Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten – Umfangreiche Compliance-Pflichten schon ab dem 30. Dezember 2024
Die Verordnung (EU) 2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten hat im Eiltempo das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und tritt nun am 30. Juni 2023 in Kraft. Der Name der VO täuscht, da nicht nur Holz und Papier erfasst sind, sondern auch Rohstoffe, die für die Lebensmittel-, Kosmetik- und sogar die Automobilbranche höchst relevant sind.
Anwendungsbereich
Die VO findet auf alle Unternehmen Anwendung, die bestimmte Rohstoffe oder Erzeugnisse in Verkehr bringen, ausführen oder bereitstellen – und dies ab dem 30. Dezember 2024. Das bedeutet, dass auch kleinere Unternehmen erfasst sind; für sie gilt das Gesetz aber erst ab dem 30. Juni 2025. Dieser produktbezogene Ansatz ist ein wesentlicher Unterschied zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), welches nur Unternehmen ab einer bestimmten Arbeitnehmerstärke verpflichtet.
Von der VO umfasste Rohstoffe sind Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Soja, Holz, Kautschuk, Holzkohle, bedruckte Papierprodukte und eine Reihe von Palmölderivaten. Außerdem sind Erzeugnisse aus diesen Rohstoffen, wie sie in Anhang I der Verordnung anhand der jeweiligen Warentarifnummern gelistet sind, erfasst.
Mittels eines Überprüfungsmechanismus kann der Regelungsbereich der Verordnung regelmäßig angepasst werden. Die Entwicklung der Verordnung sollte damit genau im Blick behalten werden.
Erlaubnis in drei Stufen
Voraussetzung für das Inverkehrbringen, das Bereitstellen oder die Ausfuhr von relevanten Rohstoffen und gelisteten Erzeugnisse ist nach Art. 3 der VO, dass die Rohstoffe oder Erzeugnisse entwaldungsfrei sind, nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und eine Sorgfaltserklärung vorliegt. Die zuständige deutsche Behörde ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), wobei bei erstmaliger Einfuhr oder bei der Ausfuhr auch ein Vorlegen der Sorgfaltserklärung bei den zuständigen Zollbehörden vorgesehen ist.
Die einzuhaltenden einschlägigen Rechtsvorschriften sind umfangreich. Neben den eher naheliegenden Landnutzungsrechten, dem Umweltschutz, den forstbezogenen Vorschriften, die vorherige Zustimmung der indigenen Völker und Rechte Dritter fallen darunter auch Arbeitnehmerrechte, völkerrechtliche geschützte Menschenrechte sowie Steuer-, Korruptionsbekämpfungs-, Handels- und Zollvorschriften.
Anhang II der VO beschreibt den Inhalt der Sorgfaltserklärung. Es müssen unter anderem folgende Informationen angegeben werden: Daten der Marktteilnehmer, insbesondere die Registrierungs- und Identifizierungsnummer für Wirtschaftsbeteiligte, die Warentarifnummer und die Mengen und Maßangaben der Rohstoffe oder Erzeugnisse, sowie das Erzeugerland und die Koordinaten der Geolokalisierung aller relevanten Grundstücke. In der Sorgfaltserklärung muss zudem bestätigt werden, dass alle Sorgfaltspflichten gemäß der Verordnung eingehalten wurden (hierzu unter C.).
Sorgfaltspflichten
Die in der VO vorgesehenen Sorgfaltspflichten sind denen des LkSG durchaus ähnlich. Gefordert werden die Sammlung von Informationen, eine Risikobewertung und die Risikominderung sowie ein Risikomanagement.
Art. 9 der VO legt dar, welche Informationen zu sammeln sind. Insbesondere werden die für die Abgabe der Sorgfaltserklärung relevanten Informationen, z.B. hinsichtlich der Geolokalisierung der Rohstoffe, gefordert. Es empfiehlt sich eine Sammelerklärung für sämtliche Grundstücke.
