Neue OLG Rechtsprechung präzisiert die Anforderungen an ein Covid-19-pandemiebedingtes Mietminderungsrecht: Die Auswirkungen einer Mietminderung auf die wirtschaftliche Gesamtsituation des Vermieters muss stärker berücksichtigt w
Die kürzlich ergangenen Entscheidungen des OLG FFM und des OLG Hamm sind richtungsweisend für zahlreiche Hotelmiet- und Hotelpachtverhältnisse.
Beide Entscheidungen stellen klar, dass bei der Frage einer Covid-19-pandemiebedingten Mietreduktion (Diese Grundsätze des im Folgenden behandelten Mietrechts gelten ebenso für Pachtverträge, auf die das Mietrecht zu großen Teilen Anwendung findet) im Rahmen eines Vertragsanpassungsanspruchs auf Grundlage von § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung der Verbindlichkeiten und möglichen Einbußen des Mieters und des Vermieters vorzunehmen sei.
Insbesondere seien die Darlehensverpflichtungen und sonstigen laufenden Kosten des Vermieters, die durch die Mieteinnahmen kompensiert werden, in die Interessenabwägung einzubeziehen. Auf Mieterseite seien insbesondere staatliche Hilfen sowie betriebsbedingte Kosten und Alternativkonzepte für die Zeit der Schließung in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Darüber hinaus bestünden für Mieter diverse Darlegungspflichten, gerade auch in Bezug auf Staatshilfen.
Im Übrigen bestätigen beide Entscheidungen erneut, dass ein Covid-19-pandemiebdingtes Mietreduktionsrechts auf gesetzlicher Grundlage (§ 313 BGB) von sämtlichen Umständen des Einzelfalls abhängt. Insofern reihen sich die beiden neuen OLG Urteile in die bereits ergangene einschlägige Rechtsprechung ein.
Die Entscheidung des OLG FFM
In dem dem OLG FFM (2U 18/21 Urteil vom 17.09.2021) zur Entscheidung vorgelegten Fall verweigerte der Mieter unter Verweis auf den Lockdown und – u.a. - § 313 BGB teilweise die Zahlung der Miete für die Monate April und Mai 2020.
§ 313 BGB gewährt einen Anspruch auf Vertragsanpassung, wenn sich Umstände, die Grundlage des Vertrages geworden sind, wesentlich geändert haben. Damit besteht die grundsätzliche Möglichkeit, unter Verweis auf § 313 BGB eine zeitweise Anpassung vertraglich geschuldeter Miete zu verlangen.
Der Anspruch erfordert neben einem tatsächlichen und einem hypothetischen Element jedoch auch, dass dem jeweiligen Anspruchsteller das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (sog. normatives Element).
Das Gericht schloss in seiner Entscheidung einen Anspruch auf Vertragsanpassung und damit eine Mietminderung für die Zeit der Schließungen zwar nicht grundsätzlich aus, jedoch seien an diesen Anspruch hohe Anforderungen im Einzelfall zu stellen, an deren Erfüllung es vorliegend fehle.
Gerade an die Unzumutbarkeit der unveränderten Fortsetzung des Vertragsverhältnisses knüpfte das OLG FFM – wie auch ein Großteil der sonstigen einschlägigen Rechtsprechung – äußerst strenge Voraussetzungen.
Das OLG FFM nahm dabei eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung vor, die nicht nur Wirtschaftlichkeitserwägungen auf Seiten des Mieters, sondern auch auf Vermieterseite einbezogen.
Außerdem hat das OLG FFM die Darlegungslasten von Mietern weiter präzisiert. Der Mieter muss demnach nachweisen, dass die ungeminderte Mietzahlungsverpflichtung für ihn ein schlechthin untragbares Ergebnis darstelle, welches mit Recht und Gerechtigkeit nicht vereinbar sei.
- Der Mieter habe grundsätzlich seine gesamtwirtschaftliche Unternehmenssituation in Folge der Schließung darzulegen.
