Vorsicht bei Verwendung „gleichwertiger“ Produkte bei öffentlichen Bauaufträgen!
Bei einem öffentlichen Bauauftrag enthält das Leistungsverzeichnis ein konkretes Leitfabrikat mit dem Zusatz „oder gleichwertig“. Der Auftragnehmer baute ein erwiesenermaßen gleichwertiges Fabrikat eines anderen Herstellers ein. Der Auftraggeber rügte diese Abweichung als Mangel, setzt zunächst eine Mangelbeseitigungsfrist und kündigt den Bauvertrag dann außerordentlich. Zu Recht, wie nun in zweiter Instanz entschieden wurde.
Dabei kam es auf aus Rechtsgründen nicht auf die Frage an, ob das seitens des Auftragnehmers eingebaute Fabrikat eines anderen Herstellers technisch gleichwertig zu dem im Leistungsverzeichnis angegebenen Leitfabrikat war (hier Brandschutztüren T 30). Das Angebotsschreiben des Auftragnehmers enthielt die durch den Auftraggeber vorgegebene Klausel:
Das vom Auftraggeber vorgeschlagene Produkt [ist] Inhalt meines/unseres Angebotes, wenn Teilleistungsbeschreibungen des Auftraggebers den Zusatz „oder gleichwertig“ enthalten und von mir/uns keine Produktangaben (Hersteller- und Typbezeichnung) eingetragen wurden.
Diese Klausel findet sich in den Verträgen zu einer Vielzahl öffentlicher Bauaufträge wieder. Die Ausschreibung der inmitten stehenden Bauleistung erfolgte unter Verwendung der Musterformulare des Vergabehandbuches Bund, Stand 2017, im konkreten Fall des Formulars Nr. 213 (Angebotsschreiben - einheitliche Fassung). Dabei handelt es sich um ein Formular für das Angebot des Auftragnehmers, welches bei öffentlichen Ausschreibungen von Bauleistungen regelmäßig verwendet wird. Auch in den Vergabeunterlagen der Bundesländer finden sich Formulare mit der vorstehenden Klausel, so beispielsweise im Vergabehandbuch des Freistaats Bayern, Stand Juli 2020, dort das Formular 213. H (Angebotsschreiben-einheitliche Fassung).
Nach dem Inhalt der Klausel verpflichtet sich der Auftragnehmer bzw. Bieter bereits bei Abgabe des Angebots abweichende Fabrikate anzugeben, die er später zu verwenden gedenkt. Werden keine abweichenden Fabrikate angegeben, gilt das im Leistungsverzeichnis jeweils konkret angegebene Fabrikat als vereinbarte Beschaffenheit. Die Verwendung eines anderen Fabrikats stellt damit stets einen Mangel dar, auch wenn technisch gleichwertig. Dies stellt bei übermäßiger Verwendung von Leitfabrikaten mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ in den Leistungsverzeichnissen öffentlicher Ausschreibungen vor allem die Kalkulatoren vor Probleme, die bei jeder Position bereits das konkret zu verbauende Fabrikat kalkulieren und gegebenenfalls abweichende Fabrikate angeben müssen. Dabei ist eine Angabe von Leitfabrikaten mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 VOB/A nur im Ausnahmefall zulässig. Dieser gegebenenfalls vorliegende Verstoß gegen Vergaberecht kann aber nach Zuschlag nicht mehr gerügt werden und wirkt sich auf die Auslegung des geschlossenen Bauvertrags nicht aus.
Im vorliegenden Fall stellte sich der Auftragnehmer auf den Standpunkt, das Leistungsverzeichnis gebe ihm durch den Zusatz „oder gleichwertig“ ein Wahlrecht, nach dem er auch technisch gleichwertige Fabrikate anderer Hersteller einbauen dürfe. Die vorstehend dargestellte Vertragsklausel stelle eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Dem folgte das OLG Celle in seiner Entscheidung vom 14.12.2022 nicht. Zwar stellte das Gericht durchaus fest, dass es sich bei der vorstehenden Klausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Diese sei allerdings wirksam, da sie nicht überraschend sei und den Auftragnehmer auch nicht unangemessen benachteilige. Vielmehr erscheine die Klausel sach- und interessengerecht, um etwaige Unklarheiten zu beseitigen, die sich aus dem Zusatz „oder gleichwertig“ im Leistungsverzeichnis ergeben. Ein Wahlrecht des Bieters und späteren Auftragnehmers solle damit gerade verhindert werden.
Für die Baupraxis bedeutet dies, bei öffentlichen Bauaufträgen müssen abweichende Fabrikate, die einer Kalkulation des angebotenen Preises zugrunde liegen, bei Abgabe des Angebots angegeben werden, jedenfalls wenn der Auftragsvergabe die Formulare des Vergabehandbuches Bund oder vergleichbare Formulare der Länder zugrunde liegen. Dies ist oft der Fall. Eine spätere Verwendung eines abweichenden Fabrikats, auch bei geführten Gleichwertigkeitsnachweis, stellt sonst eine Abweichung von der konkret vereinbarten Beschaffenheit des Werkes und damit stets einen Sachmangel dar.
(OLG Celle - Urteil vom 14.12.2022 – 14 U 44/22)