Februar 2022 Blog

Pauschale Arbeits­vertrags­klausel keine an­gemes­sene Geheim­haltungs­maß­nahme

Das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 13. Januar 2022 ist hervorzuheben, da das Gericht nunmehr klargestellt hat, dass es für den Arbeitgeber für einen Geheimnisschutz nicht ausreicht, sich auf eine sog. Catchall-Klausel im Arbeitsvertrag zu berufen, ohne die Anwendung eines konkreten Geheimhaltungsmanagements darlegen zu können. Unternehmer mit solch einer Klausel sind aufgefordert, tätig zu werden, da die Klausel keine angemessene Schutzmaßnahme im Sinne von § 2 Nr. 1 lit. b Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) darstellt, sodass Informationen keinem gesetzlichen Geschäftsgeheimnisschutz unterliegen.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin machte gegen den Arbeitnehmer einen Unterlassungsanspruch aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen geltend. Dabei musste das Gericht urteilen, ob die angewandte Catchall-Klausel im Arbeitsvertrag als Geheimhaltungsmaßnahme im Sinne von § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG ausreicht. Nach dieser Catchall-Klausel sollte der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Verschwiegenheit sämtlicher Informationen ohne Einschränkung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet sein.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht hat den Unterlassungsanspruch verneint, da es sich bei den Informationen, die die Klägerin als Geschäftsgeheimnisse ansah, um nicht ausreichend geschützte Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG handele. Die Klägerin habe als Arbeitgeberin keine hinreichenden Bestrebungen zum Schutz der Informationen unternommen.

Anhand einzelner Kriterien, die bereits durch das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 16. September 2020 festgesetzt worden sind, führt das Gericht zunächst eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Bewertung der Angemessenheit der Geheimhaltungsmaßnahmen durch. Die erforderlichen konkreten Geheimhaltungsmaßnahmen richten sich u.a. nach Art und Wert des Geschäftsgeheimnisses, die konkreten Umstände der Nutzung, Entwicklungskosten, Bedeutung für das Unternehmen und Größe des Unternehmens. Von einem weltweit tätigen Unternehmen können aufwändigere Sicherheitsvorkehrungen erwartet werden als von kleineren Handwerksbetrieben. Denn je höher die Marktstellung des Geheimnisträgers ist, desto größer ist die Bedeutung der zu sichernden Informationen. Dies erhöhe dabei die geforderten Schutzmaßnahmen und es können insoweit weitreichendere Maßnahmen erwartet werden.

Das Gericht kommt dann zur Entscheidung, dass die Klägerin die Umstände angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen nicht darlegen konnte. Sie trage die Darlegungs- und Beweislast, welche Geheimnisse in welchem Umfang, für welchen Zeitraum geschützt werden sollen. Eine pauschale Regelung im Arbeitsvertrag sei unzureichend, um ein angemessenes Schutzkonzept nach § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG darzulegen, da sie zu allgemein gehalten sei und nicht zu erkennen sei, welche Informationen Geschäftsgeheimnisse darstellen sollten.

Die weit gefasste Catchall-Klausel, die den Arbeitnehmer verpflichten sollte, alle ihm zur Kenntnis gelangten Informationen nach Ende des Arbeitsverhältnisses bis an sein Lebensende geheim zu halten, übersteige das berechtigte Interesse der Arbeitgeberin und sei daher mit der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 GG nicht zu vereinbaren. Ein Arbeitgeber habe nur ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Geheimhaltung von konkreten Daten und Sachverhalten unter Angabe eines bestimmten Zeitraums nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aufgrund der übermäßigen Vertragsbindung sei die Catchall-Klausel nach § 138 Absatz 1 BGB sittenwidrig und daher unwirksam.

Auswirkungen für die Praxis

Unternimmt ein Geheimnisträger nicht aktiv Bestrebungen zum Schutz der geheimen Informationen, gibt es kein Geschäftsgeheimnisschutz durch die Rechtsordnung. Dabei genügt es nicht, sich auf eine pauschale Arbeitsvertragsklausel zu berufen. Zur Wahrung der Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen ist es notwendig, neben der Erfüllung des Mindeststandards des sog. „Need-to-know“-Prinzips (d.h. Informationen sind nur an Personen anzuvertrauen, die diese auch zur Durchführung ihrer Aufgaben benötigen) auch konkret den Umfang der Geheimhaltungspflicht, insbesondere welche Informationen konkret wie lange geheim zu halten sind, kenntlich zu machen.

Im Hinblick auf die Bedeutung von Know-how für Unternehmen, ist darauf hinzuweisen, dass Unternehmen nach Auswertung der verschiedenen Kriterien - wie z.B. Größe des Unternehmens, Wert des Geheimnisses - ein sog. „Bündel an Maßnahmen“ ergreifen sollten, damit das Geheimnis dem gesetzlichen Schutzmechanismus unterliegt. Es ist jedoch aufgrund der Ungewissheit des unbestimmten Rechtsbegriffes der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen notwendig, die Rechtsprechung aufmerksam zu verfolgen, um seine Geschäftsgeheimnisse vor rechtswidriger Nutzung und Offenlegung mit einem angemessenen Schutzkonzept schützen zu können.

(ArbG Aachen, Urteil vom 13.01.2022 – 8 Ca 1229/20)

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