- Dafür müsse er insbesondere offenlegen, ob und in welcher Höhe staatliche Hilfen beansprucht werden und im Übrigen nachweisen:
- dass die Zahlungsverweigerung nicht aus einer pandemieunabhängigen schlechten wirtschaftlichen Unternehmenssituation erfolgte;
- dass er sich um alternative Geschäftskonzepte bemüht oder diese im konkreten Fall nicht geeignet sind, eine weniger unwirtschaftliche Lage zu verhindern;
- dass keine Betriebsunterbrechungsversicherung besteht;
- wie lange das Mietverhältnis bereits andauert und noch fortdauern wird.
In dem dem OLG FFM zur Entscheidung vorgelegten Fall hatte der Mieter diese Nachweise sogar vollständig erbracht. Dennoch hat das Gericht zu Gunsten des Vermieters entschieden und eine Mietreduktion im konkreten Fall abgelehnt, da dieser aufzeigen konnte, dass er mithilfe der Mieteinnahmen eigene erhebliche Verbindlichkeiten erfüllen müsse. Damit misst das OLG FFM den finanziellen Verbindlichkeiten der Vermieterseite eine erhebliche Bedeutung bei der Frage zu, ob Mieter eine pandemiebedingte Reduktion der Miete auf Grundlage von § 313 BGB verlangen können.
Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang auch, dass der Gesetzgeber zwar für gewerbliche Mieter wie Hotelbetreiber staatliche Unterstützungsleistungen geschaffen habe, nicht jedoch für deren Vermieter. Dies hat das OLG FFM zum Anlass genommen, die finanziellen Verbindlichkeiten des Vermieters in dem von ihm zu entscheidenden Fall stärker zu gewichtigen als etwaige Einbußen des Mieters.
Die Entscheidung des OLG Hamm
Auch in dem dem OLG Hamm zur Entscheidung vorgelegten Fall (30 U 114/21 Urteil vom 24.09.2021) verweigerte ein Mieter die Zahlung der Miete für den Monat April 2020.
Das OLG nahm in diesem Fall eine ganz ähnliche Begründung vor wie das OLG FFM, stellte ebenso auf eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung ab und lehnte eine Mietreduktion im Ergebnis ab.
Das OLG Hamm betrachtete dabei außerdem das deutschlandweite betriebswirtschaftliche Ergebnis des Mieters und nicht lediglich sein standortbezogenes Betriebsergebnis und stellte auf dieser Grundlage fest, dass der Mieter mangels ausreichenden Vortrags zu seiner wirtschaftlichen Performance seiner Beweispflicht nicht hinreichend Rechnung getragen habe.
Fazit und Ausblick
Auch die Mieter in Hotelmiet- und –Hotelpachtverhältnissen müssen gemäß der neuen OLG Rechtsprechung hohe Beweishürden überwinden, um eine pandemiebedingte Reduktion der Miete auf Grundlage eines Vertragsanpassungsanspruchs gemäß § 313 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage durchzusetzen.
Selbst bei guter Beweislage kann der mieterseitige Anspruch außerdem an der Darlegung und dem Beweis finanzieller Verbindlichkeiten auf Seiten des Vermieters scheitern, die gemäß der neueren OLG Rechtsprechung ebenfalls in die Interessenabwägung einzubeziehen sind.
Evaluationsbedürftig bleibt auch der perspektivische Blick in die Zukunft:
Da die Covid-19-Pandemie und mögliche weitere Infektionswellen verbunden mit etwaigen weiteren Betriebsschließungen und behördlichen Beschränkungen jedenfalls unter neu abgeschlossenen Hotelmiet- und –pachtverträgen nicht mehr als unvorhergesehene Ereignisse im Sinne des § 313 BGB qualifiziert werden können, dürfte die Relevanz von „Force Majeure Klauseln“ und/oder spezifischen Pandemieklauseln weiter steigen.
Dr. Christian Zerr
Dr. Sajanee Arzner
Nastasia Dietz