Ähnlich dem LkSG verlangt auch die VO, dass eine Risikoanalyse durchgeführt, dokumentiert und jährlich wiederholt wird. Es bedarf nach der VO allerdings keiner Veröffentlichung. Art. 10 Abs. 2 der VO beschreibt die zu berücksichtigenden Kriterien. Umfasst sind Informationen über die Präsenz indigener Völker im Erzeugerland, die Quelle, Zuverlässigkeit und Gültigkeit der in Artikel 9 genannten Informationen, mögliche Bedenken zu z.B. Verstößen gegen Menschenrechte oder bestehende Sanktionen, das Risiko einer Umgehung sowie „jegliche Informationen, die darauf schließen lassen, dass die Gefahr besteht, dass die relevanten Erzeugnisse nicht konform sind“. Angesichts dieser Breite an Informationen sollten sich Unternehmen frühzeitig mit den möglichen Risiken ihrer Lieferketten auseinandersetzen.
Wird kein vernachlässigbares Risiko festgestellt, sind Maßnahmen zur Risikominimierung zu ergreifen. Zentral sind dabei insbesondere die geforderten umfassenden Compliance Strukturen. Außenwirtschaftsrechtliche Compliance-Maßnahmen müssen mit LkSG-Prozessen kombiniert werden. Dies erfordert umfassende Expertise in beiden Bereichen.
Für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) gilt ein schlankeres Pflichtenprogramm. Diese dürfen die relevanten Erzeugnisse nur dann auf dem Markt bereitstellen, wenn sie im Besitz der folgenden Informationen sind: Name, eingetragener Handelsname oder die eingetragene Handelsmarke, die Postanschrift, die E-Mail-Adresse, eine Internetadresse ihrer Lieferanten sowie die Referenznummern, der den Erzeugnissen zugeordneten Sorgfaltserklärungen.
Rechtfolgen bei Verstößen
Neben Bußgeldern dürften Verstöße gegen die Verordnung sich auch negativ auf die Reputation der Unternehmen auswirken.
Begründete Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften können durch natürliche oder juristische Personen geltend gemacht werden. Der Kreis der hinweisgebenden Personen gegenüber Behörden ist nach dem LkSG bisher noch sehr eingeschränkt. Dies ist in der VO nun weiter. Die Folgen einer begründeten Beschwerde sind weitreichend. Unternehmen, gegen die Sanktionen verhängt werden, sollen auf der Internetseite der EU-Kommission veröffentlicht werden – Naming ist Shaming. Unternehmen sind daher gut beraten, sich frühzeitig und ernsthaft mit der Risikoanalyse zu beschäftigen und sich damit gegen NGO-Recherchen vorzubereiten.
Des Weiteren sind einstweilige Maßnahmen und Korrekturmaßnahmen vorgesehen. Einstweilige Maßnahmen umfassen insbesondere die Beschlagnahme oder die Aussetzung des Inverkehrbringens, der Bereitstellung oder der Ausfuhr der relevanten Waren. Wurden die Erzeugnisse oder Rohstoffe bereits in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder ausgeführt, sind verhältnismäßige Korrekturmaßnahmen durch die Unternehmen zu ergreifen. Dies betrifft Produktrückrufe, Spenden der Produkte oder eine abfallrechtsgemäße Entsorgung.
Weitergehende Sanktionen sind durch die Mitgliedstaaten zu regeln. Dies schließt z.B. Bußgelder und die Einziehung der relevanten Erzeugnisse ein. Die Sanktionen sollen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Bußgelder können in einer Höhe von bis zu 4 % des Jahresumsatzes erhoben werden; Erhöhungen nach Umsatz sind aber möglich. Außerdem droht ein Ausschluss von der öffentlichen Finanzierung und von Ausschreibungen von bis zu 12 Monaten.
Fazit
Die VO über entwaldungsfreie Lieferketten hält umfangreiche Compliance-Vorgaben für Unternehmen bereit. Kombiniert mit dem drohenden Verbot des Inverkehrbringens, des Bereitstellens oder der Ausfuhr sind die Konsequenzen für Unternehmen erheblich weitreichender als dies nach dem LkSG der Fall ist. Angesichts des sehr knappen Zeitrahmens, sollte man sich mit der außenwirtschaftsrechtlichen Lieferketten-Compliance besser früher als später auseinandersetzen.