Was guckst Du? Warum Spülmaschinentabs und Nudeln verwechselt werden können
Was schützen die Sondergesetze im gewerblichen Rechtsschutz: Packung oder Produkt? Und wovon hängt eigentlich dieser Schutz ab?
Einleitung
Der gewerbliche Rechtsschutz schützt konkrete Gestaltungen, das sind Verkörperungen von Ideen – als Produktgestaltung, oder als Gestaltungselement, als ein ganz bestimmtes Feature und unter Umständen auch ein Prinzip. Dabei können Produkte selbst geschützt sein, aber auch Verpackungsgestaltungen. Auch letztere können ikonisch werden: beispielsweise die blaue, runde Nivea-Dose, die Toblerone, die Odol-Flasche oder der (auch markenrechtlich geschützte) Goldhase. Eine selbst ikonische Verpackung mit Veranschaulichung des ikonischen Produkts bietet die Goldbären-Packung mit Glanzfolie und Sichtfenster.
Bei Produkten kann Schutz über eine registrierte dreidimensionale Formmarke für das Produkt selbst bestehen (z.B. der VW Bulli T1), oder über ein eingetragenes Design (vom Sessel über Turnschuhe bis hin zu Lampen und Verpackungen). Soweit das Design- oder Markenrecht nicht eingreift, kann ergänzend so genannter ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz bestehen. Dieses Konzept ist subsidiär zu Sondergesetzen und auch etwas schwieriger zu greifen. Nach der Norm des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG können Verpackungen geschützt sein, wenn sie ganz besonders gestaltet sind (z.B. die Kerrygold-Verpackung). Auch hier gibt es einen – deutlich relevanteren – Schutz für ein Produkt selbst. In der Vergangenheit hat der Bundesgerichtshof diesen für Flying-V-Gitarren, aber auch Bodendübel oder Regalsysteme gewährt. Aber wann kommt es für wettbewerblichen Leistungsschutz auf das Produkt und auf die Verpackung an? Und was ist geschützt?
Entscheidend ist die konkrete Erwerbssituation. Maßgeblich ist, was die Kundschaft unmittelbar wahrnimmt. Anschaulich ist das in der Werbung: Fast moving consumer goods und andere Massenware werden ohne Verpackung abgebildet. Online, z.B. bei Meta-Ads, werden die Produkte regelmäßig ebenfalls unverpackt dargestellt. Anders ist es im stationären Handel und bei hochpreisigen Produkten. Hier ist die Verpackung Teil der Story des Produkts – und das Unboxing Teil dieser Verpackung. Das zeigt sich anschaulich daran, dass Videos des Auspackens bei TikTok Millionen Klicks generieren können (so genanntes Unboxing). Hier zeigt sich bereits, dass die Erwerbssituation maßgeblich ist: Ein teures Produkt genießt größere Aufmerksamkeit; ein billiges Produkt dagegen eher geringere Aufmerksamkeit. Das ist aus Sicht des Produktdesigns wenig überraschend. Aber es ist auch rechtlich relevant. Was heißt das praktisch? Dazu je ein Fall aus dem letzten Jahr und ein Fall aus diesem Jahr:
Entscheidung 1
Die Klägerin, die ihre Spülmaschinentabs mit einem roten Punkt in der Mitte (dem POWERBALL) vertreibt, warf der Beklagten vor, durch die Verwendung eines ähnlichen roten Elements in ihren Tabs eine vermeidbare Herkunftstäuschung zu verursachen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies die Klage in zweiter Instanz ab, da der rote Punkt kein nachahmungsfähiges Erzeugnis darstellt und nicht isoliert betrachtet werden kann. Er fällt daher nicht unter den wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz. Daneben haben die Tabs auch unterschiedliche Grundfarben. Und schließlich kommt es gar nicht auf das Produkt selbst an: Denn die Tabs werden in der Packung gekauft, nicht einzeln. Sie werden üblicherweise auch nicht einzeln (ohne Umverpackung) aufbewahrt. Die Packung war außerdem mit den Markennamen der Hersteller versehen. Der zuletzt geworfene Rettungsring, der Tab sei auch auf der Packung abgebildet, hat nicht geholfen: Eine Grafik allein, so das OLG, sei nicht wettbewerbsrechtlich geschützt. Denn geschützt war hier nur die Packung – oder abstrakter: Das, was Kunden insgesamt wahrnehmen. Dabei sind einzelne Ideen einer Gesamtgestaltung nicht durch das Wettbewerbsrecht geschützt (ebenso wenig wie übrigens die Bezeichnung mit einem Schlagwort). Eine solche einzelne Idee – wie z.B. beim Stapelstein – muss mit anderen Gestaltungsprinzipien kombiniert werden, um schutzfähig zu sein.
