Vergemeinschaftungsbeschlüsse der WEG sind weiterhin möglich
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Mängelrechte der Erwerber auch nach der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen.
Sachverhalt
Die Beklagte ist ein Immobilienunternehmen. Sie teilte einen Altbau in Wohnungseigentumseinheiten auf und verkaufte diese. Während der Verkaufsphase wurde eine Schadstoffbelastung des Grundstücks festgestellt. Die Beklagte ließ daraufhin eine teilweise Sanierung des Bodens durchführen.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) vergemeinschaftete die sich aus den Kaufverträgen der Erwerber mit der Beklagten ergebenden Mängelrechte durch 2 Beschlüsse aus den Jahren 2014 und 2015.
Auf dieser Grundlage nimmt die WEG die Beklagte wegen des Vorhandenseins von Altlasten im Boden in Anspruch.
Entscheidung des BGH
Der BGH bestätigt in seinem Urteil vom 11. November 2022 die Prozessführungsbefugnis der WEG. Der BGH beantwortet damit die seit der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes ungeklärte Frage, ob eine WEG weiterhin berechtigt ist, die Mängelrechte der Erwerber (aus Kaufverträgen oder Bauträgerverträgen/Werkverträgen) zur alleinigen Durchsetzung an sich zu ziehen. Der BGH klärt aber auch, dass diese Vergemeinschaftung erforderlich ist, weil sich aus § 9a Abs. 2 WEG allein keine Prozessführungsbefugnis der WEG ergibt.
Durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) ist die Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft in § 9a Abs. 2 WEG neu geregelt worden. Danach übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. § 9a Abs. 2 WEG ist an die Stelle des bis dahin geltenden § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a.F. getreten. Durch die Gesetzesänderung ist die Unterscheidung zwischen der „gekorenen“ Ausübungsbefugnis (mit Beschluss) und der „geborenen“ Ausübungsbefugnis (ohne Beschluss) entfallen. Das führte zu einer Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Fragen, ob Vergemeinschaftungsbeschlüsse weiterhin erforderlich und wirksam sind und ob nach altem Recht gefasste Vergemeinschaftungsbeschlüsse ihre Wirksamkeit behalten.
Der BGH hat jetzt klargestellt, dass durch die neue Regelung in § 9a Abs. 2 WEG keine Änderung der bisherigen Rechtslage erfolgt. Die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber unterfallen nicht der Ausübungsbefugnis gemäß § 9a Abs. 2 WEG. Die WEG kann solche Rechte auch nach der Gesetzesänderung weiterhin durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen.
In seiner Begründung setzt der BGH sich zunächst mit den verschiedenen Meinungen zu diesem Thema auseinander und führt dann aus, dass § 9a Abs. 2 WEG die primären Mängelrechte der Wohnungseigentümer nicht erfasst. Diese ergeben sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum, sondern aus den jeweiligen Erwerbsverträgen. Sie erfordern auch keine einheitliche Rechtsverfolgung nach § 9a Abs. 2 WEG. Die Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer wird durch § 9a Abs. 2 WEG aber auch nicht ausgeschlossen. Der BGH stellt klar, dass sich die Beschlusskompetenz der WEG für Vergemeinschaftungsbeschlüsse aus der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum (§ 18 Abs. 1 Weg) sowie der diesbezüglichen Erhaltungspflicht (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG) ergibt. Zur Begründung bezieht der BGH sich auch auf die Gesetzesbegründung, aus der sich der Wille des Gesetzgebers ergibt, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Geltendmachung und Vergemeinschaftung von Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen auch nach der Gesetzesänderung weiter gelten soll (vgl. BT-Drucksache 19/18791).
Fazit und Ausblick
Der BGH bestätigt in seinem Urteil vom 11. November 2022 die Prozessführungsbefugnis der WEG. Der BGH klärt damit die seit der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes ungeklärte Frage, ob eine WEG weiterhin berechtigt ist, die Mängelrechte der Erwerber (aus Kaufverträgen oder Bauträgerverträgen/Werkverträgen) zur alleinigen Durchsetzung an sich zu ziehen. Der BGH klärt aber auch, dass diese Vergemeinschaftung erforderlich ist, weil sich aus § 9a Abs. 2 WEG allein keine Prozessführungsbefugnis der WEG ergibt.
Für die Praxis bedeutet das, dass vor dem 1. Dezember 2020 gefasste Vergemeinschaftungsbeschlüsse wirksam bleiben und dass die Geltendmachung von Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen durch die WEG auch weiterhin einen Vergemeinschaftungsbeschluss erfordert.
(BGH, Urteil vom 11.11.2022 – V ZR 213/21)