Januar 2023 Blog

Aufwind für die erneuerbaren Energien im Baugesetzbuch

Mit Änderungen des Baugesetzbuchs (BauGB) gehen erweiterte Zulassungsmöglichkeiten für Anlagen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien einher. Insbesondere wird in bestimmten Bereichen die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen ohne vorhergehendes Bebauungsplanverfahren möglich.

Hintergrund

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat im vergangen Jahr zahlreiche Vorhaben Gesetz werden lassen, die dem Ziel des beschleunigten Ausbaus erneuerbarer Energien zuzuordnen sind. Stets sollte dem Problem gefährdeter Versorgungssicherheit entgegengetreten werden. Auch das Öffentliche Baurecht bildet ein Scharnier, um die Energiekrise zu bewältigen. Dies haben die regierungstragenden Fraktionen bereits in der Vergangenheit erkannt: Das aus dem Sommer 2022 stammende Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) wurde schon mit detaillierten Regeln in § 249 BauGB ergänzt. Diese sind ab dem 1. Februar 2023 geltendes Recht.

Überblick zu den Änderungen

Auch die mit dem „Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen erneuerbarer Energien im Städtebaurecht“ bedingten Änderungen sind den Bemühungen zum Umbau der Energieversorgung und der Beförderung energiepolitischer Unabhängigkeit zuzuordnen. Während das WindBG noch das Problem mangelnder Flächenverfügbarkeit adressierte, griff der Gesetzgeber nunmehr hauptsächlich auf das bewährte Mittel baurechtlicher Privilegierung zurück. Die Änderungen sind größtenteils seit dem 1. Januar 2023 geltendes Recht. Die Novelle verschreibt sich einem dreifachen Ziel: der Ausbau von Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) soll beschleunigt, die Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien unterstützt und die Nutzung von Windkraft und Biomasse verbessert werden.

Zu den Einzelheiten der Novelle

Die auf den Außenbereich beschränkte Privilegierung für Freiflächen-PV-Anlagen entlang von Autobahnen und Schienenwegen stellt die wichtigste Neuerung dar (dazu 1.). Auch die Erzeugung von grünem Wasserstoff wird privilegiert (dazu 2.). Eine Verordnungsermächtigung ermöglicht, bestehende Braunkohletagebauflächen leichter für Windenergie- und PV-Projekte nutzbar zu machen (dazu 3.). Schließlich wird das Verbot der optisch bedrängenden Wirkung für Windenergieanlagen gesetzlich klargestellt (dazu 4.).

1. Bisher war die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen nur aufgrund eines Bebauungsplans zulässig. Hier hat der Gesetzgeber mit einer Ergänzung des § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB um den Buchstaben b) geregelt, dass solche Anlagen nun im Außenbereich auf Flächen längs von Autobahnen und von mit zwei Hauptgleisen ausgebauten Schienenwegen in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200m privilegiert zulässig sind. Nunmehr kann direkt, d.h. ohne vorheriges Bebauungsplanverfahren, die Baugenehmigung für entsprechende Anlagen beantragt werden. Zusätzlich gewährleistet der Gesetzgeber eine Verzahnung des Städtebaurechts mit den Fördermöglichkeiten aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 (EEG 2023): Die Förderkulisse für die Festvergütung in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EEG 2023 berücksichtigt nunmehr die Flächenangabe aus § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB. Auch § 37 EEG 2023, eine Vorschrift über die Teilnahme an Ausschreibungen für Solaranlagen des ersten Segments, wurde an die neue Rechtslage im BauGB angepasst.

2. § 249a-neu BauGB enthält eine Sonderregelung für Vorhaben zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Durch den damit angesprochenen Elektrolyseur wird überschüssiger Strom in Zeiten hohen Windaufkommens zur Produktion von Wasserstoff genutzt. Es entsteht „grüner Wasserstoff“. Das Verfahren beugt damit der Begrenzung bzw. Abregelung von Windenergieanlagen vor. Die neue Regel nimmt an der Systematik des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB – der bestehenden Privilegierung von Vorhaben, die der „Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie“ dienen – Anteil. Auf ein Vorhaben, das der Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff dient und in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einer Anlage zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie steht, wird die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erstreckt. Dies geschieht allerdings nicht voraussetzungslos. So darf die Grundfläche der Elektrolyseure 100qm nicht überschreiten. Außerdem muss durch eine technische Vorkehrung sichergestellt sein, dass der Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird – eine lediglich bilanzielle Verrechnung von andernorts eingespeisten Strommengen zum Betrieb des Elektrolyseurs genügt dem nicht.

3. § 249b-neu BauGB enthält eine Ermächtigung der Landesregierung, die durch Rechtsverordnungen bestimmen können, dass ehemalige Abbauflächen des Braunkohletagebaus ohne große Umschweife für Windenergie- und PV-Anlagen bereitstehen. Werden die ehemaligen Abbauflächen ausschließlich für Windenergie-Anlagen ausgewiesen, werden die Flächenwerte auf die Flächenziele nach dem WindBG nur mit dem Faktor 0,5 angerechnet.

4. § 249 Abs. 10-neu BauGB definiert erstmals, ab welchem Abstand der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung bei einer Windenergie-Anlage und den Drehbewegungen des Rotors anzunehmen ist. In der Regel wird zukünftig eine optisch bedrängende Wirkung abzulehnen sein, wenn der Abstand zwischen der zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken und dem Fuß der Windenergie-Anlage mindestens der zweifachen (Gesamt-)Höhe der Windenergie-Anlage entspricht. Das Oberverwaltungsgericht Münster nahm seit 2006 ständig an, dass der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraft-Anlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe betragen müsse, um eine optisch bedrängende Wirkung auszuschließen. In dem Fall des zwei- bis dreifachen Abstandes verlangte das Gerichte eine „besonders intensive Prüfung des Einzelfalls“ Diese Rechtsprechung, die auch die Entscheidungsfindung andernorts anleitete, wird unter Hinweis auf § 249 Abs. 10-neu BauGB zu korrigieren sein.

 

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