Karlsruhe bekräftigt das Recht des Treuhandkommanditisten auf Kenntnis seiner Mitgesellschafter und deren Beteiligungshöhen
Das Ringen zwischen EuGH und BGH um dieses Auskunftsrecht geht in die nächste Runde. Nachdem der EuGH Ende 2024 unter Ausblendung der ständigen Rechtsprechung des BGH merkliche Zweifel an dessen Vereinbarkeit mit der DS-GVO geäußert hatte, hat Karlsruhe nun nachgelegt.
Hintergrund
Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Anspruch des Treuhandkommanditisten einer Publikumsgesellschaft auf Kenntnis der Namen, Kontaktdaten und Beteiligungshöhen seiner Mitgesellschafter bzw. Mit-Treugeber ein unentziehbares Recht darstellt, das unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag erwächst. Dem stehe die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) nicht entgegen: Die Kenntnis seiner Mitgesellschafter sei für eine effektive Wahrnehmung der Gesellschafterrechte erforderlich (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 – II ZB 3/23). Anders das Amtsgericht München, das die Vereinbarkeit mit der DS-GVO anzweifelte und Luxemburg anrief. Der EuGH hegte daraufhin in seinem Urteil vom 12.9.2024 erkennbare Sympathien für die Möglichkeit eines gesellschaftsvertraglichen Ausschlusses dieses Auskunftsrechts und damit für einen Vorrang von gesellschaftsinterner Anonymität vor Beteiligungstransparenz. Nunmehr hatte der BGH erstmals Gelegenheit, sich zu den dort aufgeworfenen Rechtsfragen zu positionieren.
Entscheidung des BGH
Dabei bliebt der BGH seiner treugeberfreundlichen Rechtsprechung auch angesichts der restriktiven Ausführungen des EuGH ohne Abstriche treu. Bei einem Gesellschaftsvertrag einer Personenhandelsgesellschaft sei das aus dem Gesellschaftsvertrag fließende Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, selbstverständlich und unentziehbar. Begrenzt werde es allein durch das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) und das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB. Soweit ein Treugeber gesellschaftsvertraglich einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichgestellt sei, stehe dieses Auskunftsrecht auch jenem zu.
Das Auskunftsrecht könne auch durch Regelungen im Gesellschafts- bzw. Treuhandvertrag nicht ausgeschlossen werden und richte sich gegen jeden Mitgesellschafter, soweit dafür im Einzelfall sachlich berechtigte Gründe sprechen. Wer sich an einer Publikumsgesellschaft beteilige, müsse damit rechnen, dass neben seinen Daten auch seine Beteiligungshöhe an seine Mitgesellschafter bzw. diesen gleichgestellten Mittreugebern mitgeteilt wird. Das Zusammenwirken der Gesellschafter untereinander sei ein elementarer Bestandteil insbesondere der gesellschafterlichen Willensbildung. Auch in einer Publikumspersonengesellschaft gebe es daher kein Recht, anonym zu bleiben.
All dies, so der BGH, stehe auch im Einklang mit besagtem Urteil des EuGH. wobei allerdings durchaus zweifelhaft sei, ob sich aus jener Entscheidung überhaupt Folgerungen für den vorliegenden Fall ziehen ließen: Denn weder aus dem Urteil des EuGH noch aus den Vorlagebeschlüssen des Amtsgerichts München sei ersichtlich geworden, wie in den dortigen Sachverhalten die Rechte der Treugeber konkret ausgestaltet waren, insbesondere ob die dortigen Treugeberkommanditisten einem unmittelbaren Gesellschafter vertraglich gleichgestellt waren. Das Urteil des EuGH deute insoweit eher auf das Gegenteil hin.
Da jedoch in seinem Fall die Weitergabe von personenbezogenen Daten nicht vertraglich ausgeschlossen war, stünde die Entscheidung des EuGH schon deshalb nicht entgegen. Es komme daher – und diese Spitze ließ sich der BGH nicht nehmen – auch nicht darauf an, dass ein Ausschluss des Rechts, seinen Vertragspartner zu kennen, nach deutschem Recht gemäß § 166 Abs. 2 HGB unwirksam wäre.
Ungeachtet dessen hindere auch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b DS-GVO die Erfüllung des dargestellten Auskunftsanspruchs nicht. Dem dortigen Merkmal der „Erforderlichkeit“ sei durch Differenzierungen beim Grund des Auskunftsbegehrens Rechnung zu tragen. Werde die Auskunft zur Durchsetzung der durch die Mitgliedschaft verkörperten Rechte verlangt und stelle ein beabsichtigter Ankauf von weiteren Anteilen daneben lediglich einen zusätzlichen Aspekt für das (Auskunfts-)Begehren dar, sei eine direkte Kommunikation des auskunftbegehrenden Gesellschafters mit den Mitgesellschaftern in diesem Sinne „erforderlich“. Davon sei vor allem dann auszugehen, wenn der Gesellschafter im Vorfeld einer Gesellschafterversammlung Absprachen über die Stimmrechtsausübung treffen wolle. Eine Zwischenschaltung der Gesellschaft bzw. des Treuhänders oder eine Verweisung des Treugeberkommanditisten auf von diesen bereitgestellte und kontrollierte Medien beeinträchtige das berechtigte Begehren des Treugebers, sich mit seinen Mitgesellschaftern über das Abstimmungsverhalten zu verständigen, insoweit erheblich.
