Mai 2016 Blog

Vertragsstrafe trotz fehlendem Vorbehalt möglich!

Bisher musste sich ein Auftraggeber seinen Vertragsstrafenanspruch bei Abnahme der Werkleistung auch dann vorbehalten, wenn er zuvor die Aufrechnung erklärt hatte. Wurde dies versäumt, verlor der Auftraggeber nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH im Nachhinein seinen Vertragsstrafenanspruch. Diese Rechtsprechungspraxis wurde durch den BGH jüngst aufgegeben.

Zum Sachverhalt

Zwischen den Parteien wurde – wie in Bauverträgen üblich – eine Vertragsstrafe zur Sicherstellung der fristgemäßen Fertigstellung des Bauwerkes vereinbart. Als der Auftragnehmer mit der Fertigstellung in Verzug kam, rechnete der Auftraggeber mit seinem Vertragsstrafenanspruch gegen die Werklohnforderung auf. Bei der anschließenden Abnahme erklärte der Auftraggeber jedoch keinen Vorbehalt mehr bezüglich der Vertragsstrafe. Deshalb verlangte der Auftragnehmer den vollen Werklohn, da nach seiner Meinung der Vertragsstrafenanspruch durch den fehlenden Vorbehalt untergegangen sei. Zur Begründung berief er sich auf die bisherige Rechtsprechung des BGH, die in einem solchen Fall tatsächlich den Vertragsstrafenanspruch entfallen ließ.

Die Entscheidung

Der BGH entschied zu Gunsten des Auftraggebers und gab ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung in dieser Frage auf. Die Entscheidung ist richtig, da die bisherigen Argumente des BGH bei näherer Betrachtung nicht tragfähig waren. Der BGH betonte in der Vergangenheit insbesondere zwei Aspekte:
Funktion der Vertragsstrafe sei es Druck auf den Schuldner auszuüben. Dieser Druck würde auch nach Verwirkung der Vertragsstrafe bestehen bleiben, wenn der Gläubiger erst im Zeitpunkt der Abnahme entscheiden würde, ob er die Vertragsstrafe geltend macht oder ob er unter dem Eindruck der nachgeholten Erfüllung auf die Vertragsstrafe verzichtet. Es ist zwar richtig, dass dieser Druck durch die Aufrechnung verloren gehen würde, allerdings muss berücksichtigt werden, dass der Gläubiger dieses Druckmittel auch freiwillig aus der Hand gibt.

Des Weiteren stellte der BGH auf den Schuldnerschutz ab. Der Schuldner solle im Zeitpunkt der Abnahme Gewissheit haben, ob der Gläubiger eine Vertragsstrafe verlangt oder nicht. Diese Gewissheit hat er aber auch, wenn der Gläubiger mit dem Vertragsstrafenanspruch aufrechnet, denn damit macht ein Gläubiger ausreichend deutlich, dass er die Vertragsstrafe nicht verfallen lassen möchte.
Im Ergebnis stellt der BGH mit der neuen Entscheidung richtigerweise allein auf den Wortlaut des Gesetzes ab. Danach muss sich ein Gläubiger sein Recht auf Vertragsstrafe bei Abnahme „vorbehalten“. Dies ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn der Gläubiger im Zeitpunkt der Abnahme überhaupt noch ein Recht auf Vertragsstrafe hat. Erklärt er vor Abnahme die Aufrechnung mit seinem Vertragsstrafenanspruch, geht dieser durch Erfüllung unter. Damit hat der Gläubiger in diesen Fällen im Zeitpunkt der Abnahme kein Recht mehr, das er sich vorbehalten kann.

Ausblick

In Bauprozessen wird die Vertragsstrafe verhältnismäßig selten durchgesetzt. Entweder wurde die Erklärung des Vertragsstrafenvorbehaltes im Zeitpunkt der Abnahme im „Eifer des Gefechts“ vergessen oder die Position wurde hauptsächlich aufgebaut, um Bauzeitverlängerungsansprüchen des Auftragnehmers abzuwehren. Durch die geänderte Rechtsprechung hat der Auftraggeber jetzt die Möglichkeit bereits vor Abnahme wirksam gegen Abschlagsrechnungen aufzurechnen. Dies wird sicherlich für neuen Diskussionsstoff auf der Baustelle sorgen.

(BGH, Urteil vom 5. November 2015 – VII ZR 43/15)

Lutz Leonard Lamprecht, Rechtsanwalt
Hamburg

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