Referentenentwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes
Im Juni 2020 hat die Bundesregierung den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vorgestellt. Ziel des Gesetzes soll es sein, den Städten und Gemeinden zusätzliche Instrumente an die Hand zu geben, um Bauland für den Wohnungsbau zu mobilisieren und die Herstellung dringend benötigten Wohnraums zu beschleunigen. Der Referentenentwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes sieht deshalb eine Vielzahl von größeren und kleineren Änderungen des Bauplanungsrechts (konkret: Baugesetzbuch und Baunutzungsverordnung) vor. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die wesentlichen Inhalte sowie eine kurze Bewertung des Gesetzentwurfs vornehmen. Im Einzelnen:
1. Kommunale Vorkaufsrechte
Mit dem Gesetzesentwurf ist insbesondere eine Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte beabsichtigt. Diesbezüglich soll in § 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BauGB zukünftig klargestellt werden, dass die Deckung des Wohnbedarfs ein Grund des Wohls der Allgemeinheit ist, der die Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts rechtfertigen kann. Des Weiteren soll es den Kommunen ermöglicht werden, durch den Erlass entsprechender Satzungen bzw. Verordnungen generell für unbebaute Grundstücke Vorkaufsrechte zu begründen, sofern in der Gemeinde ein angespannter Wohnungsmarkt besteht.
2. Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung
In einem neuen § 9 Abs. 2d BauGB soll nach dem Referentenentwurf die Möglichkeit geschaffen werden, für Gebiete, die bislang nach § 34 BauGB zu beurteilen waren, einen „abgespeckten“ Bebauungsplan aufzustellen, der u.a. vorsehen kann, dass nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, welche den Standards der sozialen Wohnraumförderung entsprechen bzw. bei denen sich der Vorhabenträger mittels eines städtebaulichen Vertrages dazu verpflichtet hat, die Förderbedingungen des sozialen Wohnungsbaus einzuhalten. Die Regelung soll zunächst bis zum 31. Dezember 2024 befristet werden. Der Gesetzesentwurf spricht insoweit davon, dass bis dahin überprüft werden soll, ob der Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2d BauGB ein geeignetes Mittel zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums sein kann.
3. Erleichterungen des Wohnungsbaus
Darüber hinaus sieht der Entwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes an verschiedenen Stellen „Erleichterungen des Wohnungsbaus“ vor. Besonders hervorzuheben ist hierbei eine neue planungsrechtliche Befreiungsvorschrift in § 31 Abs. 3 BauGB. Hiernach sollen zukünftig in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans auch dann möglich sein, wenn die Grundzüge der Planung durch das Vorhaben berührt werden. Es bleibt jedoch dabei, dass auch die nachbarlichen Interessen gewürdigt werden müssen. Ferner soll § 34 Abs. 3a BauGB für den unbeplanten Innenbereich dahingehend ergänzt werden, dass sich bauliche Anlagen zu Wohnzwecken nicht stets in die nähere Umgebung einzufügen haben. Des Weiteren soll es Regelungen zur Vereinfachung der Umnutzung ehemals landwirtschaftlich genutzter Gebäude im Außenbereich zu Wohnzwecken geben. Schließlich sollen die bislang in § 17 BauNVO vorgesehenen „Obergrenzen“ für die bauliche Ausnutzung von Grundstücken zukünftig nur noch die Bedeutung als „Orientierungswerte“ zukommen. Hierdurch möchte der Gesetzgeber eine weitere Nachverdichtung im städtischen Raum erreichen.
4. Gemeindliche Baugebote
Bereits im vergangenen Jahr ist das sogenannte Baugebot in die öffentliche Diskussion gerückt. Mithilfe dieses Instruments kann die öffentliche Hand anordnen kann, dass Gebäude tatsächlich entsprechend des Bebauungsplans errichtet werden. Die bestehenden Regelungen, von denen bislang sehr selten Gebrauch gemacht wurde, sollen im Baulandmobilisierungsgesetz daher ergänzt werden. Die Vorschrift des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB soll zukünftig ein Baugebot generell ermöglichen für Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten.
5. Beschränkungen der WEG-Aufteilung
Der Referentenentwurf sieht des Weiteren in einer neuen Vorschrift (nach derzeitigem Stand § 250 BauGB) vor, dass die Städten und Gemeinden die Aufteilung bestehender Gebäude generell unter den Vorbehalt einer Genehmigung stellen können. Der Gesetzgeber möchte somit Mieter vor Verdrängung durch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen schützen.
6. Neue Baugebietskategorie: dörfliches Wohngebiet
Schließlich soll in der Baunutzungsverordnung mit § 5a ein neuer Gebietstyp werden. Das sog. dörfliche Wohngebiet soll dem Wohnen, der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen, der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben dienen.
7. Bewertung
Ob das vorstehend beschriebene Maßnahmenpaket tatsächlich dazu führen wird, schneller und flexibler Wohnraum zu schaffen, muss nach unseren bisherigen Erfahrungen im Wohnungsbau eher bezweifelt werden. Sicherlich sind in dem Gesetzesentwurf Ansätze für eine Flexibilisierung enthalten, die zu begrüßen sind, wie z. B. die vorgesehene neue Befreiungsvorschrift. Viele der Maßnahmen sind jedoch eher klarstellender Natur oder betonen staatliche Instrumente, wie z. B. das Baugebot oder das Vorkaufsrecht, die schon bislang nicht substantiell zur Schaffung neuen Wohnraums haben beitragen können. Auch der Nutzen eines „Bebauungsplans zur Wohnraumversorgung“ muss sich erst beweisen. Denn bisher konnte im sog. unbeplanten Innenbereich häufig schnell Baurecht für den Wohnungsbau geschaffen werden. Ob dies in der Praxis weiterhin der Fall sein wird oder ob zunehmend das neue B-Planverfahren vorgeschaltet werden soll, erscheint uns gegenwärtig eher zweifelhaft. Im Übrigen stellt der Gesetzesentwurf wohl einen weiteren Baustein auf dem Weg des Immobiliensektors in einen staatlich regulierten Markt dar. Erwartungsgemäß fällt die Reaktion der immobilienwirtschaftlichen Interessenverbände daher in weiten Teilen bislang negativ aus.
GvW wird Sie in jedem Fall weiterhin auf dem Laufenden halten, ob und wenn ja, welche Regelungen des vorgestellten Referentenentwurfs in das Baugesetzbuch und in die Baunutzungsverordnung Eingang halten werden und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus für Sie und Ihre Projekte ergeben. Danach wird die Praxis zeigen, ob die geplanten Vorschriften tatsächlich zu einer Baulandmobilisierung oder womöglich gar zu einer Flut von Rechtsstreitigkeiten und damit im Ergebnis zu einer Verzögerung der Bautätigkeit führen werden.
Dr. Andreas Wolowski, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Hamburg