Kein rechtsfreier Raum für Rekommunalisierungsvorhaben
Zu den aktuellen Trends in der Ver- und Entsorgungswirtschaft gehört die Übernahme von kommunalen Leitungs-, insbesondere Stromnetzen in die Eigenverwaltung der betreffenden Städte und Gemeinden. Prominentes Beispiel ist die Übernahme der bisher von einem privaten Stromversorger gehaltenen Anteile an der Stromnetz Hamburg GmbH durch die Freie und Hansestadt Hamburg.
Im Zentrum des bei Rekommunalisierungsvorhaben angestrebten Zustands, nämlich die Übernahme auch des Netzbetriebs, steht indes die von den Gemeinden an den jeweiligen Netzbetreiber zu vergebende Konzession. Nach § 46 Abs. 2 EnWG dürfen Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Der bisherige Nutzungsberechtigte ist verpflichtet, der Gemeinde spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung der Gemeinde Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen.
Viele der in Deutschland bestehenden Konzessionen laufen bekanntlich in den nächsten Jahren aus. An deren Nichtverlängerung knüpfen dann auch Rekommunalisierungsvorhaben an, indem kommunale Unternehmen, zweckverbandsähnliche Einheiten oder Eigenbetriebe als „neues“ Energieversorgungsunternehmen die Übereignung der Netze verlangen. Dass der Erwerb dieser Rechtsposition indes nicht „umsonst“ zu haben ist, untermauern mit Blick auf die alte Rechtslage nach dem EnWG nunmehr zwei Urteile des Kartellsenats des BGH vom 17. Dezember 2013.
Im Verfahren KZR 65/12 hatte die Stadt Heiligenhafen nach Ansicht des BGH die verfahrensrechtlichen Bindungen nicht beachtet, denen sie bei Übertragung der Anschlusskonzession auf ihren Eigenbetrieb oblag. Insbesondere hätten, was nicht in ausreichender Weise geschehen war, die Entscheidungskriterien der Gemeinde und deren Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden müssen. Einen Anspruch auf Übereignung des Netzes konnte der Eigenbetrieb deshalb im Ergebnis nicht geltend machen. Von besonderer Bedeutung ist das Urteil deshalb, weil der BGH es den Gemeinden verwehrt, sich im Zusammenhang mit der Übernahme von Konzessionen durch Eigenbetriebe auf ein „Konzernprivileg“ bzw. auf die aus dem Vergaberecht bekannten Grundsätze zur Inhouse-Vergabe zu stützen.
Im Verfahren KZR 66/12 wurde einem mit einer interkommunalen Einheit geschlossenen Konzessionsvertrag unter Hinweis auf § 134 BGB die Wirksamkeit abgesprochen, weil das zugrundeliegende Auswahlverfahren nicht diskriminierungsfrei war. Die Urteile zeigen, dass die Verwirklichung von Rekommunalisierungsstrategien rechtlich „kein Selbstgänger“ ist. Vielmehr ist die Auswahl des „eigenen“ Versorgungsunternehmens als „neues Versorgungsunternehmen“ an den Zielen des § 1 EnWG zu messen, wonach eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas anzustreben ist. An diesen Kriterien haben sich auch die betreffenden Auswahlverfahren zu orientieren.
(BGH, Urteile v. 17. Dezember 2013 – KZR 65/12 und KZR 66/12)
Dr. Dietrich Drömann, Rechtsanwalt – Diplom-Kaufmann