Rückforderung verbotener Beihilfen kann eingeklagt werden
Staatliche Beihilfen können den Wettbewerb in der EU
verzerren und sind durch das Europarecht grundsätzlich verboten. Wenn die öffentliche Hand ohne Genehmigung der Brüsseler Kommission Unternehmen in rechtswidriger Weise subventioniert, stellt sich für deren Konkurrenten die
Frage, ob sie hiergegen vor deutschen Zivilgerichten vorgehen können. Der Bundesgerichtshof hat dies nun - entgegen der bislang herrschenden Ansicht
der Oberlandesgerichte - in zwei Grundsatzurteilen bejaht und damit den Konkurrentenschutz im Beihilfenrecht gestärkt. Diese Entscheidungen könnten eine Welle von Konkurrentenklagen auslösen und sind von erheblicher Bedeutung für Subventionsgeber, Beihilfenempfänger und deren Wettbewerber.
Die Urteile betrafen Klagen von Lufthansa und Air Berlin gegen die Flughäfen Frankfurt-Hahn und Lübeck. Sie verlangten Auskunft über günstige Konditionen,
die der Billigfluggesellschaft Ryanair eingeräumt worden sein sollen. Außerdem forderten sie von den Flughäfen, keine Subventionen mehr zu gewähren. Die Oberlandesgerichte Koblenz und Schleswig wiesen die Klagen mangels Anspruchsgrundlage ab, da das Beihilfenverbot keine Wettbewerber schütze. Die beiden Flughäfen gelten als öffentliche Unternehmen, weil sie den beteiligten
Bundesländern beziehungsweise der Stadt Lübeck gehören.
Die Karlsruher Bundesrichter teilten die Auffassung der Vorinstanz nicht. Gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, urteilten sie, dass
das Beihilfenverbot ein „Schutzgesetz" im Sinne deliktsrechtlicher Haftung sei, das auch im Interesse der Konkurrenten bestehe. Darüber hinaus stelle das Verbot
eine marktbezogene Verhaltensregel nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dar, deren Nichtbeachtung unlauter sein könne. Der Bundesgerichtshof
hob daher die Urteile der beiden Oberlandesgerichte auf und verwies die Sachen an sie zurück. Sie müssen nun die bislang offengebliebene Frage prüfen, ob die Ryanair eingeräumten Konditionen tatsächlich genehmigungspflichtige
Beihilfen beinhalten.
Diese Rechtsprechung betrifft nicht nur den Luftverkehrssektor, sondern hat grundsätzliche Bedeutung für alle von staatlicher Subventionierung betroffenen
Wirtschaftsbereiche. Wer gegen das Beihilfenverbot verstößt, kann von den Wettbewerbern des Begünstigten delikts- und wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung,
Auskunft, Beseitigung der Beeinträchtigung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Konkurrenten können also insbesondere die Rückforderung
der Subventionen verlangen. Dies gilt unabhängig davon, ob Beihilfen durch Bund, Länder, Kommunen oder öffentliche Unternehmen gewährt werden. Es ist auch gleichgültig, ob Begünstigte direkte Zahlungen erhalten oder ob
sie in indirekter Form durch die öffentliche Hand unterstützt werden. Während der wettbewerbsrechtliche Anspruch der Konkurrenten grundsätzlich in sechs
Monaten verjährt, gilt für den deliktsrechtlichen Anspruch die normale Verjährungsfrist von drei Jahren.
(BGH Urt. v. 10.2.2011, Az.: I ZR 213/08 und 136/09)
Rechtsanwalt Gerd Schwendinger