Verschmelzung einer zahlungsunfähigen auf eine zahlungsfähige GmbH – Gesellschafter haften wegen Existenzvernichtung
Die Verschmelzung einer insolvenzreifen auf eine gesunde Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) kann zur Haftung der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft wegen Existenzvernichtung führen.
Hintergrund
Im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) werden sämtliche Aktiva und Passiva des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen. Ist der übertragende Rechtsträger zahlungsunfähig oder überschuldet, kann dies auch die Existenz des übernehmenden Rechtsträgers gefährden und im schlimmsten Fall dessen Insolvenz begründen. Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, wie sich ein solcher „worst case“ auf die Haftung der Gesellschafter beider Gesellschaften auswirkt und dabei einige grundlegende Fragen geklärt.
Die Entscheidung des BGH
Im Streitfall wurde eine zahlungsunfähige und überschuldete GmbH auf eine zunächst noch gesunde GmbH verschmolzen. Die übernehmende GmbH geriet unter der von der übertragenden GmbH übernommenen Schuldenlast ebenfalls in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter (der verschmolzenen Gesellschaft) verlangte von dem Gesellschafter der übertragenden GmbH Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Differenzhaftung sowie von den Gesellschaftern der übernehmenden GmbH Schadensersatz wegen Existenzvernichtung. Die Differenzhaftung lehnte der BGH ab, eine Haftung wegen Existenzvernichtung hielt er hingegen für möglich.
Nach § 9 Abs. 1 S. 1 GmbHG hat ein Gesellschafter, der eine Sacheinlage erbringt, die nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils erreicht, in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. Ob eine solche Differenzhaftung bei einer Verschmelzung gegen Kapitalerhöhung (§ 55 UmwG) in Betracht kommt, wenn der Wert des auf den übernehmenden Rechtsträger übergehenden Vermögens nicht dem Wert der hierfür gewährten Anteile an der übernehmenden GmbH entspricht, war bislang umstritten. Der BGH hatte in einer früheren Entscheidung eine Differenzhaftung im Falle einer Verschmelzung von zwei Aktiengesellschaften abgelehnt. An dieser Entscheidung hält der BGH nun fest und überträgt diese auch auf den Fall der Verschmelzung von zwei GmbHs.
Dagegen hielt der BGH im zu entscheidenden Fall eine Haftung der Gesellschafter der übernehmenden GmbH unter dem Gesichtspunkt der Existenzvernichtung für möglich. Eine solche Existenzvernichtungshaftung kommt in Betracht, wenn der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern in sittenwidriger Weise das zur Tilgung ihrer Schulden erforderliche Vermögen entzogen und damit eine Insolvenz verursacht oder vertieft wird.
Diesbezüglich stellte der BGH fest, dass ein Vermögensentzug nicht lediglich durch eine Minderung des Aktivvermögens, sondern auch durch eine Erhöhung der Verbindlichkeiten verursacht werden kann. Darüber hinaus stellte der BGH klar, dass für den Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung – genauer für das Merkmal der Sittenwidrigkeit – eine bloße Schädigung des Gesellschaftsvermögens nicht ausreicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der Gesellschafter (oder ein in seiner Sphäre stehender Dritter) durch den Entzug von Gesellschaftsvermögen einen Vermögensvorteil erhält. Ein solcher kann nach Ansicht des BGH bei einer Verschmelzung darin liegen, dass der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft (dieser war im Fall des BGH gleichzeitig Gesellschafter der übernehmenden GmbH) Anteile an der übernehmenden GmbH erhält, die den Wert des übertragenen Vermögens übersteigen. Ferner sah der BGH ein weiteres Kennzeichen für eine Sittenwidrigkeit darin, dass die Verschmelzung lediglich als Gestaltungsmittel dienen sollte, um ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der übertragenden Gesellschaft zu umgehen.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil des BGH schafft für Gesellschafter einer übertragenden GmbH bei einer Verschmelzung Rechtssicherheit. Diese unterliegen auch dann keiner Differenzhaftung, wenn das übertragene Vermögen nicht den Wert der erworbenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft erreicht. Gleichzeitig verlagert der BGH das Haftungsrisiko auf die Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft. Insbesondere, wenn eine Verschmelzung der Sanierung einer zahlungsunfähigen oder überschuldeten Gesellschaft dienen soll, sollte zur Vermeidung von Haftungsrisiken sichergestellt werden, dass der Fortbestand des übernehmenden Rechtsträgers auch nach der Verschmelzung gesichert ist.
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.11.2018 – II ZR 199/17)
Uli Hochdorfer, Rechtsanwalt
München