Februar 2024 Blog

Chinas neues Gesellschaftsgesetz: Ein Leitfaden für Investoren

Einführung

Am 29. Dezember 2023 verabschiedete der Ständige Ausschuss des 14. Nationalen Volkskongresses der VR China eine in wesentlichen Teilen überarbeitete Fassung des Gesellschaftsgesetzes ("Gesellschaftsgesetz 2024"). Die Änderungen werden am 1. Juli 2024 in Kraft treten. Während einige Änderungen lediglich bestehende gerichtliche Auslegungen und behördliche Praktiken kodifizieren, werden mehrere neue Bestimmungen erhebliche Auswirkungen auf den gesellschaftsrechtlichen Rahmen haben, in dem Unternehmen in der VR China tätig sind.

Dieser Beitrag skizziert die wesentlichen Änderungen für die von ausländischen Investoren überwiegend genutzte Gesellschaftsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Vergleich zur Rechtslage seit der letzten Novelle 2018 ("Gesellschaftsgesetz 2018"). Im Mittelpunkt stehen dabei die neuen Regelungen zur Kapitaleinlage (siehe Abschnitt II.), die Änderungen zur Corporate Governance (siehe Abschnitt III.), die neuen Bestimmungen zu Anteilsveräußerungen (siehe Abschnitt IV.) sowie die erweiterte Haftung von Entscheidungsträgern im Unternehmen (siehe Abschnitt V.).

Kapitaleinlage

Das Gesellschaftsgesetz 2024 verschärft die Vorschriften zur Eigenkapitalfinanzierung und erweitert die damit verbundenen Haftungsfelder.

Kürzere Frist zur Kapitaleinlage
Das Regelwerk für Kapitaleinlagen in China hat mehrere Änderungsrunden durchlaufen. In der letzten Runde in 2018 wurden alle Mindestbeträge und Zahlungsfristen abgeschafft, wodurch der Gläubigerschutz stark verringert wurde.

Das Gesellschaftsgesetz 2024 geht in Art. 47 dieses Problem an, indem es von den Investoren neu gegründeter Gesellschaften nunmehr eine vollständige Stammkapitalaufbringung innerhalb eines Zeitraums von höchstens 5 Jahren verlangt. Diese Frist gilt auch für spätere Kapitalerhöhungen.

Für bestehende Gesellschaften mit Einzahlungsfristen von mehr als 5 Jahren müssen Anpassungen an die neu festgelegte Frist vorgenommen werden. Die zuständigen Registrierungsbehörden sind zudem ermächtigt, bei erheblichen Abweichungen proaktiv Anpassungen zu verlangen. Konkrete Umsetzungsmaßnahmen hierzu sind jedoch vom Staatsrat noch nicht erlassen worden. Die Änderungen können mitunter auch eine Herabsetzung des Stammkapitals eines Unternehmens erforderlich machen, um die Einlageverpflichtungen an die tatsächliche Finanzkraft der Investoren anzupassen.

Gemeinsame Haftung bei Gründung
Das Gesellschaftsgesetz 2024 führt in Art. 50 eine gesamtschuldnerische Haftung für die anderen Gründungsgesellschafter ein, wenn ein Gesellschafter einer neu gegründeten Gesellschaft seine Einlage nicht vollständig erbringt. Im Gegensatz zur Bestimmung im Gesellschaftsgesetz 2018, die die Mithaftung auf Fälle der Überbewertung von Sacheinlagen beschränkte, dehnt die neue Vorschrift den Geltungsbereich auf Fälle der (teilweisen) Nichteinzahlung von Bareinlagen aus.

Im Einklang mit früheren Leitlinien und Auslegungen der Gerichte im Rahmen des Gesellschaftsgesetzes 2018 ist diese gemeinsame Haftung auf die Gründungsgesellschafter beschränkt. Folglich tragen Anteilseigner, die der Gesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt beitreten, sei es im Wege der Kapitalerhöhung oder durch die Übertragung von Anteilen, keine solche gemeinschaftliche Haftung.

In der gerichtlichen Praxis war bislang zudem anerkannt, dass die gemeinschaftliche Haftung der Gründungsgesellschafter auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen bestehen bleibt. Der Wortlaut von Art. 50 deutet auch in dieser Hinsicht auf eine Fortführung der bestehenden Rechtslage hin.

