, Shanghai, Hainan und Shenzhen offiziell umgesetzt wurde und einen bedeutenden Schritt in Richtung Öffnung des TMT-Sektors darstellt. Es bietet internationalen Unternehmen neue Möglichkeiten, eine VATS-Lizenz zu erhalten und dadurch in bisher unzugängliche Märkte einzutreten. 

Zur Verstärkung dieses Trends hat China am 17. Februar 2025 den „Action Plan for Stabilizing Foreign Investment in 2025“ veröffentlicht, der den VATS-Sektor ausdrücklich als Schlüsselbereich für die Liberalisierung ausländischer Investitionen priorisiert. 

Dieser Artikel bietet einen Überblick über die sich entwickelnde regulatorische Landschaft und die Compliance-Herausforderungen im TMT-Sektor Chinas und liefert praktische Einblicke für internationale Unternehmen, die in diesem dynamischen und zugleich komplexen Markt agieren möchten.

II. Rechtlicher Rahmen für den Zugang ausländischer Investoren zum TMT-Markt

China hat seinen TMT-Sektor in den letzten Jahren schrittweise für ausländische Investitionen geöffnet. Dennoch bleiben bestimmte sensible Bereiche, wie Internetnachrichten, Verlagswesen und Kulturarbeit, für ausländische Investoren nach wie vor unzugänglich.

Der Zugang ausländischer Investoren zum chinesischen TMT-Sektor unterliegt einer Reihe von Telekommunikationsvorschriften und Vorschriften zur Auslandsinvestition, darunter:

  • Die Sonderverwaltungsmaßnahmen für den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen, die ausländischen Unternehmen grundsätzlich untersagen, Telekommunikationsdienste in China (z. B. über das Internet) anzubieten, ohne eine lokale Präsenz zu schaffen.
  • Das Gesetz über ausländische Investitionen und die Sonderverwaltungsmaßnahmen für den Zugang ausländischer Investitionen („Negative Listen“), die festlegen, welche Teilsektoren des TMT-Marktes für ausländische Investoren verboten oder eingeschränkt sind. Die Negativen Listen werden regelmäßig aktualisiert und setzen sich im Wesentlichen aus einer Liste für die festgelegten Freihandelszonen („FTZs“) in verschiedenen Städten des Landes („FTZ-Negativliste“) und einer landesweiten Liste, die nicht für die FTZs gilt („Allgemeine Negativliste“), zusammen.
  • Die Telekommunikationsvorschriften, die Vorschriften über ausländische Investitionen in Telekommunikationsunternehmen sowie relevante Durchführungsbestimmungen, die die Anforderungen für Telekommunikationslizenzen regeln.
  • Die Pilotprogramm-Richtlinie, die am 8. April 2024 erlassen, und deren Pilotprogramm offiziell am 23. Oktober 2024 von der chinesischen Behörde für Industrie und Informationstechnologie („MIIT“) in vier Regionen gestartet wurde: Beijing, Pudong New Area und Lingang New Area in Shanghai, Hainan und Shenzhen („Pilotregionen“). Das Programm soll den Zugang ausländischer Investoren zu VATS wie Internet-Datenzentren (IDC), Content Delivery Networks (CDN) und Internet of Things (IoT)-Plattformen erweitern. Weitere Details zu diesem Programm sind unten aufgeführt.

Nach diesen Gesetzen muss grundsätzlich jedes ausländische Unternehmen, das in China Telekommunikationsdienste anbieten möchte, zunächst eine Präsenz in China aufbauen (z. B. durch eine Tochtergesellschaft oder ein Joint Venture). Innerhalb des Rahmens der TMT-Untersektoren, die für ausländische Investitionen offen sind, muss es dann die entsprechenden Betriebslizenzen beantragen und die gleichen Anforderungen wie inländische Unternehmen erfüllen, bevor der Betrieb aufgenommen werden kann.

