November 2022 Blog

Sorgfaltspflichten der Lieferkette bei Unternehmenstrans­aktionen

Das ab 1. Januar 2023 geltende Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG) wird zukünftig erhebliche Auswirkungen auf die M&A-Praxis haben.

Einleitung

Durch das LkSG können Unternehmen ab 1. Januar 2023 Sorgfaltspflichten im Hinblick auf menschenrechts- und umweltbezogene Risiken in ihrer Lieferkette unterliegen. Die mit dem LkSG begründeten Verpflichtungen werden zukünftig auch die M&A-Praxis beschäftigen, und zwar nicht nur dann, wenn unmittelbar nach dem LkSG verpflichtete Unternehmen betroffen sind, sondern auch, wenn es sich um (unmittelbare oder mittelbare) Zulieferer solcher Unternehmen handelt. Verkäufer müssen sich im Transaktionsprozess zukünftig darauf einstellen, dass vom LkSG betroffene Erwerber die Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten bereits im Rahmen der Due Diligence thematisieren werden. Vom LkSG direkt oder indirekt aufgrund vertraglicher Verpflichtungen betroffene Erwerber sollten zukünftig bereits im Rahmen der Due Diligence und der Vertragsverhandlungen dahingehende Auskünfte einholen und sich im Übrigen bei Bedarf durch eigene Untersuchungen, ggf. in Zusammenarbeit mit dem Verkäufer, absichern.

Anwendungsbereich des LkSG

Das LkSG erfasst (rechtsformunabhängig) originär zunächst nur im Inland ansässige Unternehmen, die in der Regel mehr als 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Schon ab dem 1. Januar 2024 wird der Anwendungsbereich aber auch auf solche Unternehmen erweitert, die in der Regel lediglich mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen. In Konzerngestaltungen findet für die Anwendbarkeitsprüfung eine Zurechnung der Arbeitnehmer der Unter- an die Obergesellschaft(en) statt, so dass diese Schwellenwerte schnell erreicht werden können. Aufgrund vertraglicher Verpflichtungen können Unternehmen aber auch ohne eine eigene originäre Betroffenheit durch das LkSG entsprechenden Prüf- und Sorgfaltspflichten unterliegen.

Pflichten nach dem LkSG

Das LkSG erlegt betroffenen Unternehmen weitreichende Prüfungs-, Organisations- und Dokumentationspflichten auf. Im eigenen Geschäftsbereich – der im Übrigen auch den Geschäftsbereich von verbundenen Gesellschaften umfasst, soweit das betroffene Unternehmen „bestimmenden Einfluss“ auf diese ausübt – und bei unmittelbaren Zulieferern sind betroffene Unternehmen zunächst zu einer umfassenden Risikoanalyse im Hinblick auf die durch das LkSG geschützten Rechtspositionen in ihrer Lieferkette verpflichtet. Hier gilt es Risiken zu erkennen, zu gewichten und zu priorisieren. Auf Basis der Risikoanalyse sind dann unter anderem ein entsprechendes Risikomanagement einzurichten und Präventionsmaßnahmen sowie Abhilfemaßnahmen zu entwickeln und zu implementieren. Zusätzlich muss ein Beschwerdeverfahren eingerichtet werden und sämtliche Maßnahmen, die im Zusammenhang mit diesen Anforderungen ergriffen werden, müssen dokumentiert und im Jahresbericht konkret benannt werden. Der Zugang zum Beschwerdeverfahren ist auch lediglich mittelbaren Zulieferern zu ermöglichen. Bei substantiierter Kenntnis über mögliche Verstöße/Risiken bei mittelbaren Zulieferern sind anlassbezogen eine Risikoanalyse durchzuführen, angemessene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen sowie ein Konzept zur Verhinderung, Beendigung oder Minimierung der festgestellten Risiken umzusetzen.

Rechtssetzungsbestrebungen auf EU-Ebene

Weiterer Beachtung bedarf in diesem Zusammenhang der Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence – CSDD-Richtlinie) vom 23. Februar 2022, mit dessen Umsetzung kurz- bis mittelfristig zu rechnen ist. Sollte die Richtlinie in der Fassung des aktuellen Entwurfs umgesetzt werden, wird sich nicht nur der Anwendungsbereich bereits auf Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und einem Nettojahresumsatz von 150 Mio. Euro sowie auf Unternehmen in besonders ressourcenintensiven Branchen ab 250 Mitarbeitern und einem Nettojahresumsatz von 40 Mio. Euro erstrecken. Der Richtlinienentwurf enthält auch andere inhaltliche Schwerpunkte und geschützte Rechtspositionen als das LkSG.

