Juni 2025 Blog

Voraussetzungen der §§ 650b ff. BGB und Anwendbarkeit auf den VOB/B-Vertrag

Will ein Auftragnehmer eines Bauvertrags nach § 650c Abs. 3 BGB eine Vergütungsanpassung vornehmen, müssen auch im VOB/B-Vertrag die Voraussetzungen des § 650b BGB gegeben sein. Dabei werden Leistungsänderungen, die sich nicht auf die bautechnischen Leistungen (den sog. Bauinhalt), sondern lediglich auf die Bauumstände, insbesondere die Bauzeit, beziehen, von § 650b Abs. 1 S. 1 BGB nicht erfasst.

Sachverhalt

Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden „Auftraggeberin“) beauftragte die Verfügungsklägerin (im Folgenden „Auftragnehmerin“) mit Maßnahmen zur Sicherung und Verfüllung eines ehemaligen untertagigen Stollensystems. Die VOB/B ist Vertragsbestandteil. 

Bei den vorzunehmenden Bohrungen fiel zu entsorgendes Bohrwasser an. Vor Beginn der Arbeiten wurde festgelegt, dass ein Drittunternehmen für die Entsorgung des Wassers zuständig sein sollte. Einem formlosen Antrag der Auftragnehmerin bei der zuständigen Behörde auf Erteilung einer Genehmigung zur Ableitung des Wassers in die Kanalisation wurde mangels ausreichend konkreter Angaben nicht stattgegeben. Ein förmlicher Genehmigungsantrag wurde bis heute nicht gestellt.

Anschließend wurde zwischen Auftragnehmerin und Fachbauleitung vereinbart, das für die Bohrungen benutzte Wasser so lange wie möglich wiederzuverwenden und anschließend extern zu entsorgen (sog. Umlaufspülung), weil das Wasser mit Schwebstoffen belastet war. Kurz nach Baustart stellte die Auftragnehmerin im Hinblick auf den Mehraufwand für das Bohren mit Umlaufspülung das Nachtragsangebot N 1.5. Hierin heißt es: 

„Entsorgung von überschüssigem Bohrwasser nach Absetzen der groben Verunreinigungen im Pufferbecken auf Nachweis zzgl. der Zuschläge gemäß Urkalkulation, sofern die Wässer dem System von Hölscher zugeführt werden können. 1,000 t auf Nachweis“.

Das Leistungsverzeichnis enthielt keine Position zu den Kosten der Entsorgung des Spülwassers. Die Auftragnehmerin beauftragte ein Drittunternehmen und machte die Entsorgungskosten in ihren Abschlagsrechnungen gegenüber der Auftraggeberin geltend. 

Nach Baubeginn erstellte die Auftragnehmerin ein weiteres Nachtragsangebot N 2 und machte damit Kostenerhöhungen für die Einzelpositionen zu anderen Leistungsverzeichnispositionen geltend. Sie behauptete, die angeblich vertraglich vereinbarte Verfüllmenge pro Tag wegen statischer Probleme nicht erreichen zu können und dass die Auftraggeberin eine Reduzierung der täglichen Verfüllmenge verlangt habe.

Die Auftraggeberin verweigerte von Anfang an Zahlungen auf die Nachtragsposition N 1.5 und leistete lediglich Teilzahlungen auf die Nachtragsposition N 2 unter Vorbehalt.

Entscheidung

Die Auftragnehmerin begehrte vor dem Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Zahlung auf die Nachtragsangebote. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Auftragnehmerin zurückgewiesen. 

Die hiergegen gerichtete Berufung der Auftragnehmerin hat keinen Erfolg. 

Das Oberlandesgericht führt aus, dass die Auftragnehmerin den Anspruch auf Abschlagszahlung weder auf § 650c Abs. 3 BGB noch auf § 650c Abs. 1 BGB stützen kann. Für einen Anspruch aus §§ 2 Abs. 5, 16 Abs. 1 VOB/B fehle es jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes:

Die Auftragnehmerin könne den Mehrvergütungsanspruch nicht auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB verlangen. Zwar sei die Vorschrift auch auf Bauverträge anwendbar, in die die VOB/B einbezogen ist, weil die VOB/B hierzu keine Modifizierung enthalte. § 650c Abs. 3 BGB setze wegen der Anknüpfung an § 650b BGB aber ein Angebot des Auftragnehmers nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund eines Änderungsbegehrens des Auftraggebers und eine Anordnung durch diesen nach § 650b Abs. 2 BGB voraus. 

Hinsichtlich des Nachtrags N 1.5 fehle es bereits an der Glaubhaftmachung eines Angebots der Auftraggeberin nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB. Das als Nachtragsangebot bezeichnete Schreiben der Auftragnehmerin genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Inhalt des Angebots müsse so bestimmt sein, dass durch die Annahme ein Änderungsvertrag zustande kommen könne. Die Formulierung der Auftragnehmerin „Auf Nachweis zzgl. der Zuschläge gemäß Urkalkulation“ lasse jedoch weder erkennen, welches Drittunternehmen durch die Auftragnehmerin mit der Entsorgung des Bohrwassers beauftragt werden solle, welche konkreten Aufgaben das Drittunternehmen zu erbringen habe oder welche Kosten voraussichtlich entstehen würden. 

Im Hinblick auf das Nachtragsangebot N 2 fehle es bereits an einem Änderungsbegehren der Auftraggeberin nach § 650b Abs. 1 BGB. Die von der Auftragnehmerin behauptete Anordnung der Auftraggeberin zur Reduktion der täglichen Verfüllmenge falle schon nicht unter § 650b Abs. 1 BGB, da sie nur die Bauausführung und Bauzeit beträfe. Nach § 650b Abs. 1 BGB könnten aber nur zwei Arten der Vertragsanpassung begehrt werden: Die Veränderung des vereinbarten Werkerfolgs (Nr. 1) und eine Änderung der zu dessen Erreichung notwendigen Leistungen (Nr. 2). Die Änderungen müssten die bautechnischen Leistungen, also den Bauinhalt betreffen. Nicht erfasst seien Änderungen, die sich nur auf die Bauumstände, wie die Bauausführung oder die Bauzeit bezögen. Dies ergebe sich aus einem Vergleich des Referentenentwurfs des BMJV mit der finalen Fassung der Norm. Der Gesetzgeber habe sich gegen ein entsprechendes Anordnungsrecht entschieden. 

Das Gericht lässt es dahinstehen, ob der Anspruch auf §§ 2 Abs. 5, 16 Abs. 1 VOB/B gestützt werden kann, weil es jedenfalls an einem erforderlichen Verfügungsgrund fehle. Die Dringlichkeitsvermutung des § 650d BGB sei auf Streitigkeiten über Anordnungen nach § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B und die Berechnung von Nachtragsvergütungen nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B oder für auf andere Anspruchsgrundlagen gestützte Vergütungsansprüche nicht anwendbar. Die Norm beziehe sich ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur auf „Streitigkeiten über das Anordnungsrecht gemäß § 650b oder die Vergütungsanpassung gemäß § 650c“. 

Praxishinweis

Eine Vergütungsanpassung nach § 650c BGB ist auch bei VOB/B-Verträgen möglich. Es ist allerdings unbedingt zu beachten, dass hierfür vor Ausführung ein Angebot des Auftragnehmers nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund eines Änderungsbegehrens des Auftraggebers erfolgt und die Leistungen nach § 650b Abs. 2 BGB angeordnet werden. 

(OLG Celle, Urteil vom 14.05.2025, Az.: 14 U 238/24)

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