März 2023 Blog

Das zehnte Sanktionspaket der EU gegen Russland

Am 26.2.2023 sind mit dem zehnten Sanktionspaket anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24.2.2023 neue EU-Sanktionen gegen Russland in Kraft getreten.

Das auf drei GASP-Beschlüssen beruhende Sanktionspaket vom 25.2.2023 umfasst die drei Verordnungen:

  • Verordnung (EU) 2023/427 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 mit neuen Finanz- und Wirtschaftssanktionen;
  • Verordnung (EU) 2023/426 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 mit Konkretisierungen zu den Pflichten zur Übermittlung von Informationen über Gelder und wirtschaftliche Ressourcen gelisteter Personen, Organisationen und Einrichtungen (POE);
  • Durchführungsverordnung (EU) 2023/429, mit der der Anhang (Sanktionsliste) zur Verordnung (EU) Nr. 269/2014 um weitere POE erweitert wurde.

Die mit dem zehnten Sanktionspaket einhergehenden neuen Verbote und Beschränkungen betreffen EU-Ausfuhren im geschätzten Wert von 11,4 Milliarden Euro.

Personenbezogene Beschränkungen

Mit dem zehnten Sanktionspaket wurde der Anhang (Sanktionsliste) zur VO 269/2014 um weitere 87 natürliche und 34 juristische Personen erweitert. Die Konten dieser Personen müssten eingefroren werden und es ist verboten, ihnen wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Zu den neu gelisteten POE gehören unter anderem die drei Großbanken Tinkoff Bank, Alfa-Bank und Rosbank; ferner der National Wealth Fund; die Russian National Reinsurance Company; Unternehmen, die Raketen, Drohnen, Fluggeräte, Militärfahrzeuge, Kriegsschiffe oder Kontrollsysteme herstellen und an die russischen Streitkräfte liefern; Mitglieder des Föderationsrates und der Staatsduma; stellvertretende Ministerinnen und Minister; Beamte in Führungspositionen; die Gesamtrussische Volksfront und mit ihr verbundene Personen; Militärangehörige und Söldner; Propagandisten sowie Verantwortliche für die Deportation und Zwangsadoption ukrainischer Kinder. Gelistet wurden auch vier iranische Personen, die an der Entwicklung und Lieferung von Drohnen, die von Russland gegen die Ukraine eingesetzt werden, beteiligt sind. Damit sind in der Verordnung VO 269/2014 nunmehr 1473 Personen sowie 205 Einrichtungen gelistet.

Ebenfalls erweitert wurde der Anhang IV VO 833/2014, also die Liste von POE, die mit dem militärisch-industriellen Komplex Russlands in Verbindung stehen. Neben weiteren 96 solcher Organisationen wurden auch sieben iranische Organisationen in Anhang IV VO Nr. 833/2014 aufgenommen, die unter Verwendung von EU-Komponenten Russland für seine Angriffe auf zivile Infrastruktur in der Ukraine mit Kampfdrohnen beliefert haben. Anhang IV umfasst nun insgesamt 506 militärische Endnutzer, darunter auch russische Organisationen, die Verbindungen zu der vom Kreml kontrollierten paramilitärischen Organisation Wagner aufweisen.

Sektorbezogene Beschränkungen und Verbote nach der VO 833/2014

Im Mittelpunkt des zehnten Sanktionspakets steht die Beschneidung der russischen Versorgung mit sensiblen Gütern mit doppeltem Verwendungszweck und Gütern fortgeschrittener Technologie, einschließlich der Versorgung über Drittstaaten, die insbesondere zur Stärkung der industriellen Kapazitäten Russlands beitragen könnten.

Zusätzliche güterbezogene Einfuhrverbote

Die Importverbote für Güter, mit denen Russland erhebliche Einnahmen erzielt, werden erweitert um Bitumen, Asphalt, Carbon und synthetischen Kautschuk (Anhang XXI Teil C VO 833/2014). Insgesamt betreffen die Einfuhrverbote jetzt 140 Waren. Art. 3i VO 833/2014, der in Verbindung mit Anhang XXI importbezogene Verbote für Güter mit Ursprung in Russland oder aus Russland ausgeführte Güter regelt, wird in Bezug auf bestimmte in Anhang XXI Teil C aufgeführte Güter (z.B. Petrolkoks) durch eine Altvertragsregelung bis zum 27.2.2023 für die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 26.2.2023 geschlossen wurden, ergänzt. Der neue Abs. 3d enthält ein spezielles Einfuhrkontingent bis zum 30.6.2024 für bestimmte Mengen an Gütern der KN-Codes 2803 (Kohlenstoff) und 4002 (Kautschuk).

