Juli 2025 Blog

Die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters für Zahlungszusagen

In Insolvenzverfahren werden vielfach Leistungen Dritter an die Insolvenzmasse auch deshalb erbracht, weil sich Insolvenzverwalter für eine Zahlung „stark machen“. Im Regelfall geht zumeist alles gut, weil die Insolvenzverwalter über eine belastbare Liquiditätsplanung verfügen. Doch wenn der Insolvenzverwalter dann doch im Nachhinein unter Hinweis auf die sog. Masseunzulänglichkeit die Zahlung verweigert, stellt sich für den Gläubiger die Frage der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Arbeitnehmerin der Insolvenzschuldnerin verlangt von der beklagten Insolvenzverwalterin persönlich Schadensersatz wegen nicht gezahlten Arbeitsentgeltes für den Monat November. Die Beklagte hatte dabei auf einer Betriebsversammlung der insolventen Gesellschaft Ende Oktober mitgeteilt, dass der Betrieb zum Ende November geschlossen werde. Sie soll weiterhin geäußert haben, dass die Gehälter gezahlt werden. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Masseunzulänglichkeit bereits im Zeitpunkt der Betriebsversammlung absehbar war, darüber hinaus habe die Beklagte die Zahlung garantiert. 

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die erstinstanzliche Klageabweisung bestätigt. Als Haftungstatbestände kämen die §§ 60, 61 InsO in Betracht. Gem. § 61 InsO haftet der Insolvenzverwalter für von ihm begründete Masseverbindlichkeiten zwar persönlich. Nach gefestigter Rechtsprechung der Arbeits- und Zivilgerichte gilt dies dann nicht, wenn die Verbindlichkeit aus einem „oktroyierten“ Vertragsverhältnis stammt. Hat der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis nicht begründet, kommt somit eine Haftung nach § 61 InsO nicht in Betracht.

Die Vorschrift des § 60 InsO als zentrale Schadensersatznorm für Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters greift nur bei der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten ein. Die Pflicht, Arbeitnehmer freizustellen, sofern die Vergütung nicht mehr gezahlt werden kann, trifft jeden Arbeitgeber und nicht nur Insolvenzverwalter. Damit hat die Insolvenzverwalterin zwar eine Pflicht verletzt, aber eben keine insolvenzspezifische, so dass zwar ein Schadensersatzanspruch gegen die Insolvenzmasse besteht, nicht aber gegen die Insolvenzverwalterin persönlich.

Sind die Tatbestände der §§ 60, 61 InsO nicht erfüllt, so kommt eine persönliche Haftung nach ständiger Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen in Betracht, z.B. wenn der Insolvenzverwalter eigene Pflichten übernimmt oder in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt. Im hiesigen Fall konnte der Erklärung der Beklagten nicht entnommen werden, dass sie notfalls mit ihrem privaten Vermögen für die Erfüllung der Verbindlichkeiten aufkommen wolle.

Praxishinweis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters der Ausnahmefall zu bleiben hat. Dies ist schon allein deshalb gerechtfertigt, da Insolvenzverwalter ihre Entscheidungen regelmäßig unter hohem Zeitdruck und oftmals nur aufgrund unvollständiger Informationen zu treffen haben. Umso mehr muss ein Arbeitnehmer (oder auch ein Gläubiger) sich das Risiko vergegenwärtigen und darf nicht darauf vertrauen, dass er notfalls über eine persönliche Haftungsinanspruchnahme Schadensersatz erlangen kann.

(LAG Niedersachsen (10. Kammer), Urteil vom 20.05.2025 – 10 SLa 800/24)

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