Mai 2025 Blog

Neuerungen im Wirtschaftsrecht - Einführung der Commercial Chambers und Commercial Courts in Deutschland

Zum 1. April 2025 ist das am 4. Juli 2024 verabschiedete Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland in Kraft getreten. Mit diesem wurden die Bundesländer u.a. zur Einrichtung von „Commercial Chambers“ an den Landgerichten und „Commercial Courts“ an den Oberlandesgerichten ermächtigt, durch welche privatrechtliche Wirtschaftsstreitigkeiten in Deutschland schneller und effizienter durchgeführt werden sollen. 

Worum handelt es sich?

Bei den Commercial Chambers und Commercial Courts handelt es sich um spezialisierte Wirtschaftskammern, bei welchen wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten effizient, fachkundig und auf Wunsch in englischer Sprache verhandelt werden können. Hiermit soll auf die zunehmende Komplexität und Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs reagiert werden sowie die Effizienz bei der Bearbeitung von handelsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten gesteigert werden. 

Da handelsrechtliche Auseinandersetzungen sowohl auf rechtlicher als auch auf wirtschaftlicher Ebene meist recht komplex sind, erfordern diese in der Regel ein besonderes Verständnis in Bezug auf wirtschaftliche Zusammenhänge und branchenspezifische Besonderheiten. Die bisherige Einordnung dieser Verfahren in die allgemeine Zivilgerichtsbarkeit stieß dabei zunehmend an ihre Grenzen, was sich zum Teil in langen Verfahrensdauern und fehlender gerichtlicher Spezialisierung äußerte.

Dem soll nun mit der Einführung der Commercial Chambers und Commercial Courts entgegengetreten werden. 

Wann sind Commercial Chambers und Commercial Courts zuständig?

Die Zuständigkeit der bei den Oberlandesgerichten einzurichtenden Commercial Courts ist nach § 119b Abs. 1 GVG grds. begründet, sofern der Streitwert mind. EUR 500.000,- beträgt und es sich entweder um

  • einen privatrechtlichen Rechtsstreit zwischen Unternehmern

  • Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Unternehmens oder von Anteilen an einem Unternehmen oder

  • Streitigkeiten zwischen Gesellschaft und Mitgliedern des Leitungsorgans oder des Aufsichtsrats

handelt. Die Oberlandesgerichte sind in dieser Funktion ausnahmsweise erstinstanzlich zuständig, d.h. eine vorherige Verhandlung vor den Landgerichten erfolgt nicht. Einziges Rechtsmittel ist die Revision zum Bundesgerichtshof, welche aufgrund der Verkürzung des Rechtswegs allerdings keiner Zulassung bedarf. 

Die Landesregierungen haben gem. § 119b Abs. 1 S. 2 GVG die Möglichkeit, die Zuständigkeit der Commercial Courts auf bestimmte der in § 119 Abs. 1 GVG genannten Bereiche oder auf Teilbereiche hiervon zu beschränken. Zudem können sie nach § 119b Abs. 1 S. 3 GVG die Zuständigkeit der Commercial Courts auch auf solche Gebiete ausweiten, in denen eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte oder ein sonstiger ausschließlicher Gerichtsstand vorgesehen ist. 

Zuständig sind die Commercial Courts dagegen nicht für Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmern auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, des Urheberrechts sowie über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Gleiches gilt für Streitigkeiten über die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit von Beschlüssen von Gesellschaftern oder Gesellschaftsorganen.

Die Einrichtung der Commercial Chambers bei den Landgerichten durch die Landesregierungen richtet sich hingegen nach § 184a Abs. 1 GVG. Im Gegensatz zu den Commercial Courts können bei den Commercial Chambers Rechtsstreitigkeiten im Rahmen der vorstehend beschriebenen Sachgebiete unabhängig vom Erreichen der für Commercial Courts vorgesehenen Streitwerte geltend gemacht werden. Mindeststreitwert ist hier die für die Landgerichte vorgesehene reguläre Grenze von EUR 5.000,01.