In Anbetracht der Bedeutung dieser Aspekte im Zusammenhang mit M&A Transaktionen ist es geboten, die weitere Rechtsprechung und den möglichen Erlass von Durchführungsbestimmungen genau zu beobachten.

Beschleunigte Kapitalzufuhr im Falle unzureichender Liquidität
Das Gesellschaftsgesetz 2024 erweitert in Art. 54 die Rechte der Gläubiger, von den Gesellschaftern einer Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen, eine vorzeitige Kapitaleinlage zu verlangen. Während die bestehenden richterlichen Leitlinien und Auslegungen bereits ähnliche Konzepte enthielten, erweitert Art. 54 den persönlichen Anwendungsbereich. Nunmehr können nicht nur die Gläubiger einer Gesellschaft sondern auch die Gesellschaft selbst die Einzahlung von den Gesellschaftern verlangen.

Außerdem vereinfacht das neue Gesetz die Bedingungen, unter denen eine vorzeitige Einzahlung verlangt werden kann, erheblich. Bisher war für den Antrag entweder die faktische Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (ohne Einleitung eines Insolvenzverfahrens) oder eine Verlängerung der Fristen für die Kapitaleinlage nach der Entstehung der Verbindlichkeit erforderlich. Nach dem neuen Gesetz genügt nunmehr die "Unfähigkeit" des Unternehmens, die Verbindlichkeiten zu begleichen.

Um zu verhindern, dass die gesetzlichen Fristen für die Kapitaleinlage in Zukunft weiträumig unterlaufen werden, bedarf es jedoch einer weiteren Klärung durch Gerichte hinsichtlich der genauen Auslegung des Begriffs "Unfähigkeit".

Was den Umfang der Forderung nach einer vorzeitigen Einlage betrifft, so scheint der Wortlaut von Art. 54 zu implizieren, dass die Gläubiger das Recht haben, die gesamte ausstehende Kapitaleinlage eines Gesellschafters zu verlangen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Gerichte dies auf eine Einlage in Höhe des Anspruchs des jeweiligen Gläubigers beschränken werden.

Nachhaftung im Falle von Anteilsveräußerungen
Die derzeitige Rechtsprechung verlangt von den Erwerbern eines noch nicht voll einbezahlten Anteils, dass sie innerhalb der in der Satzung festgelegten Frist ihre Stammeinlagen leisten. Das Gesellschaftsgesetz 2024 bietet nunmehr in Art. 88 eine gesetzliche Entsprechung dieser Rechtsprechung und führt eine zusätzliche nachträgliche Mithaftung für den veräußernden Anteilseigner ein, wenn der Erwerber seiner Kapitaleinlageverpflichtung nicht nachkommt. Während die Gerichte der VR China eine solche Nachhaftung bisher nur in Fällen offensichtlicher Gläubigerbenachteiligung anerkannten, erweitert das neue Gesetz somit den Anwendungsbereich.

Aus Sicht des Verkäufers ist es bei M&A Transaktionen damit empfehlenswert, zusätzliche (entschädigungspflichtige) Verpflichtungen des Erwerbers zur fristgerechten Einlageleistung zu vereinbaren. Ein weiterer Ansatz für die Verkäufer könnte auch darin bestehen, auf einer vollständigen Kapitaleinlage vor der Anteilsübertragung zu bestehen. In diesem Fall muss der erhöhte Cashbestand des Zielunternehmens bei der Bewertung des verkauften Anteils berücksichtigt werden.

Darüber hinaus bekräftigt Art. 88 die bestehende Rechtslage in Bezug auf die gesamtschuldnerische Haftung für den Fall, dass der Verkauf nach Ablauf der Einlagefrist erfolgt. In solchen Fällen haften sowohl der Verkäufer als auch der Käufer gesamtschuldnerisch für einen etwaigen Fehlbetrag. War der Käufer jedoch in Unkenntnis der Umstände (es sei denn, es liegt grob fahrlässige Unkenntnis vor), haftet allein der Verkäufer.