Entscheidung 2
Die Klägerin, eine griechische Gesellschaft, stellt Teigwaren her und exportiert diese unter anderem nach Deutschland. Sie hat für Pasta die Unionsbildmarke „TERRA GRECA“ angemeldet (das Bild zeigt ein Feld nach der Strohernte), während die Beklagte Inhaberin der Unionsbildmarke „TERRA GRECA“ ist, die für verschiedene Lebensmittel, jedoch nicht für Pasta, Schutz genießt. Das Bild zeigt eine stilisierte grün-gelbe Sonne. Unter dieser Marke verkaufte die Beklagte nun auch Pasta. Das OLG hat eine Markenverletzung verneint: Die Identität in begrifflicher, klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht bedeute grundsätzlich eine Markenverletzung, auch wenn die Marken hier für griechische Lebensmittel (aus Weizen) nicht besonders kreativ sind. Beim Kauf auf Sicht gilt aber die Besonderheit, dass der Verkehr sich primär am Grundstoff und an der Form des Produkts orientiere – sekundär sei die Verpackung relevant.
Praxishinweis
Wenn es auf die Verpackung ankommt, genügt eine Marke allein beim Kauf auf Sicht also noch nicht. Es müsste dann schon eine starke Marke sein, um dafür zu sorgen, dass Kunden Produkt oder Hersteller unmittelbar erkennen. Das gilt gerade dann, wenn es sich um Waren handelt, denen Kunden erfahrungsgemäß nicht die größte Aufmerksamkeit widmen. Nudeln, so das OLG, werden schlicht nach Verpackung gekauft. Kunden achten auf das Produkt, nicht so sehr auf die Marke. Daher reicht auch eine einzelne gute Gestaltungsidee für die Packung noch nicht. Dasselbe gilt für das Produkt als solches. Als Teil einer IP-Strategie muss also im Marketing immer die Erwerbssituation bedacht werden: Wie und wo tritt das Produkt dem Kunden gegenüber? Gibt es Unterschiede je nach Ort oder Umständen des Kaufs? Für den Vertrieb online ist übrigens noch unklar, auf was genau es ankommt. Der grundlegende Unterschied zu offline ist in der europäischen Rechtsprechung angekommen: Dort wird bei europäischen Marken bereits unterschieden – die Wahrnehmung einer Marke ist, so das EuG ausdrücklich, nicht automatisch von offline zu online übertragbar.
Schließlich gilt es auch zu bedenken, wie der Schutz im Nachahmungsfall durchgesetzt werden kann. Denn die bloße Übernahme (irgend-)eines Gestaltungselements genügt nicht. Insofern ist im gewerblichen Rechtsschutz grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung notwendig: Weder ein roter Punkt noch ein Markenname genügen. Es muss sich auch um vergleichbare Produkte handeln und die Gestaltung muss kreativ sein. Und schließlich gibt es eine Wechselwirkung: Bei besonders starken ikonischen Schutzrechten gelten geringere Anforderungen an eine Übernahme.
Kurz gefasst gilt also auch rechtlich: Je besser die Idee der (gesamten) Gestaltung, desto schlechter die Idee der Nachahmung.
(OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 6. Februar 2025 – 6 U 277/21 – Terra Greca)
(OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 1. Februar 2024 – 6 U 212/22 – Spülmaschinentabs)

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