September 2025 Blog

Schiedsklausel als Prozesshindernis – keine Frage der Zuständigkeit

Mit Beschluss vom 5. Mai 2025 (102 AR 46/25, BeckRS 2025, 9819) hat der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) einen Kompetenzstreit zwischen zwei Landgerichten vor dem Hintergrund einer Schiedsklausel und einer nachträglich getroffenen Gerichtstandvereinbarung entschieden. 

Damit wurde ein Fall entschieden, für den offenbar niemand zuständig sein wollte, und der zwischen den Gerichten nach dem Motto „wer will nochmal, wer hat noch nicht?“ frei verwiesen wurde. In seiner Entscheidung hat das BayObLG die grundlegenden zivilprozessualen Prinzipien betont, die die Landgerichte zuvor unbeachtet gelassen hatten.

Hintergrund

Wenn sich zwei Gerichte gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklären, entscheidet grundsätzlich das nächsthöhere Gericht über den sog. negativen Kompetenzkonflikt. Im vorliegenden Fall betraf dies die Landgerichte Memmingen (Bayern) und Ulm (Baden-Württemberg). Zuständig war das BayObLG, denn die beteiligten Gerichte gehören unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken an, und das zuerst befasste Gericht (Memmingen) liegt in Bayern.

Für diejenigen, die mit der bayerischen Besonderheit des BayObLG nicht vertraut sind: Das BayObLG, im September 2018 wiedererrichtet, blickt auf eine über 400-jährige Geschichte zurück und sorgt für die Wahrung der Rechtseinheitlichkeit. Den „Luxus“ eines solchen obersten Landesgerichts könnten sich im Übrigen nach den gesetzlichen Regelungen alle Bundesländer mit mehr als einem Oberlandesgericht leisten. 

Sachverhalt

Die Klägerin erhob vor dem Landgericht Memmingen Klage gegen die Beklagte wegen mangelhafter Bauausführung auf Grundlage eines Nachunternehmervertrags mit Schiedsklausel. Nach Zustellung der Klage hoben die Parteien die Schiedsklausel auf und vereinbarten die Zuständigkeit des Landgerichts Ulm. 

Das Landgericht Memmingen erklärte sich daraufhin für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit antragsgemäß an das Landgericht Ulm. Zur Begründung führte es aus, wegen der Schiedsklausel sei der Weg zu den ordentlichen Gerichten insgesamt ausgeschlossen und das Landgericht Memmingen daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig gewesen. 

Das Landgericht Ulm erklärte sich ebenfalls für unzuständig und legte die Sache zunächst dem Oberlandesgericht München vor, das wiederum die Zuständigkeit ablehnte. Schließlich entschied das BayObLG über den Kompetenzstreit.

Entscheidung des BayObLG

Das BayObLG stellte klar, dass das Landgericht Memmingen zuständig war und der Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO keine Bindungswirkung hatte. Die nachträgliche Gerichtsstandvereinbarung berührt die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts nicht.

Der auf Antrag des Klägers ergangene Verweisungsbeschluss eines Gerichts ist für das angewiesene Gericht gemäß § 281 Abs. 2 S. 2 u. S. 4 ZPO unanfechtbar und bindend. Dies gilt grundsätzlich auch für einen sachlich zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluss. Somit entzieht sich nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidung über einen unzutreffenden Verweisungsbeschluss grundsätzlich jeglicher Nachprüfung. Ausnahmsweise kommt einem Verweisungsbeschluss nach ständiger Rechtsprechung jedoch keine Bindungswirkung zu, wenn dieser Beschluss objektiv willkürlich ist. Dies ist nach überzeugender Darlegung des BayObLG der Fall, wenn sich ein „unzweifelhaft zuständiges Gericht über seine Zuständigkeit“ hinwegsetze und die eigene Unzuständigkeit aus einem Umstand ableite, „der hierfür unzweifelhaft nicht geeignet ist“. 

Dies war hier der Fall. Das Landgericht Memmingen war vorliegend örtlich zuständig nach §§ 12, 13 ZPO. Den Gedanken des Landgerichts Memmingen, sich allein aufgrund der Schiedsklausel für unzuständig zu erklären, wies das BayObLG klar zurück: Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, wäre eine Verweisung an ein Schiedsgericht in § 281 ZPO vorgesehen. Hiervon hat er aber bewusst abgesehen, weil die „Abweisung der Klage als unzulässig […] klare Verhältnisse“ schafft; sie „setzt voraus, daß das Gericht die Gültigkeit und die Durchführbarkeit der Schiedsvereinbarung prüft und bejaht. Diese Problematik sollte möglichst frühzeitig, d. h. bei dem zuerst angegangenen Gericht, geklärt werden“ (BT-Drs. 13/5274 S. 38).

Im Ergebnis ist das an sich – also jenseits der Schiedsvereinbarung – staatliche Gericht nicht nur zuständig, sondern ihm kommt im Rahmen dieser Zuständigkeit auch eine Aufgabe zu: Im Fall der Schiedseinrede prüft es die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und hat die Klage als unzulässig abzuweisen oder festzustellen, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist (§ 1032 Abs. 1 ZPO).

Auch die nachträgliche Gerichtsstandvereinbarung änderte die Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichts nicht, da die perpetuatio fori gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO greift. Danach kann die bei Rechtshängigkeit gegebene Zuständigkeit nicht mehr durch eine Parteivereinbarung entzogen werden.

Einordnung

Die Entscheidung des BayObLG verdeutlicht das Zusammenspiel staatlicher Gerichte und Schiedsvereinbarungen. Sie zeigt, dass nicht nur Parteien, sondern auch Gerichte ins Schwimmen geraten können, wenn eine Schiedsvereinbarung im Spiel ist. 

Umso wichtiger ist es, Schiedsvereinbarungen wirksam zu gestalten, sodass sie bei Prüfung durch das zuständige Gericht Bestand haben. Auch für die Ausgestaltung von Gerichtsstandvereinbarungen gilt ein besonderer Sorgfaltsmaßstab, wie der vorliegende Fall eindrücklich zeigt. 

Außerdem sollte die Schiedseinrede gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO rechtzeitig erhoben werden. In der Regel wird dies im Rahmen der Klageerwiderung innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist geschehen. Dies ist jedoch kein Muss: Gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO kann der Beklagte die Schiedseinrede noch bis vor Beginn der mündlichen Verhandlung erheben. Dabei handelt es sich um eine Spezialvorschrift zu den allgemeinen Präklusionsvorschriften. Somit kann eine Partei selbst nach Verstreichen einer vom Gericht gesetzten Klageerwiderungsfrist sich noch wirksam auf die Schiedsvereinbarung berufen, solange dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung erfolgt. Bei rechtzeitig erhobener Schiedseinrede wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

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