Die folgende Tabelle fasst die fünf häufigsten Arten von Telekommunikationsgeschäften für private Unternehmen (alle im Rahmen der VATS) zusammen und erläutert die entsprechenden ausländischen Investitionsbeschränkungen in China (gemäß der Allgemeinen Negativliste), in den FTZs (gemäß der FTZ-Negativliste) und in den Pilotregionen (unter der Pilotprogramm-Richtlinie).

Anmerkungen:
* Es gibt eine separate FTZ Negative Liste für Hainan, die eine bedingte Öffnung ermöglicht: Unternehmen, die in der Freihandelszone von Hainan registriert sind und dort Serviceeinrichtungen haben, dürfen IDC- und CDN-Dienste sowohl innerhalb des Freihandelsportals als auch international betreiben.
** Da die Pilotregionen auch FTZs sind, unterliegen sie derzeit zwei regulatorischen Regelwerken: der FTZ-Negativliste und der Pilotprogramm-Richtlinie. Anträge für die traditionelle Telekommunikationsgeschäftsbetriebslizenz fallen unter die FTZ-Negativliste, während Anträge für die neue Telekommunikationsgeschäftsbetrieb-Pilotgenehmigung von der Pilotprogramm-Richtlinie geregelt werden. In der Praxis hängt die Wahl des Antragsverfahrens weitgehend von der Art des Geschäfts des Antragstellers und den spezifischen Anforderungen des lokalen MIIT ab.

III. Pilotprogramm-Richtlinie – Besondere Lizenzierung und Anforderungen

Im Gegensatz zu inländischen Unternehmen müssen ausländische Investoren in den Pilotregionen einen Antrag auf eine Pilotgenehmigung für den Telekommunikationsgeschäftsbetrieb im Rahmen des Pilotprogramms stellen (anstelle der traditionellen Telekommunikationsbetriebslizenz), um von der Pilotprogramm-Richtlinie zu profitieren. Laut der Pilotprogramm-Richtlinie, den relevanten Q&A der MIIT und den einschlägigen Vorschriften sind die Anforderungen für die Beantragung der Pilotgenehmigung in der Regel folgende:

  • Allgemeine Anforderungen gemäß den Maßnahmen zur Telekommunikationslizenz (identisch mit denen für inländische Investoren): 
    1. Kapital und Personal: Ausreichendes Kapital und qualifiziertes Fachpersonal für den Betrieb der jeweiligen Telekommunikationsdienste.

    2. Eingetragenes Kapital: Für Unternehmen, die innerhalb einer Provinz, einer autonomen Region oder einer direkt verwalteten Gemeinde tätig sind, beträgt das Mindestkapital 1 Million RMB; für Unternehmen, die landesweit oder über Provinzgrenzen hinweg operieren, beträgt das Mindestkapital 10 Millionen RMB.

    3. Sicherheit und Netzwerkinfrastruktur: Angemessene Einrichtungen, Räumlichkeiten und technische Lösungen, um langfristige und stabile Dienstleistungen zu gewährleisten.

    4. Compliance: Weder die Unternehmen selbst noch ihre wichtigsten Investoren und Manager dürfen auf der „Liste der in der Telekommunikationsbranche diskreditierten Unternehmen“ geführt sein.
     
  • Besondere Anforderungen gemäß der Pilotprogramm-Richtlinie:
    1. Gründung einer lokalen Niederlassung: Unternehmen muss rechtmäßig in einer Pilotregion gegründet worden sein, d. h. die registrierte Geschäftsadresse und der Standort der Dienstleistungseinrichtungen müssen sich innerhalb dieser Pilotregion befinden. Sie dürfen keine CDN- oder andere Einrichtungen außerhalb der Pilotregion kaufen oder mieten, um beschleunigte Dienste zu erbringen.