Erstmals gesetzlich geregelt wird, wann von einer Einfuhr auszugehen ist. Gemäß dem neuen Art. 12e VO 833/2014 können Güter, die sich physisch in der Union befinden, durch die Zollbehörden überlassen werden, sofern die Güter vor dem Inkrafttreten oder dem Geltungsbeginn der jeweiligen Einfuhrverbote – je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist – gemäß Art. 134 UZK gestellt wurden. Die Möglichkeit der Überlassung der Waren gilt unabhängig von den Verfahren, in die die Waren nach der Gestellung überführt wurden (Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr, Versandverfahren, aktive Veredelung, usw.) oder von den Verfahrensschritten und Formalitäten gemäß dem UZK, die für die Überlassung erforderlich sind. Daraus folgt zugleich, dass Waren russischen Ursprungs oder aus Russland ausgeführte Waren, an die ein Importverbot geknüpft ist, innerhalb der EU weiterveräußert werden können, wenn die Waren vor dem Inkrafttreten oder dem Geltungsbeginn der jeweiligen Einfuhrverbote – je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist – von den Zollbehörden überlassen wurden, sie sich insbesondere zu diesem Zeitpunkt bereits im zollrechtlich freien Verkehr befanden. Damit wird erstmalig gesetzlich geregelt, was bislang lediglich in den FAQ des BMWK (FAQ Nr. 48) und der Kommission (zu Art. 3m VO 833/2014) beantwortet wurde.

Zusätzliche güterbezogene Verkaufs-, Lieferungs-, Verbringungs-, und Ausfuhrverbote

Die Liste der in Anhang XXIII aufgeführten Güter und Technologien, deren Verkauf, Lieferung, Verbringung und Ausfuhr an POE in Russland oder zur Verwendung in Russland nach Art. 3k VO 833/2014 verboten ist, wurde erweitert. Gelistet sind nunmehr unter anderem auch:

  • schwere Lastkraftwagen (und ihre Ersatzteile);
  • Güter, die dem russischen Militär leicht zugeleitet werden können, wie Stromerzeugungsaggregate, Ferngläser, Radargeräte, Kompasse usw.;
  • Güter für den Bausektor wie Brückenteile, Teile für Turmkonstruktionen, Gabelstapler, Krane usw.;
  • Güter, die für die Verbesserung der russischen Fertigungskapazität und das Funktionieren der Industrie von entscheidender Bedeutung sind (elektronische Bauteile, Maschinenteile, Pumpen, Geräte für die Metallbearbeitung usw.);
  • komplette Industrieanlagen (diese Kategorie wurde hinzugefügt, um Anwendungslücken zu vermeiden).

Der neue Art. 3k Abs. 3c VO 833/2014 sieht zudem eine Altvertragsregelung für die Erfüllung – bis zum 27.3.2023 – von Verträgen, die vor dem 26.2.2023 geschlossen wurden, in Bezug auf die in Teil C des Anhangs XXIII aufgeführten Güter, darunter Eisen- und Stahlerzeugnisse, vor.

Beschränkungen im Technologie-Sektor

Zusätzliche Beschränkungen gelten für den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung und die Ausfuhr von Technologie-Gütern (Art. 2a VO 833/2014), die sich leicht zur militärischen Unterstützung umleiten lassen. Dementsprechend wurde Anhang VII VO 833/2014 erweitert. Die Änderung betrifft weitere elektronische Komponenten, die in russischen Waffensystemen (Drohnen, Raketen, Hubschraubern, Fahrzeugen) verwendet werden können, sowie bestimmte Seltene Erden, elektronische integrierte Schaltungen und Wärmebildkameras.

Auswirkung von Informationspflichten

In Art. 5a VO 833/2014 wurden mit Wirkung vom 27.4.2023 die Informationspflichten für EU-Banken und EU-Unternehmen sowie für EU-Bürgerinnen und Bürger ausgeweitet. Zweck ist es, Mitgliedstaaten übergreifend eine Liste sämtlicher eingefrorenen Vermögenswerte der Russischen Zentralbank in der EU aufzustellen, um eine spätere Verwendung der öffentlichen russischen Vermögenswerte zum Wiederaufbau in der Ukraine zu ermöglichen und Umgehungen zu vermeiden.

Ausnahme vom Transaktionsverbot

Außerdem wird in Bezug auf das in Art. 5aa VO 833/2014 geregelte Verbot von Transaktionen mit den in Anhang XIX gelisteten russischen Staatsunternehmen eine weitere Ausnahme vorgesehen, nämlich für Transaktionen, die für den Abzug von Investitionen oder den Rückzug einer in der EU niedergelassenen POE aus einem gelisteten russischen Staatsunternehmen oder deren Niederlassung in der EU unbedingt erforderlich sind.