Ausschluss von Gesellschaftern wegen Verletzung der Einlageverpflichtung
Das Gesellschaftsgesetz 2024 führt in Art. 52 ein Verfahren für den zwangsweisen Ausschluss eines Gesellschafters ein, der trotz schriftlicher Aufforderung keine satzungsgemäße Kapitaleinlage leistet (unter Berücksichtigung der neuen Höchstfristen). Lässt der Gesellschafter die in der schriftlichen Aufforderung enthaltene Nachfrist (von mindestens 60 Tagen) verstreichen, kann das Board of Directors den zwangsweisen Ausschluss des Gesellschafters beschließen. Dieser kann erfolgen durch Übertragung der Anteile des ausgeschlossenen Gesellschafters auf einen anderen Gesellschafter oder durch herabsetzung der Stammkapitals der Gesellschaft. Der ausgeschlossene Gesellschafter hat das Recht, sich innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Ausschlussmitteilung vor einem Gericht zu verteidigen.

In dieser Hinsicht bringt Art. 52 eine Reihe von Abweichungen von der bisherigen Rechtsprechung mit sich. Eine wesentliche Änderung betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen und den Umfang des Zwangsausschlusses. Die bisherige Rechtsprechung galt ausschließlich für den Fall der vollständigen Nichterfüllung der Einlageverpflichtung durch den Gesellschafter (oder der vollständigen Rückzahlung der Einlage) und sah folglich den vollständigen Ausschluss des Gesellschafters vor. Art. 52 greift auch im Fall einer teilweisen Nichterfüllung und sieht folglich die Möglichkeit eines teilweisen Ausschlusses des Gesellschafters vor, d.h. beschränkt auf den nicht eingezahlten Teil seines gezeichneten Kapitals.

Darüber hinaus war nach der früheren Rechtsprechung ein Beschluss der Gesellschafterversammlung für einen solchen Ausschluss erforderlich. Das neue Gesetz verlagert diese Befugnis und Verantwortung auf das Board of Directors. Diese Änderung steht im Einklang mit dem erweiterten Pflichtenkatalog, den das neue Gesetz dem Board of Directors zum Schutz des Stammkapitals zuweist (siehe auch Abschnitt V für weitere Einzelheiten). Im Gegensatz zu den bisherigen richterlichen Vorschriften gibt es nun eine 30-tägige Frist für den ausgeschlossenen Gesellschafter, um rechtliche Schritte gegen den Ausschluss einzuleiten, was zu einer schnelleren Rechtssicherheit beiträgt - eine zu begrüßende Entwicklung.

Corporate Governance

Erweiterte Optionen bezüglich der Corporate Governance
Das Gesellschaftsgesetz 2024 bietet Investoren mehr Optionen für die Ausgestaltung der Corporate Governance einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In Anbetracht der am 31. Dezember 2024 ablaufenden Übergangsfrist unter dem Gesetz über ausländische Investitionen, das wesentliche Änderungen des rechtlichen Rahmens für ausländisch-investierte Unternehmen (insbesondere chinesisch-ausländische Joint-Venture-Unternehmen) mit sich brachte, bietet sich diese Gelegenheit an, die erforderlichen Änderungen gemeinsam anzugehen.

Im Folgenden möchten wir die wichtigsten Änderungen im Rahmen des Gesellschaftsgesetzes 2024 hervorheben:

Gesetzlicher Vertreter
Der gesetzliche Vertreter spielt in einem chinesischen Unternehmen eine herausragende Rolle. Es handelt sich um die Person, die gesetzlich befugt ist, das Unternehmen durch ihre Unterschrift zu vertreten (daneben werden Gesellschaften in China typischerweise durch Anbringung des Firmenstempels vertreten). Die Unterschrift des gesetzlichen Vertreters ist in einigen Bereichen obligatorisch, insbesondere bei bestimmten Bankgeschäften und behördlichen Verfahren.

Gegenwärtig konnte die Funktion des gesetzlichen Vertreters nur dem Vorsitzenden des Board of Directors/dem Exekutivdirektor (d.h. dem alleinigen Direktor, wenn kein Board of Director existiert) oder dem Geschäftsführer übertragen werden. Gemäß Art. 10 des Gesellschaftsgesetzes 2024 (trotz einiger Unklarheiten im Wortlaut der entsprechenden Bestimmung) kann neben den oben genannten Positionen nun auch jedes andere Mitglied des Board of Directors die Rolle des gesetzlichen Vertreters übernehmen.

Aufsichtsorgane
Nach dem Gesellschaftsgesetz 2018 mussten Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein internes Aufsichtsorgan einrichten. Dies konnte entweder in Form eines Aufsichtsgremiums (mit mindestens drei Mitgliedern) oder - ausschließlich für GmbHs mit einer geringen Anzahl von Gesellschaftern oder einer geringen Größe - durch die Ernennung von einem (oder zwei) Aufsichtspersonen erfolgen.

