Juni 2019 Blog

Über­arbei­tetes Kon­kurs­ver­gleichs­ver­fahren: Ein neues Kapitel des tür­kischen Kon­kurs­rechts

Durch ein neues Gesetz wurde in der Türkei der Konkursvergleich (ähnlich zu einem Insolvenzverfahren) überarbeitet und nach vielen Jahren wieder aktiviert. Das neue Gesetz soll die Folgen von Marktstörungen beheben, die dadurch entstanden sind, dass den Unternehmen keine Sanierung mehr durch die Aussetzung des Konkurses ermöglicht wurde.  

Einführung

Gemäß Artikel 4 des Gesetzesdekrets Nr. 669, das im Amtsblatt (Resmi Gazete) v. 31.7.2016 im Rahmen des Ausnahmezustands veröffentlicht wurde, ist es den Unternehmen untersagt, einen Antrag auf zeitweilige Aussetzung eines laufenden Konkursverfahrens zu stellen. Ferner ist es den Gerichten untersagt, über derartige Anträge eine Entscheidung zu treffen. Der Aufschub eines Konkursverfahrens, mit welchem dem konkursreifen Unternehmen die Möglichkeit zur Sanierung gewährt wurde, ist seither nicht mehr möglich. Durch dieses Verbot ist eine weitere Möglichkeit, wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Unternehmens zu beheben, nämlich durch Konkursvergleich (Konkordato), nach vielen Jahren wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.
Mit dem Gesetz Nr. 7101 v. 28.2.2018 wurden die Regelungen zur Aussetzung bzw. Aufschub des Konkurses endgültig aufgehoben und es sind relevante Änderungen im Zwangsvollstreckungs- und Konkursgesetz über den Konkursvergleich in Kraft getreten.

Worum handelt es sich beim Konkursvergleich?

Der Konkursvergleich ist in der Türkei in den Artikeln 285-309 des Zwangsvollstreckungs- und Konkursgesetzes (Gesetz Nr. 2004) geregelt. Das Konkursvergleichssystem  ist, vereinfacht gesagt, ein Gesamtvergleich zwischen einem Schuldner, der nicht in der Lage ist seine Schulden entweder rechtzeitig oder komplett zu begleichen, und seinen Gläubigern. Zur Einleitung dieses Vergleichsverfahrens muss ein Konkursantrag beim zuständigen Handelsgericht gestellt werden.

Wer kann einen Antrag auf Konkursvergleich stellen?

Jeder Schuldner, der nicht in der Lage ist trotz Fälligkeit seine Schulden zu begleichen (Zahlungsunfähigkeit), oder der Gefahr läuft, bei Eintritt der Fälligkeit nicht bezahlen zu können (drohende Zahlungsunfähigkeit), kann nach Art. 285 türk. Konkursgesetz einen Antrag auf Konkursvergleich beim Handelsgericht stellen. Gleichzeitig kann auch jeder Gläubiger, der bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen berechtigt ist ein Konkursverfahren gegen einen seiner Schuldner einzuleiten, ebenfalls einen Antrag auf Durchführung eines Konkursvergleichs gegen diesen Schuldner stellen.
Ein Konkursvergleichsverfahren kann auch durchgeführt werden, wenn eine Privatperson nicht in der Lage ist, ihre Schulden zu begleichen.

Ablauf des Konkursvergleichsverfahrens

Das zuständige Handelsgericht bewilligt nach der Einreichung des Antrags auf Konkursvergleich unverzüglich eine befristete und danach unter Umständen eine unbefristete Aussetzung des Konkurses und trifft von Amtes wegen weitere Maßnahmen, die zur Erhaltung des Vermögens des Schuldners notwendig sind (eine Art Schutzschirmverfahren). Das Handelsgericht setzt mit dem Erlass der Aussetzung des Konkurses einen oder mehrere Vergleichskommissare ein, die die Handlungen des Schuldners überwachen, unter Mitwirkung des Schuldners ein Verzeichnis seiner Vermögenswerte erstellen, die Gläubigerversammlung einberufen und leiten, sowie weitere im Gesetz bezeichnete Aufgaben erfüllen.

Die Gläubiger verzichten im Rahmen eines Schuldenplans auf einen Teil ihrer Forderungen (Schuldenschnitt), während der Schuldner sich seinerseits verpflichtet, den sodann noch offenen Restbetrag zu bezahlen.

Auch wenn einzelne Gläubiger am Konkursvergleichsverfahren nicht  teilnehmen oder dem Konkursvergleich nicht zustimmen, ist der Vergleich für diese bindend. Für seine Rechtswirksamkeit bedarf ein Konkursvergleichs der Zustimmung der Hälfte der Gläubiger, deren Forderungen zwei Drittel der gesamten Schulden übersteigen (Kopf- und qualifizierte Summenmehrheit).

Fazit

Der Konkursvergleich, der im Gesetz detailliert geregelt ist, ist seit langem aufgrund der früheren Möglichkeit einer Aussetzung/eines Aufschubes des Konkurses in Vergessenheit geraten. Da der Aufschub des Konkurses im Ausnahmezustand untersagt wurde, ist der „überarbeitete“ Konkursvergleich nach vielen Jahren wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.

Das neue Konkursvergleichsrecht soll die Folgen von Marktstörungen beheben, die dadurch entstanden sind, dass den Unternehmen keine Sanierung mehr durch die Aussetzung des Konkurses ermöglicht wurde. In der Rechtspraxis lässt sich jedoch zwischenzeitlich eine Art Domino-Effekt feststellen: sobald größere Unternehmen ein Konkursvergleichsverfahren einleiten hat dieses oftmals erhebliche negative Effekte auf kleinere Lieferanten und Subunternehmen, die sodann ihrerseits gezwungen sein könnten, ein Konkursvergleichsverfahren anzumelden. Aufgrund einer aktuell hohen „Konkursvergleichswelle“ in der Türkei lässt sich Effektivität und Zweckmäßigkeit des nunmehr geltenden Regelungsrahmens noch nicht abschließend überprüfen.

Dr. Gökce Uzar Schüller, Frankfurt und Istanbul  
Christian Fuhst, München

 

 

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