Juni 2022 Blog

Weitere Stärkung der Gläubiger­rechte bei Vorsatz­anfechtung

Nachdem der IX. Zivilsenat mit seiner Entscheidung vom 06. Mai 2021 (wir berichteten) die Voraussetzungen unter denen ein Insolvenzverwalter im Rahmen der insolvenzrechtlichen Anfechtung erhaltene finanzielle Mittel vom Vertragspartner des Insolvenzschuldners zurückverlangen kann, verschärft hatte, hat er nunmehr  mit drei kurzfristig hintereinander ergangenen Urteilen diese Rechtsprechung weiter zum Vorteil der Anfechtungsgegner konkretisiert. Gleichwohl bedeutet dies noch nicht, dass die typischen Sachverhalte damit einer insolvenzrechtlichen Anfechtung entzogen sind.

Begründung einer sekundären Darlegungslast für den Insolvenzverwalter

Nach bisheriger Rechtsprechung konnte der Insolvenzverwalter den notwendigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz durch Darlegung der Zahlungseinstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt nachweisen, der vor der anfechtbaren Zahlung lag. In diesem Fall musste der Anfechtungsgegner (!) die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Insolvenzschuldners beweisen, unabhängig davon, ob die Tatsache, wegen der eine Zahlungsunfähigkeit ursprünglich festgestellt wurde, später weggefallen war.

Anders der BGH nun: Im konkreten Fall hatte die Insolvenzverwalterin die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners dadurch dargelegt, dass gegen diesen zu früherer Zeit zwei Fremdanträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt waren. Diese waren aber im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen bereits erledigt. Der Senat hat von der Insolvenzverwalterin Vortrag dazu verlangt, wieso trotzdem von einer fortgesetzten Zahlungsunfähigkeit auszugehen war. Da die Verwalterin hierzu keinen weiteren Vortrag erbringen konnte, hat er die Klage abgewiesen.

Schleppende Zahlungsweise 

Die schleppende Zahlungsweise, bisher gewichtiges Indiz für die Zahlungseinstellung (und damit den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz) verliert nunmehr ihre Wirkung, wenn der Schuldner bereits im Zeitpunkt der Zahlungsfähigkeit schleppend gezahlt hat. Im konkreten Fall hatte die spätere Insolvenzschuldnerin bereits seit dem Jahr 2012 nur noch auf regelmäßige Mahnungen gezahlt, war aber nach unstreitigem Sachvortrag erst ab dem Jahr 2013 zahlungsunfähig. 

Keine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei streitigen Forderungen

Im Rahmen seiner Entscheidung vom 24. Februar 2022 hat der Senat festgestellt, dass der Insolvenzschuldner jedenfalls dann ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn sich die Zahlungsunfähigkeit aus einer Forderung ergibt, gegen die sich der Schuldner aus objektiv vertretbaren Gründen verteidigen kann. Im konkreten Fall war die Rechtslage, aus der sich die entscheidende Verbindlichkeit ergab, heftig umstritten und wurde erst später vom BGH zu Ungunsten des Schuldners geklärt, der erst daraufhin den Insolvenzantrag stellte.   

Kenntnis der Überschuldung als neues Beweisanzeichen

Der Senat hat die Rechtslage aber auch verschärft. War bisher nur die Zahlungsunfähigkeit des späteren Insolvenzschuldners ein Indiz für eine Benachteiligungsabsicht hat der BGH dies mit Urteil vom 03. März 2022 nunmehr auch auf eine Überschuldung ausgedehnt. Ist die Überschuldung des Vertragspartners bekannt, droht nunmehr die Anfechtung etwaiger seit diesem Zeitpunkt erhaltener Leistungen. Für den Anfechtungsgegner folgt die Kenntnis der Überschuldung aber nicht aus der Tatsache, dass er eine bilanzielle Überschuldung kennt (etwa durch Veröffentlichung der Handelsbilanz). 

Praxishinweis

Durch die drei Urteile hat der Senat die Geltendmachung eines Anfechtungsanspruches für den Insolvenzverwalter weiter erschwert. Die Entscheidungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit das Thema insolvenzrechtliche Anfechtung nicht „vom Tisch“ ist. Immer dann, wenn der Vertragspartner offensichtlich „schwächelt“, insbesondere, wenn sich erhebliche Zahlungsrückstände aufbauen, bestehen weiterhin erhebliche Anfechtungsrisiken und damit bei Fortsetzung der Geschäftsverbindung die Gefahr, auch zukünftige Zahlungen zu infizieren. In den vorliegenden Entscheidungen handelte es sich vielmehr um Unternehmen, die „auf der Kippe“ standen, bei denen die Insolvenzverwaltung jedoch nur schwache Indizien vorbringen konnte, die vermutlich nach „alter“ Rechtsprechung genügt hätten, die Anfechtungsgegner zu einer Rückzahlung zu verurteilen. Bei offensichtlich zahlungsunfähigen Unternehmen wäre dies anders gewesen. Kein Grund also, nunmehr sorglos mit kriselnden Vertragspartnern umzugehen.

(BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – IX ZR 148/19 –; 
BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – IX ZR 250/20; 
BGH, Urteil vom 3. März 2022 – IX ZR 53/19)

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