Bedeutung für die M&A-Praxis

Die Bedeutung des LkSG für die M&A-Praxis ergibt sich im Hinblick auf eine Vielzahl von Aspekten. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf finanzielle Risiken in Gestalt von möglichen Bußgeldern zu legen, welche (unmittelbar) betroffenen Unternehmen im Falle einer Pflichtverletzung drohen und im Einzelfall bis zu 2 % des globalen Jahresumsatzes betragen können. Daneben drohen Ansprüche aus Vertragsverletzungen gegenüber Vertragspartnern der an der Transaktion (auch mittelbar) beteiligten Unternehmen.                                            

Die Due-Diligence-Prüfung wird sich aus Käufersicht zukünftig auch auf etwaige Pflichten der Zielgesellschaft nach dem LkSG und deren ordnungsgemäße Umsetzung erstrecken. Da dem Käufer im Rahmen der Due Diligence Prüfung regelmäßig nur wenige eigene Informationsquellen zur Verfügung stehen dürften, sollte dieser auf eine Offenlegung aller wesentlichen Lieferketten, zugrunde liegender Dokumentation und bereits vorliegender Prüfungsergebnisse der Zielgesellschaft durch den Verkäufer drängen. Je nach Ausmaß etwa festgestellter Pflichtverletzungen oder hierfür bestehender Anhaltspunkte können zu den für den Bereich der Lieferketten (zukünftig) üblichen Garantieversprechen umfassende Freistellungserklärungen empfehlenswert sein. Darüber hinaus wird ein bislang nicht betroffener Käufer auch prüfen müssen, ob nicht seine eigenen Geschäftsbeziehungen die Zielgesellschaft und deren Geschäftsbetrieb möglicherweise infizieren können. Da die Verpflichtungen im Falle eines Erwerbs unmittelbar gelten, ist hier bereits im Ankaufsprozess Aufmerksamkeit erforderlich. Zuletzt wird ein Käufer auch darauf achten müssen, ob ein Zukauf nicht insgesamt (erstmalig) die Anwendbarkeit des LkSG nach Vollzug der Transaktion begründet, da die Pflichten des LkSG unmittelbar bei Überschreiten der Grenzwerte anwendbar sind. Wenn die Anwendbarkeit durch die Transaktion begründet wird bzw. begründet werden könnte, sollten bereits frühzeitig entsprechende Compliance-Strukturen eingerichtet werden. Insbesondere bei Grenzfällen ist im Hinblick auf Scheinselbstständige zu großer Vorsicht zu raten.

Verkäufer sollten sich künftig bereits vor Beginn des Verkaufsprozesses inhaltlich damit beschäftigen, ob potentielle Käufer dem LkSG unterliegen (gerade auch aufgrund möglicher vertraglicher Verpflichtungen, etwa als Zulieferer für größere Unternehmen). Es dürfte insofern im Vorfeld einer Transaktion gegebenenfalls empfehlenswert sein, sich insbesondere bei kritischen Geschäftsbereichen einen transparenten Überblick über die eigene Lieferkette zu verschaffen, da eine zeitige eigene Beurteilung für den Käufer andernfalls kaum möglich sein dürfte. Ebenfalls kann es sinnvoll sein, die eigenen Pflichten nach dem LkSG in der Lieferkette frühzeitig „nach unten“ zu verlängern, beispielsweise über entsprechende AGB, in denen sich Zulieferer zur Einhaltung bestimmter menschenrechts- und umweltbezogener Standards verpflichten. 

Fazit/Ausblick

Das LkSG wird zwingend Einzug in die M&A-Praxis finden, wobei sich aus Käufer- bzw. Verkäuferperspektive jeweils andere Herausforderungen stellen.

Ausgangspunkt in der Due-Diligence Prüfung aus Käufersicht wird es zunächst sein, sich den maßgeblichen Prüfungsumfang der Transaktion klarzumachen und bereits frühzeitig entsprechende spezifische Fragen an den Verkäufer zu adressieren. Der Prüfungsumfang kann je Anwendbarkeit des LkSG auf den Käufer (einschließlich seiner Beteiligungen) selbst und/oder die Zielgesellschaft unterschiedlich ausfallen und ist im Ergebnis stark branchen- und (bei internationalen Lieferbeziehungen) ortsabhängig. Daneben werden aus Käufersicht regelmäßig kaufvertragliche Absicherungen in Gestalt von Garantieversprechen und Freistellungserklärungen sinnvoll sein. Ein vom LkSG betroffener Käufer sollte die Umsetzung von Erkenntnissen aus dem Transaktionsprozess als Vollzugsbedingungen oder Post-Closing To-Dos festhalten und frühzeitig Schritte zur Umsetzung etwaig erforderlicher Maßnahmen einleiten.

Demgegenüber wird sich die Verkäuferseite, bestenfalls unter frühzeitiger Einbindung von Experten, vor allem um eine saubere Dokumentation der eigenen Lieferketten bemühen müssen, deren Offenlegung von potentiellen Käufern zukünftig regelmäßig erwartet werden dürfte.

Zukünftige Verschärfungen des LkSG mit Blick auf den Entwurf der CSDD-Richtlinie sind schon heute absehbar. Neben einer potenziellen Erweiterung des Anwendungsbereichs sieht der Entwurf auch verschiedene inhaltliche Verschärfungen vor. So sollen sich etwa Sorgfaltspflichten grundsätzlich ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen auch auf mittelbare Zulieferer erstrecken. Darüber hinaus sieht der Entwurf – anders als das aktuelle LkSG – neben den bereits bestehenden Bußgeldsanktionen ausdrücklich eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Schäden vor, die aus einer Verletzung der Sorgfalts-, etwa der Präventions- und Abhilfepflichten resultieren. Die hiermit einhergehenden Risiken werden Unternehmen und M&A-Praxis somit aller Voraussicht nach auch in Zukunft noch in erweitertem Umfang beschäftigen.

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