    2. Geschäftsbetrieb: Betreiber, die die oben genannten Dienstleistungen anbieten – mit Ausnahme von ISPs – dürfen ihre Dienste landesweit anbieten. Der örtliche Servicebereich für ISPs ist jedoch auf die jeweilige Pilotregion beschränkt, und der Internetzugang muss den Nutzern über die Ausrüstung der grundlegenden Telekommunikationsdienstleister bereitgestellt werden.
    Dieser Öffnung auf dem Papier sind auch bereits erste praktische Umsetzungen gefolgt. So hat das MIIT kürzlich die erste Gruppe von 13 auslandsinvestierten Unternehmen (u.a. Tochtergesellschaften von Siemens und der Deutschen Telekom) im Rahmen der Pilotprogramm-Richtlinie genehmigt hat und ihnen besondere Genehmigungen für den Betrieb verschiedener VATS erteilt. 

IV. Lizenzierungsleitfaden für internationale Unternehmen

Ob ein bestimmtes Geschäftsmodell eine VATS-Lizenzierung erfordert, hängt von der Art der angebotenen Dienstleistungen ab. In der heutigen globalen Geschäfts- und Technologiewelt kann dies für die meisten Branchen und verschiedene Geschäftsmodelle relevant sein:

  • Technologieunternehmen
    Die VATS-Lizenzierung ist besonders relevant für Technologieunternehmen, insbesondere für Anbieter von Infrastructure as a Service (IaaS), Platform as a Service (PaaS) und Software as a Service (SaaS). Je nach Geschäftsmodell und Servicefunktionen benötigen IaaS-Anbieter in der Regel eine IDC-Lizenz und PaaS-Anbieter häufig eine EDI-Lizenz, während SaaS-Anbieter oft weniger klar definierten regulatorischen Anforderungen unterliegen.
     
  • Traditionelle Industrien im Wandel durch IoT, KI und andere Technologien
    Viele internationale Unternehmen durchlaufen eine technologische Transformation, indem sie IoT, KI und andere softwarebasierte Lösungen in ihre Produkte und Prozesse integrieren (etwa in den Bereichen: Smart Vehicles, Smart Homes und Smart Factories). Einige Unternehmen vollziehen zudem den Übergang von traditionellen Industrien in den Technologiesektor, indem sie branchenspezifische Softwareprodukte kommerzialisieren. Falls die Software Online-Datenverarbeitung mit externen Interaktionen ermöglicht, die unter regulierte Kategorien fallen, könnte eine VATS-Lizenz erforderlich sein.
     
  • B2B- und B2C-E-Plattformen
    In China ist es branchenübergreifend gängige Praxis, maßgeschneiderte Apps und Websites zur Vermarktung und zum Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen zu entwickeln. Plattformen, die die Teilnahme Dritter ermöglichen – wie Multi-Merchant-E-Commerce-Plattformen, nutzergenerierte Inhalte oder Marktplätze – fallen in der Regel unter die VATS-Regulierung, und deren Betreiber müssen die entsprechende Lizenz einholen. Im Gegensatz dazu gelten selbst betriebene E-Plattformen, die ausschließlich eigene Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in der chinesischen Regulierungspraxis in der Regel nicht als VATS.

V. Allgemeine Compliance-Empfehlungen 

Um die Einhaltung der VATS-bezogenen Vorschriften sicherzustellen, sollten Unternehmen grundsätzlich eine der folgenden Vorgehensweisen wählen:

(a) Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen: Partnerschaften mit inländischen Unternehmen eingehen, die bereits über die erforderlichen Lizenzen verfügen, um eine langfristige Zusammenarbeit sicherzustellen, oder professionelle chinesische IaaS- (Infrastructure as a Service) oder PaaS- (Platform as a Service) Anbieter für die Bereitstellung von Basisdiensten engagieren. In jedem Fall ist es entscheidend, den Compliance-Status dieser Unternehmen zu überprüfen und die Gültigkeit ihrer Lizenzen sicherzustellen, um potenzielle Haftungsrisiken oder Betriebsunterbrechungen zu vermeiden.

(b) Erwerb einer eigenen Lizenz: Die jüngsten regulatorischen Erleichterungen nutzen, um eine eigene VATS-Lizenz (oder eine Pilotgenehmigung) zu beantragen. Dies kann nicht nur die betriebliche Unabhängigkeit erhöhen, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen.