Was ist noch Voraussetzung für die Verhandlung vor den Commercial Courts?

Die Verhandlung vor den Commercial Courts setzt gem. § 119b Abs. 2 S. 1 GVG des Weiteren voraus, dass sich die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend über deren Zuständigkeit verständigt haben. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien bedarf es daher nicht. Haben die Parteien nicht ausdrücklich etwas Anderes vereinbart, gilt die Zuständigkeit der Commercial Courts gem. § 119b Abs. 2 S. 2 GVG dabei als ausschließliche Zuständigkeit. 

Fehlt es an einer Vereinbarung über die Zuständigkeit, kann sich die Zuständigkeit allerdings auch aus einer rügelosen Einlassung (§ 119b Abs. 2 S. 3 GVG) ergeben.  

Besonderheit der Commercial Chambers und Commercial Courts

Die Commercial Chambers und Commercial Courts unterscheiden sich von den allgemeinen Zivilkammern nicht nur dadurch, dass diese hoch spezialisiert auf bestimmten Bereichen sind. Die Landesregierungen sind bei der Einrichtung von Commercial Chambers und Commercial Courts berechtigt vorzusehen, dass diese Gerichtsverfahren vollständig auf Englisch geführt werden können. Dies spart Übersetzungskosten und ermöglicht eine einfachere Teilnahme ausländischer Parteien. Voraussetzung für ein komplett auf Englisch geführtes Verfahren ist allerdings, dass die Parteien Englisch als Gerichtssprache ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart haben bzw. sich der Beklagte darauf im Rahmen der Klageerwiderung rügelos eingelassen hat (§ 184a Abs. 3 GVG). 

Darüber hinaus wurde das Verfahren vor den Commercial Chambers und den Commercial Courts zum Teil an das in der Praxis weit verbreitete schiedsgerichtliche Verfahren angelehnt. So sieht § 612 S. 1 ZPO bspw. vor, dass die Commercial Courts und die Commercial Chambers erstinstanzlich so früh wie möglich einen Organisationstermin mit den Parteien anberaumen, um Vereinbarungen über die Organisation und den Ablauf des Verfahrens zu treffen. Zudem ist das Protokoll nach § 613 ZPO im ersten Rechtszug auf übereinstimmenden Antrag der Parteien als ein während der Verhandlung für die Parteien mitlesbares Wortprotokoll zu führen, soweit dem keine tatsächlichen Gründe entgegenstehen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Protokollen gibt das Wortprotokoll nicht nur die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung (vgl. § 160 Abs. 2 ZPO), sondern die gesamte Verhandlung im Wortlaut wieder, was eine genauere Beweiswürdigung ermöglicht. Erfolgt die Erstellung des Wortlautprotokolls durch einen gerichtsfremden Protokollanten, sind die Kosten hierfür allerdings als Kosten des Rechtsstreits von den Parteien zu tragen. 

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Einführung der Commercial Chambers und der Commercial Courts in der Praxis bewähren wird. Diese wird vermutlich nicht ohne Herausforderungen sein: Um die erforderliche Fachkompetenz der Spezialkammern zu gewährleisten, dürfte eine gezielte Auswahl und Fortbildung der Richterinnen und Richter unerlässlich sein. Darüber hinaus wird wohl auch eine ausgewogene Ressourcenverteilung innerhalb der Justiz von entscheidender Bedeutung sein, damit die neuen Spezialkammern arbeitsfähig sind, ohne andere Bereiche der Gerichtsbarkeit zu schwächen. 

Ungeachtet der Herausforderungen dürfte die Einführung der Commercial Chambers und der Commercial Courts jedoch einen wichtigen Schritt in die Modernisierung der deutschen Justiz darstellen, um zur Steigerung der Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort beizutragen. 

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