Anders lägen die Dinge jedoch, wenn die Auskunft allein deshalb verlangt werde, um den Mitgesellschaftern Kaufangebote für ihre Anteile zu unterbreiten. In diesem Fall werde dem Auskunftsinteresse des Gesellschafters dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass der Gesellschafter die Fondsgesellschaft bzw. den Treuhänder auffordern könne, seine Anfrage an die anderen Gesellschafter weiterzuleiten, so dass diese dann frei entscheiden können, ob sie anonym bleiben und so die Kontrolle über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten behalten wollten.
Im vorliegenden Fall jedenfalls habe der Kläger nach Auffassung des zu dieser Beurteilung berufenen (nationalen) Landgerichts hinreichend dargelegt, dass die begehrten Auskünfte für die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b) DS-GVO erforderlich seien. Einer weiteren Prüfung insbesondere des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f) DS-GVO bedürfte es daher nicht.
Anmerkung
Der Sache nach lässt der BGH keinen Zweifel daran, dass er seine ständige Rechtsprechung nicht aufzugeben gedenkt. Und legt daher gleich zu Beginn des Urteils den Finger in die Wunde, wenn er beiläufig anmerkt, dass bereits die Einschlägigkeit des EuGH-Urteils zweifelhaft sei, da dort offen geblieben war, welche konkrete Ausgestaltung die Rechtsstellung der Treugeben gefunden hatte. War dort – wie der BGH anklingen lässt – tatsächlich geregelt worden, dass die Treugeber ihre Rechte ausschließlich mittelbar durch einen Treuhänder ausüben können, fehlte es bereits an der gesellschaftsvertraglichen Gleichstellung des Treugeberkommanditisten mit einem unmittelbaren Gesellschafter und damit an einer tragenden Säule seiner Rechtsprechung.
Jedenfalls vertritt der BGH seinen Standpunkt zur Erforderlichkeit der unmittelbar eigenen Kenntnis der Mitgesellschafter und der Höhe ihrer Beteiligungen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b) DS-GVO mit Vehemenz und begründet dies weiterhin damit, dass andernfalls die effektive Wahrnehmung zentraler Gesellschafterrechte, insbesondere das Recht auf Teilnahme am gesellschafterlichen Willensbildungsprozess, nicht hinreichend gewährleistet wäre. Daher müsse sich der Treugeber-Kommanditist jedenfalls in diesen Fällen auch nicht mit beschränkten oder mittelbaren Kontaktaufnahmemöglichkeiten abspeisen lassen. Dass dies auch nach Auffassung des BGH in solchen Fällen, in denen es ausschließlich um eine Kontaktaufnahme zur Unterbreitung von Kauf- oder Verkaufsofferten gehe, anders zu beurteilen wäre, kann vor diesem Hintergrund nicht überraschen.
Hervorzuheben ist noch die strategische Komponente der jüngsten BGH-Entscheidung. Die Verteidigung seiner ständigen Rechtsprechung gegen die vom EuGH mit Urteil vom 12.9.2024 geäußerten Rechtsauffassungen findet noch weit im Vorfeld statt. Denn solange der BGH mangels Offenlegung des dem EuGH-Ausspruch zugrundeliegenden Sachverhalts bezweifeln kann, dass im dortigen Fall ein einem unmittelbaren Gesellschafter vertraglich gleichgestellter Treuhandkommanditist Auskunft verlangte, muss er sich auch nicht mit den Voraussetzungen einer Rechtfertigung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b), c) oder f) DS-GVO auseinandersetzen.
Seine eigentliche inhaltliche Verteidigung wiederum siedelt der BGH sodann – nicht zufällig – allein bei Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b) DS-GVO an und bringt hier neben seiner Rechtsauffassung zugleich die Intention des nationalen Gesetzgebers ins Spiel. Dieser habe mit § 166 Abs. 2 HGB n. F. zur Disponibilität des Auskunftsrechts klar Stellung bezogen und zum Ausdruck gebracht, dass ein vertraglicher Ausschluss des Rechts auf Kenntnis seiner Mit-Gesellschafter und der Höhe ihrer Beteiligung unwirksam sei.
Damit bleibt dem BGH für die erwartbare Fortführung der Auseinandersetzung mit dem EuGH noch immer der „Joker“ des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c) DS-GVO, wonach die Weitergabe der Daten auch dann gerechtfertigt wäre, wenn u.a. aufgrund einer klaren, transparenten und gefestigten nationalen Rechtsprechung eine Verpflichtung zur Herausgabe der Daten besteht.
(BGH, Beschluss vom 22.1.2025 - II ZB 18/23)

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