April 2025 Blog

Schiedsklausel bei gleichzeitiger Abwahl des AGB-Rechts wirksam

Der BGH hat mit Beschluss vom 9.1.2025 (I ZB 48/24) entschieden, dass eine Schiedsvereinbarung unabhängig von der Rechtswahl wirksam ist. Konkret ging es um die praxisrelevante Frage, ob Parteien wirksam eine Schiedsvereinbarung bei gleichzeitiger Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts unter Ausschluss des AGB-Rechts (§§ 305 bis 310 BGB) vereinbaren können.

Hintergrund

Das deutsche AGB-Recht wird im unternehmerischen Geschäftsverkehr von den Parteien häufig als zu streng und wenig flexibel wahrgenommen und im internationalen Kontext daher teilweise als Standortnachteil angesehen.

§§ 305 ff. BGB sind zwingendes Recht. So gelten auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr gemäß § 310 Abs. 1 BGB die §§ 308 und 309 BGB zwar nicht unmittelbar, allerdings finden die Wertungen über die Generalklausel von § 307 Abs. 1 BGB Anwendung. Somit wäre die Vereinbarung eines Ausschlusses von AGB-Recht vor staatlichen Gerichten unwirksam.

Wollen die Parteien dennoch deutsches Recht für anwendbar erklären und hierauf nicht etwa zur Vermeidung der Anwendbarkeit des AGB-Rechts gänzlich verzichten, zeigt sich im unternehmerischen Rechtsverkehr vermehrt die Praxis, sowohl eine Schiedsklausel als auch die Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts, allerdings unter Ausschluss des AGB-Rechts, zu vereinbaren. Insbesondere bei Verträgen mit langfristigen Lieferbeziehungen kann sich diese Kombination aus Vereinbarung einer Schiedsklausel und Anwendbarkeit des deutschen Rechts unter Abwahl des AGB-Rechts anbieten.

Sachverhalt

Die Parteien hatten in einem VOB/B-Vertrag für ein in den Niederlanden zu errichtendes Car Port Solarkraftwerk eine Schiedsklausel sowie außerdem vereinbart, dass deutsches materielles Recht, allerdings unter Ausschluss des AGB-Rechts, anwendbar sein sollte („Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, auf die Berufung der Anwendung der §§ 305 bis 310 BGB zu verzichten“).

Der Entscheidung liegt ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens zugrunde. Danach kann „bis zur Bildung des Schiedsgerichts“ bei den staatlichen Gerichten ein „Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden“. Vorliegend stellte die Schiedsklägerin einen solchen Antrag, da sie die Schiedsklausel mit dem Argument für unwirksam hielt, dass aufgrund des Ausschlusses des AGB-Rechts die im Vertrag vereinbarte Vertragsstrafenregelung durch das Schiedsgericht trotz Verstoßes gegen das AGB-Recht angewendet werden könnte.

Entscheidung des BGH

Ausgangspunkt für die bislang von Rechtsunsicherheit geprägte Frage, ob der Ausschluss des AGB-Rechts in der Schiedsgerichtsbarkeit zulässig ist, ist § 1051 ZPO. Danach können die Parteien die „Rechtsvorschriften“ bestimmen, die „auf den Inhalt des Rechtsstreits anwendbar“ sind. Diese Rechtswahlmöglichkeit erlaubt es den Parteien, auch nur Teile einer staatlichen Rechtsordnung für anwendbar zu erklären.
Vor diesem Hintergrund hält der BGH die Schiedsvereinbarung unabhängig von der Wirksamkeit der vertraglich vereinbarten Rechtswahl für wirksam, da die Schiedsvereinbarung von den übrigen Verfahrensvereinbarungen abtrennbar sei. Selbst eine etwaige Unwirksamkeit der Rechtswahl habe demnach keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich bei der Schiedsvereinbarung um AGB handelt oder nicht. Für den Fall, dass die Schiedsvereinbarung als AGB anzusehen ist, ergebe sich dies aus § 306 Abs. 1 BGB, andernfalls finde § 139 BGB Anwendung, wonach keine Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts eintritt, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen hätten.

Die rechtliche Überprüfung der Rechtswahl obliege dem Schiedsgericht. Eine Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte erfolge nur in einem möglichen späteren Vollstreckbarerklärungs- oder Aufhebungsverfahren nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO hinsichtlich eines etwaigen ordre public-Verstoßes. Dabei sei nicht der Ausschluss des AGB-Rechts entscheidend, sondern die Frage, ob der Schiedsspruch zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. 

Einordnung

Vor dem Hintergrund des eingangs erwähnten Standortnachteils aufgrund des AGB-Rechts ist zunächst der deutsche Gesetzgeber gefordert, es den Parteien grundsätzlich zu ermöglichen, die Anwendung des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr einschränken oder sogar ausschließen zu können. 

Dieser grundsätzliche Reformbedarf wird in dem aktuellen Koalitionsvertrag insofern erkannt, als eine Reform des AGB-Rechts für Verträge zwischen großen Kapitalgesellschaften nach § 267 Abs. 3 HGB erfolgen soll. Dies geht in die richtige Richtung und greift die Diskussion auf, die bereits im Zusammenhang mit dem zum 1. April 2025 in Kraft getretenen Justizstandort-Stärkungsgesetz geführt worden ist, mit dem insbesondere die sog. Commercial Courts eingeführt wurden. Denn die Attraktivität dieser neu eingeführten Commercial Courts und damit des Justizstandorts Deutschland hängt auch davon ab, inwiefern die Parteien Gefahr laufen, dass die Gerichte vertraglich Vereinbartes aufgrund von AGB-Recht im Nachhinein als „unangemessen“ und damit unwirksam einstufen können. Somit bleibt abzuwarten, wie das im Koalitionsvertrag formulierte Reformvorhaben umgesetzt wird und ob dieses auch auf weitere Wirtschaftsteilnehmer erweitert wird, was begrüßenswert wäre.

Bis zu einer solchen Gesetzesreform bleibt den Parteien die Möglichkeit, Schiedsklauseln bei gleichzeitiger Abwahl des AGB-Rechts zu vereinbaren. Ein solches Vorgehen wird durch die vorliegende BGH-Entscheidung bestärkt.

Dies gilt übrigens nicht nur für den hier entschiedenen Sachverhalt mit Auslandsbezug, sondern auch für Inlandssachverhalte. So steht insbesondere Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO, der den Ausschluss von zwingendem Recht bei reinen Inlandssachverhalten verbietet, einer Übertragung auf rein inländische Sachverhalte nicht entgegen, da Schiedsgerichte nach der herrschenden Meinung nicht an Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO gebunden sind.
Ob eine Wahl des deutschen Rechts unter Ausschluss des AGB-Rechts endgültig rechtssicher vereinbart werden kann, hat der BGH jedoch nicht entschieden. Insoweit ist also weiterhin der Gesetzgeber gefordert.

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