Das Gesellschaftsgesetz 2024 schränkt in Art. 83 diese Möglichkeiten nunmehr ein, indem es entweder ein Aufsichtsgremium oder nur eine Aufsichtsperson zulässt. Das Gesetz trägt zudem der häufig geäußerten Kritik Rechnung, dass die Befugnisse und die Funktion dieser Aufsichtsorgane nur auf dem Papier bestehen. Das neue Gesetz ermöglicht es daher GmbHs mit einer kleinen Anzahl von Gesellschaftern oder einer geringen Größe, dieses Aufsichtsorgan ganz abzuschaffen.

In der Vergangenheit haben sich Joint Ventures mit in- und ausländischen Partnern häufig dafür entschieden, zwei Aufsichtspersonen zu bestellen (beide Parteien durften jeweils eine Person nominieren), anstatt ein Aufsichtsgremium zu bilden. Da das neue Gesetz die Bestellung von zwei Aufsichtspersonen nicht mehr vorsieht, stehen viele bestehende Gemeinschaftsunternehmen vor der Frage, ob Anpassungen erforderlich sind, d.h. ob sie sich für ein Aufsichtsgremium oder eine einzelne Aufsichtsperson entscheiden sollen. Weitere Klarstellungen der zuständigen Registrierungsbehörden zu diesem Punkt sollten aufmerksam verfolgt werden.

Bemerkenswert ist auch die in Art. 69 neu vorgesehene Alternative zu den bestehenden Aufsichtsorganen in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Gesellschafter können sich nun dafür entscheiden, einen "Prüfungsausschuss" innerhalb des Board of Directors einzurichten, der dann die Funktion des Aufsichtsgremiums/der Aufsichtsperson übernimmt und diese ersetzt.

Die Entscheidung, ob ein Aufsichtsgremium/eine Aufsichtsperson oder ein Prüfungsausschuss eingerichtet werden soll, wird auch vom Umgang des Unternehmens mit den erweiterten Vorgaben zur Arbeitnehmervertretung in chinesischen Gesellschaften abhängen (hierzu im nächsten Unterabschnitt 2. mehr - dort findet sich auch ein grafischer Überblick über die verschiedenen neuen Strukturierungsmöglichkeiten für Gesellschaften mit beschränkter Haftung).

Erweiterte Arbeitnehmermitbestimmung
Das Gesellschaftsgesetz 2024 soll die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in chinesischen Unternehmen stärken. Neben erweiterten Verpflichtungen zur Einrichtung und Ausstattung von Arbeitnehmervertretungen sieht das Gesellschaftsgesetz 2024 auch die obligatorische Beteiligung von Arbeitnehmervertretern in den Gesellschaftsorganen bestimmter Gesellschaften mit beschränkter Haftung vor.

Im Gegensatz zum Gesellschaftsgesetz 2018, das Arbeitnehmervertreter im Board of Directors nur für Unternehmen mit mindestens zwei staatlichen Anteilseignern zwingend vorsah, stellt das Gesellschaftsgesetz 2024 in Art. 68 nunmehr ausschließlich auf die Anzahl der Arbeitnehmer in einem Unternehmen ab.

Dementsprechend muss dem Board of Directors von Gesellschaften mit 300 oder mehr Arbeitnehmern mindestens ein Arbeitnehmervertreter angehören, es sei denn, in dem Unternehmen existiert ein Aufsichtsgremium, dem auch Arbeitnehmervertreter angehören.

Mit anderen Worten: Wenn ein Unternehmen ein Aufsichtsgremium bildet, in dem mindestens ein Drittel der Mitglieder Arbeitnehmervertreter sind (unabhängig von der Gesamtzahl der Beschäftigten im Unternehmen), besteht keine Verpflichtung, einen Arbeitnehmervertreter in das Board of Directors aufzunehmen.

Während das Aufsichtsgremium (das aus mindestens drei Mitgliedern besteht) in der Vergangenheit bei vielen Investoren nicht sehr beliebt war (sie haben sich stattdessen meist für die Ernennung eines oder zwei einzelner Aufsichtspersonen entschieden), könnte sich dies in Zukunft durchaus ändern, um eine Vertretung der Arbeitnehmer auf der Ebene des Board of Directors zu vermeiden.

