Wettlauf von Amtsniederlegungserklärung und Handelsregisteranmeldung?
Das Kammergericht Berlin hat in einem wegweisenden Beschluss entschieden: Der Zeitpunkt des Zugangs einer Handelsregisteranmeldung beim Registergericht ist maßgeblich für die Vertretungsbefugnis des anmeldenden GmbH-Geschäftsführers. Demnach sind Handelsregisteranmeldungen eines sein Amt niederlegenden Geschäftsführers nur dann wirksam, wenn sie vor dem Zeitpunkt der Amtsniederlegung beim Handelsregister eingegangen sind.
Sachverhalt
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ließ in einem einzigen Notartermin den Gesellschafterbeschluss zur Sitzverlegung der GmbH beurkunden, unterzeichnete die Anmeldung der Sitzverlegung und erklärte anschließend seine Amtsniederlegung mit sofortiger Wirkung.
Beim zuständigen Registergericht ging hingegen zunächst die Niederlegungserklärung des Geschäftsführers und erst einige Tage später die Anmeldung der Sitzverlegung durch elektronische Übersendung ein. Das Registergericht verweigerte die Weiterleitung der Akte an das nach der Sitzverlegung zuständige Gericht, da es die Anmeldung des Geschäftsführers mangels Vertretungsmacht für unwirksam hielt.
Entscheidung
Das Kammergericht Berlin entschied, dass der Geschäftsführer aufgrund seiner Amtsniederlegung nicht mehr zur Anmeldung der Sitzverlegung der GmbH befugt war. Abgesehen davon, dass er ausweislich der GmbH-Satzung nicht alleinvertretungsbefugt war, war er zum Zeitpunkt der Abgabe der Handelsregisteranmeldung nicht mehr Geschäftsführer der GmbH, sodass es ihm gänzlich an der Vertretungsbefugnis fehlte.
Die Anmeldung einer Änderung in der Person des Geschäftsführers ist lediglich deklaratorischer Natur (§ 39 GmbHG). Dies hat zur Folge, dass ein sein Amt mit sofortiger Wirkung niederlegender Geschäftsführer bereits in dem Moment aus dem Amt ausscheidet, in dem er seine Amtsniederlegung wirksam erklärt hat. Auf die Eintragung seines Ausscheidens als Geschäftsführer im Handelsregister kommt es nicht an.
Die Anmeldung einer Sitzverlegung, wie auch jeder sonstigen Satzungsänderung, ist hingegen konstitutiv (§ 54 Abs. 3 GmbHG), sodass die Änderung erst mit der Eintragung im Handelsregister wirksam wird. Für die „Abgabe der Anmeldung“ der Sitzverlegung kommt es auf den Zeitpunkt des Eingangs der Anmeldung beim zuständigen Registergericht an. Entgegen dem sprachgebräuchlichen Verständnis spielt der Zeitpunkt der Ausfertigung der Anmeldung keine Rolle. Die Reihenfolge der Ausfertigung der Anmeldung der Sitzverlegung und der Erklärung der Amtsniederlegung im Notartermin ist nicht entscheidend.
Das Kammergericht hat sich mit diesem Beschluss innerhalb des juristischen Meinungsstreits zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Vertretungsmacht des anmeldenden Geschäftsführers positioniert. Für eine wirksame Abgabe einer registerrechtlichen Anmeldung muss diese als empfangsbedürftige verfahrensrechtliche Erklärung dem zuständigen Registergericht als deren Empfänger zugegangen sein (§ 130 Abs. 1 BGB). Durch die Unterzeichnung beim Notar bringt der Geschäftsführer seine Erklärung lediglich auf den Weg, könnte sie aber bis zum Eingang beim Registergericht noch widerrufen. Erst wenn der Notar die Anmeldung zum Registergericht übermittelt hat, ist diese wirksam abgegeben.
Praxishinweis
Möchte ein sein Amt niederlegender Geschäftsführer noch eine Anmeldung zum Handelsregister in seiner Funktion als Geschäftsführer abgeben, so muss er die Übermittlung der Anmeldung vom Notar zum Handelsregister abwarten, um sodann sein Amt niederzulegen.
Alternativ könnte der Geschäftsführer seine Amtsniederlegung vorsorglich für einen späteren Zeitpunkt erklären. In diesem Fall sollte er jedoch darauf hinwirken, dass der Notar vor Eintritt dieses gewählten Zeitpunkts die gewünschte Anmeldung an das Registergericht übermittelt hat.
Gleiches dürfte wohl auch für die Abberufung eines Geschäftsführers gelten. Wird ein Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen, dürften sämtliche vom abberufenen Geschäftsführer abgegebenen Registeranmeldungen, welche zeitlich nach der Abberufungserklärung beim Registergericht eingehen, unwirksam sein. Die Abberufung des Geschäftsführers wäre dann von den weiteren Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Weise zum Handelsregister anzumelden.
(Kammergericht Berlin (22. Zivilsenat), Beschluss vom 08.05.2023 – 22 W 15/23)