Durchfuhrverbote

Die Durchfuhr von aus der Union ausgeführten Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck und Rüstungsgütern durch das Hoheitsgebiet Russlands wird in Art. 2 VO 833/2014 (Abs. 1a, 3a, 4a) untersagt, um das Risiko der Umgehung der restriktiven Maßnahmen zu minimieren. Art. 2aa VO 833/2014 sieht in einem neuen Abs. 1a ein gleichlautendes Durchfuhrverbot für in Abs. 1 aufgeführte Feuerwaffen, dazugehörige Teile und wesentlichen Komponenten sowie Munition, die aus der EU ausgeführt werden, vor.

Ausweitung des Luftfahrtembargos

Die Verbote des Art. 3c VO 833/2014, Güter und Technologien, die für die Verwendung in der Luft- oder Raumfahrtindustrie geeignet sind, nach Russland oder zur Verwendung in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen, werden durch einen neuen Abs. 5c ergänzt, der eine Altvertragsklausel für die Erfüllung von Verträgen bis zum 27.3.2023, die vor dem 26.2.2023 geschlossen wurden, im Hinblick auf in Anhang XI Teil D aufgeführte Turbo-Strahl- und Turbo-Propellertriebwerke der KN-Position 8411 vorsieht.

Mit den neu in Art. 6 VO 833/2014 eingefügten Abs. 5 und 6 werden Luftfahrzeugbetreiber verpflichtet, Privatflüge zwischen der EU und Russland, direkt oder über Drittländer, den für sie zuständigen Behörden mindestens 48 Stunden vor dem Flug mitzuteilen und alle diesbezüglichen Informationen zu übermitteln. Damit soll die Umgehung der Luftfahrtsperrung für russische Flugzeuge in der EU unterbunden werden.

Dienstleistungsbezogene Beschränkungen

Der bereits mit dem neunten Sanktionspaket eingefügte Art. 12b VO 833/2014 enthält mit dem zehnten Sanktionspaket einen neuen Abs. 2a. Dieser regelt, dass die zuständigen Behörden abweichend von Art. 5n VO 833/2014 die weitere Erbringung der darin genannten Dienstleistungen (u.a. in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, IT-Beratung und Rechtsberatung) bis zum 31.12.2023 genehmigen können, wenn diese Dienstleistungen für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich sind.

Verbot von Tätigkeiten in Leitungsgremien

Mit dem neu eingeführten Art. 5o VO 833/2014 ist es ab dem 27.3.2023 verboten, russische Staatsangehörige und Personen mit Wohnsitz in Russland, Positionen in Leitungsgremien von Einrichtungen der kritischen Infrastruktur innerhalb der EU bekleiden zu lassen. Der Begriff der „kritischen Infrastruktur“ wird mit dem zehnten Sanktionspaket erstmalig in Art. 1 lit. y bis za VO 833/2014 definiert. Dabei wird Bezug genommen auf die Definition der Richtlinien 2022/2557 über die Resilienz kritischer Einrichtungen und 2008/114 über die Ermittlung und Ausweisung europäischer kritischer Infrastrukturen und die Notwendigkeit, ihren Schutz zu verbessern.

Weitere Änderungen der VO 833/2014

Der neu eingefügte Art. 5p VO 833/2014 normiert ab dem 27.3.2023 ein Bereitstellungsverbot von Gasspeicherkapazitäten (LNG ausgenommen) in der EU an russische Staatsangehörige und Personen mit Wohnsitz in Russland. Die EU-Sanktionen umfassen ausdrücklich kein Exportverbot von Gas, sodass die Ausfuhr von Gas weiterhin grundsätzlich möglich ist.

Das Sendeverbot nach Art. 2f. wird auf die russischen Staatsmedien „RT Arabic“ und „Sputnik Arabic“ ausgeweitet (Anhang XV VO 833/2014).

Zusammenfassung und Ausblick

Die Wirtschaftsbeteiligten müssen sich auf die ausgeweiteten Beschränkungen insbesondere Technologiegüter betreffend und die weiteren personenbezogenen Listungen einstellen. Anders als die EU, die sich erst am Tag nach dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine auf das zehnte Sanktionspaket einigen konnte, haben die USA bereits am 24.2.2023 weitere Sanktionen erlassen. Neben der Listung weiterer Personen in der Specially Designated Nationals and Blocked Persons (SDN) Liste und Sanktionen den russischen Metall- und Bergbausektor betreffend enthalten diese Sanktionen unter anderem auch Listungen europäischer Unternehmen in der Entity-Liste wegen deren Umgehungsaktivitäten, wobei das Bureau of Industry and Security (BIS) zugleich zusätzliche Befugnisse erhält, um die mit der Listung verbundenen Beschränkungen durchzusetzen. Das BMWK hat seinerseits zudem am 22.2.2023 in einem Positionspapier. Maßnahmen zur Eindämmung von Umgehungsaktivitäten vorgeschlagen, die möglicherweise künftig Eingang in ein elftes Sanktionspaket finden werden.

 

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