Bislang nicht abschließend geklärt ist, ob ein Unternehmen mit einer geringen Zahl von Gesellschaftern oder einer geringen Größe, aber 300 oder mehr Beschäftigten die oben genannte Regel umgehen kann, indem es sich auf das Wahlrecht beruft, das in zwei weiteren Bestimmungen (Art. 75 und 83) vorgesehen ist. Danach steht es Gesellschaften mit einer geringen Anzahl von Gesellschaftern oder einer geringen Größe grundsätzlich frei, statt eines Board of Directors einen sog. Exekutivdirektor und statt eines Aufsichtsgremiums nur eine einzelne Aufsichtsperson zu ernennen (oder sogar ganz auf ein Aufsichtsorgan zu verzichten). Würde eine Gesellschaft von diesen Wahlmöglichkeiten kumulativ Gebrauch machen, entfiele die Möglichkeit, einen Arbeitnehmervertreter sowohl in das Board of Directors als auch in das Aufsichtsgremium aufzunehmen. Es kann durchaus argumentiert werden, dass zur Sicherung der Arbeitnehmermitbestimmung der neue Art. 68 Vorrang hat und damit dem obigen Szenario entgegensteht, indem er die Einrichtung mindestens eines dieser Gesellschaftsorgane zwingend vorschreibt (d.h. Arbeitnehmervertreter müssen auf die eine oder andere Weise einbezogen werden). Hier bedarf es jedoch weiterer Konkretisierung durch die Gerichte und Behörden.

Das neue Gesetz lässt zudem eine Reihe weiterer Fragen offen. So ist beispielsweise unklar, ob die Zahl der in das Board of Directors berufenen Arbeitnehmervertreter mit der Gesamtzahl der Beschäftigten im Unternehmen korrelieren muss. Außerdem gibt es Unklarheiten bei der Berechnung der Zahl der Beschäftigten, z. B. ob Arbeitnehmer von verbundenen Unternehmen oder Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden müssen. Schließlich sind auch die Kriterien für die Eignung als „Arbeitnehmervertreter“ im Sinne dieser Bestimmung unklar. Diesbezüglich sollte die künftige Anwendungspraxis der Behörden genau beobachtet werden.

Die folgenden Grafiken veranschaulichen die verschiedenen Strukturoptionen für unterschiedliche Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass in Bezug auf einige Aspekte noch eine abschließende Klärung durch die Registrierungsbehörden und Gerichte abzuwarten ist.

Anmerkungen:
* GmbHs mit wenigen Gesellschaftern/geringem Umfang können auf die Einrichtung eines Aufsichtsorgans (Aufsichtsgremium/ Aufsichtsperson bzw. Prüfungsausschuss) in Gänze verzichten. Wie oben erörtert, gibt es bei GmbHs mit wenigen Gesellschaftern, aber 300 oder mehr Beschäftigten Kontroversen über die Notwendigkeit, Arbeitnehmervertreter im Board of Directors oder Aufsichtsgremium zu haben.
** Alternativ kann ein Board of Directors (mindestens 3 Mitglieder) eingerichtet werden.
*** Die Ernennung eines Geschäftsführers ist fakultativ.
*** Der Geschäftsführer kann gleichzeitig als Exekutivdirektor fungieren – auf diese Weise ließe sich die Struktur noch weiter vereinfachen.

 

Anmerkungen:
* Das Gesetz trifft keine Aussage, ob weniger als 300 Beschäftigte automatisch das Kriterium des "geringen Umfangs" erfüllt. Wir gehen hier davon aus, dass es Unternehmen gibt, die nicht in die Kategorie der kleinen Unternehmen fallen, aber weniger als 300 Beschäftigte haben.
** Grundsätzlich müssen GmbHs mit mehreren Gesellschaftern oder größerem Umfang sowohl ein Board of Directors als auch ein Aufsichtsgremium haben. Das Aufsichtsgremium (mindestens 3 Mitglieder, davon mindestens 1/3 Arbeitnehmervertreter) kann durch die Einrichtung eines Prüfungsausschusses ersetzt werden.

