Anfechtungsgefahr bei „Doppelsicherheit“ für Gesellschafterdarlehen
Die Konstellation der sog. Doppelsicherheiten, bei denen die später insolvente Gesellschaft der Darlehensgeberin (zumeist eine Bank) eine Sicherheit gibt (z.B. Globalzession) und andererseits der Gesellschafter sich verbürgt, sind in der Praxis häufig anzutreffen und auch regelmäßiger Gegenstand von veröffentlichter Rechtsprechung. Ernst wird die Situation für den bürgenden Gesellschafter jedenfalls dann, wenn innerhalb eines Jahres nach Rückzahlung des Darlehens aus Gesellschaftsmitteln eine Insolvenz beantragt werden muss. Im Normalfall kann er sich nicht gegen eine Anfechtung in Höhe der Beträge wehren, die zur Befriedigung des Gläubigers aus dem Gesellschaftsvermögen weggegeben werden und die innerhalb seines Haftungsrahmens liegen.
Umstritten war bisher die Frage, ob eine Anfechtung auch dann möglich ist, wenn der Gesellschafter auf andere Weise als durch Leistung, z.B. weil der Bürgschaftsanspruch der Bank verjährte, in Anspruch genommen werden kann. Diese Frage hat nunmehr der BGH geklärt.
Sachverhalt
Der Beklagte war geschäftsführender Alleingesellschafter der Insolvenzschuldnerin. Die C-Bank gewährte der Insolvenzschuldnerin ein Darlehen. Zu dessen Absicherung übernahm der Beklagte eine Höchstbetragsbürgschaft über 200 TEUR, die Insolvenzschuldnerin trat im Rahmen einer Globalzession sämtliche Forderungen aus Warenlieferung und Leistung an die Bank ab. Die Bank nahm den Beklagten in Höhe von 143 TEUR aus der Bürgschaft in Anspruch. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (2012) und Verjährung des Bürgschaftsanspruches der C-Bank gegen den Gesellschafter (2017) leitete der klagende Insolvenzverwalter einen Betrag in Höhe von 30 TEUR aus der Globalzession an die Bank weiter (2018). Diesen Betrag verlangt er nun vom Beklagten ersetzt. Der Beklagte verteidigt sich u.a. damit, dass er nicht durch Leistung der Insolvenzmasse von der Bürgschaftsverpflichtung frei geworden sei, sondern, weil dieser Anspruch verjährt sei. Zudem sei in dem Anspruch ein hoher Anteil an Verzugszinsen enthalten, die darauf beruhen, dass der Insolvenzverwalter die der Globalzession unterliegenden Ansprüche verspätet verwertet und an die Bank ausgekehrt habe (vgl. § 169 InsO). Hierfür müsse er jedenfalls nicht einstehen.
Entscheidung
Der BGH gibt dem Insolvenzverwalter Recht. Anfechtungsgegenstand sei die Befreiung des Gesellschafters von seiner eigenen Bürgschaftsverpflichtung. Vorwerfbares Verhalten sei der Umstand, dass der Gesellschafter nicht in unverjährter Zeit dafür gesorgt habe, dass die C-Bank befriedigt wird (bis zur Höhe seiner Bürgschaftsverpflichtung bzw. bis zur Höhe der offenen Darlehensschuld), so dass das Gesellschaftsvermögen hierfür nicht in Anspruch genommen werden muss. Auch hinsichtlich des Einwandes, jedenfalls für die Verzögerungszinsen habe der Beklagte nicht einzustehen, ist der Senat auf der Seite des Insolvenzverwalters. Der Umfang des Anfechtungsanspruches nach §§ 135 Abs.2, 143 Abs.3 InsO richte sich nach dem Betrag, den die Masse aufwenden muss, um den Darlehensanspruch zu befriedigen. Letztendlich geht der BGH wohl davon aus, dass der Gesellschafter selbst für eine ausreichende Befriedigung des Gläubigers rechtzeitig sorgen könnte, so dass er mit diesem Einwand abgeschnitten ist.
Praxishinweis
Sobald Gesellschafter sich zusätzlich zu Sachsicherheiten der Gesellschaft persönlich verbürgen, ist grundsätzlich darauf zu achten, dass die Befriedigung der Darlehensgeber vorrangig aus dem Vermögen der Gesellschafter erfolgt. Derzeit gilt dies jedenfalls für den Zeitraum, innerhalb eines Jahres vor Antragstellung (unabhängig von einer Krise der Gesellschaft im Zeitpunkt der Befriedigung) und wie der hiesige Fall zeigt, sofern im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens das Darlehen noch nicht zurückgezahlt wurde, auch später. Ob die Anfechtbarkeit auch auf eine Befriedigung innerhalb eines Zeitraumes der letzten zehn Jahre vor Antragstellung auszudehnen sei, lässt der Senat in dieser Entscheidung offen.
BGH, Urteil vom 09. Dezember 2021 – IX ZR 201/20 –