Anzuwendender Zinssatz bei Kapitalisierung von auf den Pensions-SicherungsVerein VVaG (PSV) übergegangenen Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung in der Insolvenz des Arbeitgebers
Nach § 9 Abs. 2 BetrAVG gehen Ansprüche oder Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gegen den insolventen Arbeitgeber, die einen Anspruch gegen den PSV als Träger der Insolvenzsicherung begründen, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den PSV über. Die übergegangenen Anwartschaften werden im Insolvenzverfahren als unbedingte Forderungen nach § 45 InsO geltend gemacht. Soweit solche Versorgungsansprüche noch nicht fällig sind, fingiert § 41 Abs. 1 InsO ihre Fälligkeit. Diese Ansprüche sind daher zu kapitalisieren, wobei der in der sofortigen Fälligkeit liegende Vorteil durch Abzinsung des Kapitalbetrags ausgeglichen werden muss. Insoweit war bislang streitig, welcher Zinssatz hierbei anzuwenden ist. Das hat das BAG nun zugunsten des gesetzlichen Zinssatzes iHv. 4 % (§ 246 BGB) entschieden.
Der Streitfall
Die insolvente Arbeitgeberin hatte ihren Arbeitnehmern Betriebsrentenzusagen als unmittelbare Versorgungszusagen erteilt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen hatte der klagende PSV im Januar 2018 auf ihn übergegangene Forderungen aus diesen Zusagen im Insolvenzverfahren zur Feststellung angemeldet. Gestützt auf ein versicherungsmathematisches Gutachten bezifferte der PSV die Summe dieser mit € 287.886. Dem lag ein Abzinsungssatz von 3,74 Prozent zugrunde, was dem handelsbilanzrechtlich nach § 253 Abs. 2 S. 2 und 4 HGB iVm. § 1 S. 1 der Rückstellungsabzinsungsverordnung für die Abzinsung von Pensionsrückstellungen – optional anwendbaren – Zinssatz für Oktober 2017 entsprach.
Der beklagte Insolvenzverwalter erkannte den angemeldeten Betrag bis auf € 3.833,- an; diese Differenz resultierte aus dem von ihm ebenfalls auf Grundlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens angesetzten Abzinsungssatzes von 4% gem. § 246 BGB. Hierauf erhob der PSV gegen den Verwalter Forderungsfeststellungsklage.
Die Entscheidung des BAG für den gesetzlichen Zinssatz gem. § 246 BGB
Die Fiktion der Fälligkeit gem § 41 Abs. 1 InsO gelte auch für monatlich zu zahlende Betriebsrentenforderungen. Die auf den PSV übergegangenen Forderungen seien wiederkehrende Leistungen iSv. § 46 S.2 InsO, deren monatlicher Betrag zwar bestimmt, ihre Dauer aber unbestimmt sei, weil die Laufzeit der Betriebsrente ungewiss sei. § 46 S. 2 InsO verweise bei solchen wiederkehrenden Leistungen auf eine entsprechende Anwendung von § 45 S. 1 InsO. Die sofort fällig gestellten Forderungen seien daher einschließlich eines Ausgleichs für den Vorteil der sofortigen Fälligstellung sämtlicher künftiger Betriebsrentenansprüche zu schätzen. Dieser Vorteil des PSV sei im Rahmen der Forderungsbewertung durch Abzinsung zu berücksichtigen. Insoweit ergebe die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften, dass diese Abzinsung mit dem gesetzlichen Zinssatz zu erfolgen habe, § 41 Abs. 2 S.1 InsO iVm. § 246 BGB. Der Gesamtzusammenhang lege es nahe, die §§ 41 Abs. 2 S. 1 und 46 S. 1 InsO als allgemein anzuwendenden Grundsatz zu werten, wonach der gesetzliche Zinssatz in allen Fällen als Abzinsungszinssatz maßgebend ist, in denen der Vorteil vorzeitiger Fälligkeit auszugleichen sei. Dies bestätige Sinn und Zweck der Regelungen. Der Grundsatz gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung bzw. der Gleichbehandlung der Gläubiger erfordere die Anwendung eines einheitlichen Abzinsungsfaktors. Zugleich werde damit Rechtssicherheit geschaffen und einem möglichen Streit darüber vorgegriffen, welcher Zins der „richtige“ sei, um Anlagemöglichkeiten des Gläubigers am Markt zu berücksichtigen. Überdies sei es unbillig, wiederkehrende Leistungen mit bestimmtem Betrag von unbestimmter Dauer hinsichtlich der Abzinsung anders zu behandeln als solche von bestimmter Dauer. Soweit nach der Rechtsprechung des BGH zum Scheidungsverfahren der Wert einer Versorgungsanwartschaft bei externer Teilung im Versorgungsausgleich unter Zugrundelegung eines anderen Zinsfußes abgezinst werde, sei diese Konstellation mit der spezifische Rechts- und Interessenlage der Beteiligten im Insolvenzverfahren nicht vergleichbar.
Fazit
Das Urteil schafft für die Praxis unter der InsO Klarheit und damit Rechtssicherheit jedenfalls für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Die frühere Spruchpraxis des BAG zur Konkursordnung, wonach ein Abzinsungssatz iHv. 5,5% nicht zu beanstanden sei (Urt. v. 11.10.1988, 3 AZR 295/87), ist für die InsO obsolet. Für die Abzinsung des Barwerts von Pensionsverpflichtungen ist der pauschale gesetzliche Zinssatz gemäß § 246 BGB in Höhe von 4 % zu verwenden. Insolvenzverwalter werden Forderungsanmeldungen mit einem darunter liegenden Zinssatz bestreiten.
Gleiches sollte aber auch für künftige Entscheidungen der ordentlichen Gerichte im Streit um die Berechnung von Versorgungsansprüchen im Insolvenzfall gelten. Das OLG Köln (Urt.v. 26.11.2003, 5 U 72/03) hatte sich argumentativ an das frühere Urteil des BAG zur KO angelehnt, so jedenfalls i.E. auch ohne weitere Ausführungen das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 27.9.2012, 2 U 160/11, beide in Individualstreitigkeiten um Sicherungsrechte für vom insolventen Arbeitgeber erteilte Pensionszusagen des insolventen Arbeitgebers beide hatten.