Neben der VATS-Lizenzierung müssen Unternehmen auch andere verbindliche IT-Vorschriften beachten, die den Einsatz von IoT-Technologien, Künstlicher Intelligenz (KI), Software-Diensten und vernetzten Produkten regeln. Zudem gibt es spezifische Registrierungs- und Genehmigungspflichten für spezialisierte Teil-Sektoren wie Automobilsoftware und generative Künstliche Intelligenz (GAI).
Unabhängig von Lizenz Anforderungen müssen Unternehmen, die eigene Websites oder Apps betreiben, unter Umständen zusätzliche behördliche Registrierungen vornehmen, darunter das sogenannte ICP-Filing und die Cybersicherheitsregistrierung bei den zuständigen chinesischen Behörden.

Darüber hinaus müssen Unternehmen umfangreiche Vorschriften zur Cybersicherheit und zum Datenschutz einhalten, darunter das chinesische Gesetz zur Datensicherheit, das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten, das Cybersicherheitsgesetz sowie die kürzlich in Kraft getretene Verordnung zur Verwaltung der Netzwerksdatensicherheit. Zusätzlich können branchenspezifische Zulassungen und Qualifikationen erforderlich sein, wie beispielsweise das Internet-Pharmazie-Informationsdienst-Zertifikat.

Falls die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen in eine regulierte Kategorie fallen, wird dringend empfohlen, professionelle Beratung einzuholen, um eine vollständige Compliance sicherzustellen und betriebliche Störungen zu vermeiden. Das Versäumnis, erforderliche Anmeldungen und Genehmigungen vorzunehmen, kann zu Geschäftsunterbrechungen und rechtlichen Konsequenzen führen.

VI. Strategische Veränderungen im Geschäftsmodell und M&A-Möglichkeiten

Wie bereits erwähnt, müssen internationale Investoren und Unternehmen in bestimmten kürzlich eröffneten TMT-Subsektoren, die verschiedene Arten von VATS umfassen, nicht mehr ausschließlich auf Partnerschaften mit lokalen chinesischen Unternehmen angewiesen sein. Die bestehenden Joint-Venture- oder Geschäftspartnermodelle in diesen Bereichen können nach und nach durch hundertprozentige Tochtergesellschaften ersetzt werden. Dieser Wandel ermöglicht es internationalen Unternehmen, Dienste wie IDC, CDN und IoT-Plattformen unabhängig zu betreiben und so direkt von dem wachsenden chinesischen Markt zu profitieren.

Im Bereich Fusionen und Übernahmen (M&A) werden mit der fortschreitenden Lockerung der ausländischen Investitionspolitik auch die rechtlichen Hürden, denen ausländische Investoren während des Übernahmeprozesses gegenüberstehen – wie etwa nationale Sicherheitsprüfungen – allmählich abgebaut. Internationale Investoren könnten daher den Erwerb chinesischer TMT-Unternehmen als strategischen Schritt in Betracht ziehen. Dies bietet Chancen für Marktexpansion sowie für Technologieintegration und -entwicklung.

VII. Schlussfolgerung

Vor dem Hintergrund der fortlaufenden Öffnung des TMT-Sektors in China, erhalten internationale Investoren und Unternehmen aus unterschiedlichsten Industrien mehr Möglichkeiten, in den Markt einzutreten. Dabei sollte jedoch ein besonderes Augenmerk auf die Umsetzung der VATS-Lizenzierung im Rahmen der Pilotprogramm-Richtlinie, sowie auf die ständig weiterentwickelten regulatorischen Anforderungen in den Bereichen Cybersicherheit, Datensicherheit und branchenspezifische Technologien gelegt werden. Die Entwicklung einer umfassenden Compliance-Strategie, die auf Ihre Branche und Ihr Geschäftsmodell zugeschnitten ist, ist entscheidend für den langfristigen Erfolg und nachhaltiges Wachstum auf dem dynamischen chinesischen Markt. 

 


Zhenting Lyu, Praktikantin bei GvW Shanghai, hat zur Recherche dieses Artikels beigetragen.

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