 

Anmerkungen:
* Grundsätzlich müssen solche GmbHs sowohl ein Board of Directors als auch ein Aufsichtsgremium einrichten und zudem Arbeitnehmervertreter haben, der/die entweder im Board of Directors oder im Aufsichtsgremium sitzen. Nunmehr kann gewählt werden zwischen Option A, der traditionelle Form, und Option B, einer neuen Variante, die das Aufsichtsgremium ersetzt, indem (i) ein oder mehrere Arbeitnehmervertreter in das Board of Directors berufen werden und (ii) ein Prüfungsausschuss eingerichtet wird.
** Wenn ein Aufsichtsgremium eingerichtet wird, muss laut Gesetz mindestens ein Drittel der Mitglieder Arbeitnehmervertreter sein.
*** Der/die Arbeitnehmervertreter im Board of Directors kann/können auch Mitglied des Prüfungsausschusses werden.

Erweiterte Informationsrechte für Gesellschafter
Um die Rechte von Minderheitsgesellschaftern zu stärken, erweitert Art. 57  Gesellschaftsgesetz 2024 die Informationsrechte der Gesellschafter in Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Gesellschafter können nun das Gesellschafterregister sowie alle Arten von geschäftsbezogenen Unterlagen und Belegen/Quittungen einsehen (zuvor war die Einsichtnahme auf die Geschäftsbücher beschränkt).

Darüber hinaus wird die Zulässigkeit der Beauftragung externer Berater ausdrücklich geregelt, so dass diese auch ohne die Anwesenheit eines Vertreters des Gesellschafters Zugang zu Finanzdaten und Geschäftsunterlagen erhalten dürfen. Diese Änderung erleichtert insbesondere ausländischen Mitgesellschaftern die Ausübung ihrer Informations- und Einsichtsrechte in chinesisch-ausländischen Joint-Venture-Gesellschaften.

Anteilsübertragungen

Abschaffung des Zustimmungserfordernisses
Das Gesellschaftsgesetz 2018 verlangte die Zustimmung der Mehrheit der Mitgesellschafter im Falle der Veräußerung von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung an einen Dritten. Die Zustimmung galt als erteilt, wenn ein Anteilseigner nicht innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Mitteilung über einen beabsichtigten Verkauf Einspruch erhob. Im Falle eines Widerspruchs war der betreffende Gesellschafter verpflichtet, die Anteile zu denselben Bedingungen zu erwerben, wie sie in der Übertragungsmitteilung festgelegt waren.

Das Gesellschaftsgesetz 2024 sieht in Art. 84 nunmehr anstelle des Zustimmungserfordernisses ein Vorkaufsrecht vor, das die Mitgesellschafter innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt einer Mitteilung über den beabsichtigten Verkauf ausüben müssen. Eine solche Mitteilung muss (mindestens) die Höhe des zu übertragenden Anteils, den Kaufpreis, die Zahlungsmethode und den entsprechenden Zeitrahmen für die Transaktion enthalten. Die Nichtausübung innerhalb dieser 30-Tage-Frist gilt als Verzicht auf das Vorkaufsrecht.

Auch wenn diese Änderungen in erster Linie dogmatischer Natur zu sein scheinen, wird die Anwendungspraxis der Registrierungsbehörden zeigen, ob das neue Konzept des Vorkaufsrechts künftige Anteilsübertragungen erleichtern wird.

Natürlich dürfte diese Änderung bei vielen bestehenden und künftigen Joint Ventures kaum Auswirkungen haben, da die Satzungen bzw. Gesellschaftervereinbarungen oft detaillierte Ausstiegsklauseln mit ausdrücklichen Zustimmungserfordernissen enthalten. Das Gesellschaftsgesetz 2024 lässt solche abweichenden Bestimmungen ausdrücklich zu.

Stärkung des Gesellschafterregisters
Art. 86 Gesellschaftsgesetz 2024 macht das Recht eines neuen Gesellschafter (der durch eine Anteilsübertragung in eine Gesellschaft eintritt), seine Gesellschafterrechte auszuüben, von der Eintragung in das Gesellschafterregisters der Gesellschaft (ein internes Unternehmensdokument) abhängig. Sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber haben das Recht, von der Gesellschaft die Aktualisierung des Gesellschafterregisters zu verlangen und können dieses Recht auch gerichtlich geltend machen.

Durch die Stärkung des Gesellschafterregisters wird dieses Dokument bei zukünftigen M&A-Transaktionen an Bedeutung gewinnen. Es bleibt abzuwarten, ob der Anwendungsbereich der Vorschrift von den Gerichten über ihren ausdrücklichen Wortlaut hinaus auch auf Gesellschaftereintritte im Wege der Kapitalerhöhung ausgedehnt wird.

