Urheberrechte in der Bauleitplanung
Schon wieder ein Stadtplan-Fall beim BGH? Ja, aber diesmal ging es um die spannende Frage, ob eine Gemeinde für eine Urheberrechtsverletzung in den von ihr ins Internet eingestellten Planungsunterlagen einstehen muss.
Zum Fall
Die Klägerin betreibt einen Stadtplandienst. Die beklagte Gemeinde veröffentlichte auf ihrer Internetseite im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Verfahrens zur Umgestaltung eines Supermarktes das von dem Supermarktbetreiber beauftragte Exposé eines privaten Planungsbüros. Bestandteil des Exposés war ein Stadtplanausschnitt der Klägerin, mit dem eine „atypische Fallgestaltung“ im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO zur Nichtberücksichtigung nachteiliger Auswirkungen der Planung geltend gemacht wurde. Die Beklagte wollte mit der Veröffentlichung des Exposés ihrer Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung durch Einstellen der Planungsunterlagen in das Internet gemäß § 4a Abs. 4 BauGB genügen. Nach §§ 4a Abs. 4 i.V.m. 3 Abs. 2 S. 1 BauGB sind auch die nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen Stellungnahmen öffentlich auszulegen und zusätzlich in das Internet einzustellen. Nutzungsrechte an dem Kartenausschnitt hatte die Beklagte nicht.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil das veröffentlichte Exposé als Bekanntmachung im Sinne von § 5 Abs. 1 UrhG anzusehen und daher ein urheberrechtlicher Schutz des darin enthaltenen Kartenausschnitts ausgeschlossen sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht einen Ausschluss des Urheberrechtsschutzes nach § 5 Abs. 1 UrhG abgelehnt und der Klage stattgegeben. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Unterlagen in der Bauleitplanung werden nicht gemeinfrei
Im Rahmen seiner Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass der als Bestandteil des Exposés veröffentlichte Kartenausschnitt kein amtliches Werk i.S.d. § 5 UrhG sei. Der Kartenausschnitt stamme ebenso wenig wie das Exposé von der Beklagten oder einem anderen Amt angehörenden Bediensteten, sondern von Privatpersonen, die das Amt weder selbst noch durch Dritte hinzugezogen hat. Die Beklagte habe das Exposé veröffentlicht, um über den Inhalt einer bei ihr eingegangenen Stellungnahme zu informieren und somit ihrer Pflicht zur Veröffentlichung von Unterlagen im bauplanungsrechtlichen Verfahren gemäß § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB im Vorfeld der Entscheidungsfindung über den Bebauungsplan zu genügen.
Nutzungen zum Zweck der Rechtspflege privilegiert
Der BGH bemängelte aber, dass das Berufungsgericht nicht geprüft habe, ob die Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 und 3 UrhG dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehe. Nach § 45 Abs. 1 und 3 UrhG ist die Herstellung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe, einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung, von einzelnen Vervielfältigungsstücken von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht, einem Schiedsgericht oder einer Behörde durch jeden Verfahrensbeteiligten und damit auch durch die Behörde zulässig. Die Zugänglichmachung einer Stellungnahme nach § 4a Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 BauGB, die eine allgemeine Kenntnisnahme von Planungsunterlagen ermögliche und so die für die demokratische Teilhabe der Bürger an Planungsentscheidungen der Gemeinde erforderliche Beteiligung der Öffentlichkeit im bauleitplanungsrechtlichen Verfahren gewährleiste, erfolge in einem Verfahren vor einer Behörde i.S.d. § 45 Abs. 1 UrhG.
Es sei lediglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht hinsichtlich des Exposés erfüllt seien und ob der für die Verwendung in Verfahren vor einer Behörde im Sinne des § 45 UrhG erforderliche sachliche und zeitliche Zusammenhang mit dem behördlichen Verfahren bestehe. Die Anforderungen des sog. Drei-Stufen-Tests seien ebenso erfüllt, da es sich bei § 45 UrhG um die Regelung eines bestimmten Sonderfalls handele (erste Stufe), bei dem eine Beeinträchtigung der normalen Verwertung des Kartenausschnitts nicht zu erwarten sei (zweite Stufe) und keine berechtigten Interessen des Rechtsinhabers ungebührlich verletzt würden (dritte Stufe), weil das mit § 45 UrhG verfolgte Ziel der demokratischen Teilhabe der Bürger an Planungsentscheidungen der Gemeinde die Interessen der Klägerin überwiegen dürfte.
Praxishinweis
Zwei wichtige Fragen wurden vom BGH geklärt: Geschützte Werke von Privaten, wie Gutachten oder Zeichnungen, verlieren durch die Nutzung in einem bauplanungsrechtlichen Verfahren nicht ihren Urheberrechtsschutz und damit die Möglichkeit zur anderweitigen Verwertung. Außerdem muss die entschädigungslose Nutzung nur dann hingenommen werden, wenn sie in einem eindeutigen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem laufenden, behördlichen Verfahren erfolgt. Ob auch Vorbereitungshandlungen oder Nutzungen Dritter entsprechend privilegiert sind, bleibt hingegen weiter unklar.
(BGH, Urt. v. 21.01.2021, Az. I ZR 59/19 “Kastellaun”)
Dr. Christian Triebe, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Gewerblichen Rechtsschutz
Hamburg