Februar 2025 Blog

Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen vor dem Aus?

Bisher ging die deutsche Rechtsprechung davon aus, dass das Insolvenzstatut eine Anwendung der Vorschrift des § 135 InsO auch bei Sachverhalten mit Auslandsbezug gebietet. Die Norm regelt u.a. die Anfechtbarkeit der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen innerhalb eines Jahres vor Antragstellung. Der BGH hat nunmehr den bestehenden Zweifeln an dieser Rechtsprechung Rechnung getragen und einen entsprechenden Sachverhalt dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Sollte der EuGH die Anwendbarkeit des § 135 InsO ausschließen, wird vielfach angenommen, dass dies das Ende des deutschen Rechts der Gesellschafterdarlehen sein könnte.

Sachverhalt

Eine österreichische GmbH hatte mit zwei Darlehensverträgen einer deutschen GmbH, die derselben Unternehmensgruppe angehörte, Darlehen in Höhe von insgesamt 5.000.000,- EUR gewährt. Die Darlehensverträge enthielten eine ausdrückliche Rechtswahl, wonach die Darlehensverträge österreichischem Recht unterlägen. Über das Vermögen der Darlehensnehmerin wurde im Jahr 2016 das Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet. Innerhalb des letzten Jahres vor Antragstellung hatte die Darlehensnehmerin Darlehen in Höhe von insgesamt knapp 700.000,- EUR zurückgezahlt, die nunmehr vom Insolvenzverwalter nach § 135 Abs.1 Nr.2 InsO zurückverlangt wurden. 

Entscheidung 

Beide Vorinstanzen hatten der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben. Zur Begründung beriefen sie sich auf die bisher herrschende Rechtsauffassung, dass die Regeln des deutschen Anfechtungsrechts aufgrund des auch europäisch geltenden Insolvenzstatuts (heute Art. 16 EUInsVO) nicht durch die Rechtswahl einer anderen Rechtsordnung im Darlehensvertrag ausgehebelt werden können. Entscheidend sei das Recht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. 

Diese Rechtsprechung war unter Insolvenzrechtlern in der Vergangenheit umstritten, da für grenzüberschreitende Verträge die Regelungen der Rom-I-VO zu beachten sind, nach der auch Darlehensverträge in diesen Fällen eigentlich einem ausländischen Vertragsstatut unterstünden (entweder kraft Rechtswahl nach Art. 3 Rom-I-VO oder bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kreditgebers im Ausland nach Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO). Der BGH vertritt zwar wohl die Auffassung der bisher herrschenden (insolvenzrechtlichen) Rechtsprechung, sieht sich jedoch verpflichtet, die Rechtsfrage der Konkurrenz zwischen Art. 16 EuInsVO und Rom-I-VO nunmehr durch den EuGH klären zu lassen. Sollte der EuGH die Geltung des österreichischen Rechts annehmen, würde die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen werden.

Praxishinweis

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der EuGH die Rechtswahl im konkreten Fall für vorrangig gegenüber dem Insolvenzstatut annehmen wird. Gesellschafterdarlehensverträge gelten, unabhängig von der besonderen gesellschaftsrechtlichen Beziehung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer, nach EU-Recht als gewöhnliche Darlehensverträge. Nur wenn der EuGH die Anfechtungsvorschriften als sog. Eingriffsnorm i. S. d. Art. 9 Rom-I-VO ansehen würde, käme wohl eine Reduktion in Betracht.

Sollte es so kommen, wäre dies jedenfalls dann ein „Rettungsanker“ für den Darlehensgeber, wenn die ausländische Rechtsordnung kein solches Anfechtungsrecht kennt. Sofern keine Rechtswahl getroffen wurde, würde es der Auslegung überlassen bleiben, welche Rechtsordnung für den Darlehensvertrag gilt. Eine nachträgliche Rechtswahl oder Abänderung der Rechtswahl kann unter Umständen nach § 133 InsO angefochten werden. 

Für Neuabschlüsse gilt, dass die Rechtswahl nicht rechtsmissbräuchlich sein darf, somit also nur für eine Rechtsordnung vorgenommen werden kann, in der die Darlehensgeberin ihren Sitz hat. 

Hat der Sachverhalt für rein innerdeutsche Darlehensverträge keine Auswirkung, so wird dennoch angenommen, dass eine entsprechende Entscheidung des EuGH das Ende des deutschen Rechts zum Gesellschafterdarlehen bedeuten könnte. Es wäre wohl nicht vermittelbar, dass dieses Recht durch Einschaltung ausländischer Finanzierungsgesellschaften umgangen werden kann, während z.B. der deutsche Alleingesellschafter weiter in der Haftung steht.

Nicht ändern wird sich die nach deutschem Recht bestehende Nachrangigkeit der Forderung aus Gesellschafterdarlehen. Denn diese Rechtsfolge wird nicht durch eine vertragliche Regelung bestimmt, sondern stellt eine Regelung über die Verteilung der Insolvenzmasse dar und unterfällt eindeutig dem Recht des Eröffnungsstaates, vgl. Art. 7 Abs.2 lit. i) EuInsVO.

(BGH, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 16.1.2025 – IX ZR 229/23)

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