Erweiterte Haftung von Entscheidungsträgern

Definition von Treuepflichten
Das Gesellschaftsgesetz 2024 führt in Art. 180 eine detailliertere Definition der Treuepflichten von Mitgliedern des Board of Directors, Aufsichtspersonen und leitenden Angestellten ein, die zuvor nur in allgemeiner Form umrissen waren. Das neue Gesetz behält die Unterscheidung zwischen Treue-/Loyalitäts- und Sorgfaltspflicht bei.

Die Treue-/Loyalitätspflicht verlangt von Mitgliedern des Board of Directors, Aufsichtspersonen und leitenden Angestellten, Maßnahmen zu ergreifen, um Konflikte zwischen ihren persönlichen Interessen und den Interessen des Unternehmens zu vermeiden. Außerdem ist es ihnen untersagt, ihre Befugnisse auszunutzen, um sich unzulässige Vorteile zu verschaffen.

Die Sorgfaltspflicht erfordert von Mitgliedern des Board of Directors, Aufsichtspersonen und leitenden Angestellten, dass sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die von einem umsichtigen Manager zu erwartende Sorgfalt walten lassen und im besten Interesse des Unternehmens handeln.

Dabei erweitert das Gesellschaftsgesetz 2024 den persönlichen Anwendungsbereich der Treuepflichten, indem es auch Aufsichtspersonen einbezieht. Darüber hinaus wurden die Beschränkungen für Geschäfte mit verbundenen Personen im Zusammenhang mit einer Verletzung der Treuepflichten erweitert. Das neue Gesetz deckt nun ausdrücklich Situationen ab, in denen Geschäfte nicht direkt von einem Mitglied der Unternehmensleitung, sondern von einer ihm nahestehenden Person (natürliche oder juristische Person) getätigt werden. Damit sollen die in der Praxis oft anzutreffenden Umgehungsgeschäfte verhindert werden.

Verpflichtungen in Bezug auf Kapitaleinlage und -instandhaltung
Wie bereits erwähnt, besteht eines der Ziele des neuen Gesetzes darin, das Stammkapital als Haftungsfonds für die Gläubiger des Unternehmens zu stärken. Als flankierende Maßnahmen zu den erweiterten Verpflichtungen der Gesellschafter erweitert das Gesetz auch die Verantwortlichkeiten des Board of Directors und die damit verbundenen Haftungsrisiken.

Gemäß Art. 51 des Gesellschaftsgesetzes 2024 obliegt es nun dem  Board of Directors, die Kapitaleinlage der Gesellschafter zu prüfen und im Falle einer verspäteten oder nicht vollständigen Einzahlung die Kapitaleinlage im Namen der Gesellschaft vom entsprechenden Gesellschafter aktiv einzufordern. Kommt das  Board of Directors  dieser Verpflichtung nicht nach, so haften die Mitglieder für die daraus resultierenden Verluste der Gesellschaft.

Darüber hinaus begründet das neue Gesetz eine ausdrückliche Haftung von Mitgliedern des Board of Directors, Aufsichtspersonen und leitenden Angestellten im Zusammenhang mit der unrechtmäßigen Rückzahlung oder Veruntreuung von Stammeinlagen, eine Bestimmung, die bereits in den richterlichen Vorschriften und der gerichtliche Praxis etabliert war.

Schlussfolgerung

Die Neufasssung des Gesellschaftsgesetzes bringt eine Reihe sinnvoller Änderungen im Vergleich zum bisherigen Rechtsrahmen. Zu den zentralen Neuregelungen gehört die Verschärfung der Vorschriften über die Kapitaleinlage zur Stärkung des Gläubigerschutzes. Der Versuch, die bereits bestehenden richterlichen Vorschriften und die gerichtliche Praxis in einer kohärenten Rechtskodifikation zu konsolidieren und auf eine klare Rechtsgrundlage zu stellen, ist begrüßenswert. Zahlreiche neue Vorschriften bedürfen jedoch weiterer Klärung. Die künftige Umsetzung des Gesetzes durch die Registrierungsbehörden sowie der Erlass einschlägiger Durchführungsbestimmungen und gerichtlicher Auslegungen sollten aufmerksam verfolgt werden.

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