Januar 2025 Blog

Schriftform adé: Die neuen Regeln im Gewerberaummietrecht

In keiner Due Diligence-Prüfung durfte bislang ein Hinweis auf das „Schriftformrisiko“ bei Gewerbemietverträgen fehlen. Wollten Mieter oder Vermieter aus einem unliebsamen Mietvertrag mit Festlaufzeit ausscheiden kam regelmäßig die Frage auf „Liegt da nicht ein Schriftformverstoß vor?“.

Zum 01.01.2025 wird die Schriftform durch die Textform bei Gewerbemietverträgen mit einer Laufzeit von über einem Jahr ersetzt.

Übersicht

Der Bundestag hat am 26.09.2024 den Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 8. Mai 2024 (Bürokratieentlastungsgesetz IV, BT Drs. 20/11306) verabschiedet. Teil dieses Gesetzesentwurfs ist ein angepasster Verweis in § 578 BGB auf § 550 BGB (Schriftform). Die Änderung tritt zum 01.01.2025 in Kraft. 

Anstelle des Verweises heißt es in § 578 BGB dann, dass auf Mietverhältnisse über Grundstücke die „Vorschriften der §§ 550, 554, 562 bis 562d, 566 bis 567b sowie 570 entsprechend anzuwendenmit der Maßgabe, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt“. Das Schriftformerfordernis gilt dann nur noch für Wohnraummietverhältnisse.

Eine Übergangsfrist, während dieser bestehende (vor dem 01.01.2025 geschlossene) Gewerberaummietverträge nach wie vor wegen Schriftformmängeln gekündigt werden können, läuft bis zum 31.12.2025. Es ist also damit zu rechnen, dass es im Jahr 2025 zu verstärkten auf Schriftformverstöße gestützte Kündigungen kommen wird.

Textform

Die Textform gemäß § 126b BGB setzt lediglich eine lesbare Erklärung (dauerhafte Wiedergabemöglichkeit in Schriftzeichen nötig) voraus die auf einem dauerhaften Datenträger gespeichert ist. Umfasst sind damit Erklärungen, die unter anderem auf Papier, elektronischen Speichermedien wie CD-Rom, (externen) Festplatten, USB-Sticks, (Computer-)Faxen, aber auch E-Mail, SMS und sogar WhatsApp (OLG München, Urteil v. v. 11.11.2024, Az. 19 U 200/24 e, anders: OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 21.12.2023, Az. 15 U 211/21) abgegeben werden. Lediglich der Erklärende muss erkennbar sein.

Auswirkungen

Gewerberaummietverträge können damit formwirksam per E-Mail, SMS, WhatsApp und Co. geschlossen und geändert werden, auch mit einer Festlaufzeit von mehr als einem Jahr. Gewerberaummietverträge, bei denen Schriftformmängel vorliegen und die vor dem 01.01.2025 geschlossen wurden bleiben bis zum 31.12.2025 aufgrund des Schriftformverstoßes kündbar. Es ist daher mit einer steigenden Anzahl an schriftformbedingten Kündigungen im Jahr 2025 zu rechnen.

Aufgrund des gesunkenen Formerfordernis droht zudem die Gefahr von unbedachten beziehungsweise vorzeitigen Vertragsabschlüssen ohne eventuell erforderliche Gremienzustimmung. Die Vollständigkeit der Mietvertragsunterlagen bei An- und Verkäufen ist zudem deutlich schwieriger zu gewährleisten bzw. nachzuweisen; insbesondere E-Mail-Verkehr, aus dem sich Vertragsabschlüsse ergeben können, wird häufig nicht hinreichend dokumentiert und entsprechend in Datenräumen gar nicht erst zur Verfügung gestellt.

Handlungsempfehlungen Vorvertraglich

Aufgrund der aufgezeigten Risiken, die die Abschaffung des Schriftformerfordernisses mit sich bringt, empfehlen wir bereits zu Beginn von Verhandlungen in einem Letter of Intent (LOI) oder Mietangebot festzuschreiben, dass ein Vertrag nur in Schriftform und durch Unterzeichnung der vertretungsberechtigten Personen der Parteien zustande kommt. Die Vertretungsberechtigten sollten der anderen Partei eindeutig angezeigt werden, um Anscheinsvollmachten zu vermeiden. 

Ferner ist ein entsprechender Disclaimer in E-Mails angebracht, der beinhaltet, dass durch den Austausch von E-Mails kein Vertragsverhältnis zustande kommt und ein bestehendes Vertragsverhältnis nicht wirksam geändert werden kann. 

Zudem sollten alle an Vertragsverhandlungen beteiligten Personen für das Thema sensibilisiert und im Umgang mit der Textform und deren rechtlichen Auswirkungen geschult werden.

Mietvertrag

Im Vertrag selbst sollte eine gewillkürte Schriftformklausel in Form einer sogenannten doppelten Schriftformklausel aufgenommen werden. Eine doppelte Schriftformklausel sieht ausdrücklich vor, dass auch die Änderung der Schriftformklausel selbst nur schriftlich erfolgen darf. Von diesem Formerfordernis kann dann nicht ohne weiteres abgewichen werden. Wird diese doppelte Schriftformklausel jedoch als Allgemeine Geschäftsbedingung eingestuft, kann von dem Schriftformerfordernis durch eine vorrangig gültige Individualabrede (§ 305b BGB) - auch mündlich oder stillschweigend, durch Abgabe einer formlosen vertragsändernden Erklärung - abgewichen werden.

Alternativ kann eine qualifizierte Textform vereinbart werden, um die rechtlich bindende Kommunikation für Zusatzvereinbarungen und Nachträge zu regeln. Als Anforderung an die qualifizierte Textform kann beispielsweise vereinbart werden, dass rechtsverbindliche Vertragserklärungen eine eingescannte Unterschrift oder elektronische Signatur erfordern oder einen ausdrücklichen Hinweis wie etwa „rechtsverbindliche Vertragserklärung“ enthalten müssen. Die Formulierung eines gewillkürten Formerfordernisses im Gewerberaummietvertrag erfordert größte Sorgfalt und Genauigkeit.

Der Gewerberaummietvertrag sollte eine Klausel enthalten wonach alle (auch aber nicht nur mündlichen) Abreden außerhalb des Vertrages in Textform aufgehoben werden. Zudem sollte in Fortsetzung der Regelungen aus dem LOI die Vertretungsberechtigungen auch im Mietvertrag dokumentiert werden, um Anscheins- und Duldungsvollmachten zu vermeiden.

Beim Erwerb von vermieteten Gewerberäumen ist die Vollständigkeit der Mietvertragsdokumentation genauestens zu bewerten und der Garantiekatalog des Kaufvertrages um entsprechende Zusicherungen des Verkäufers zu erweitern. Der Erwerber kann auch fordern, dass die Vollständigkeit der Mietvertragsdokumentation vom Mieter bestätigt wird (Vollständigkeitserklärung).

Darüber hinaus sollten bestehende Mietverträge auf etwaigen Anpassungsbedarf geprüft und die neue Gesetzeslage bei zukünftigen Nachträgen Berücksichtigung finden.

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!