März 2023 Blog

Mittelbare Kündigungsbeschränkung des Handelsvertreters: Keine „Umwidmung“ von Unterverdienst in ein Darlehen

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist zwingend, es kann auch nicht mittelbar durch finanzielle Nachteile beschränkt werden. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, wonach sich ein monatlicher Negativsaldo des Handelsvertreters in ein Darlehen umwandelt.

Sachverhalt

Der Beklagte war als selbständiger Handelsvertreter für die Klägerin tätig. Seine Provisionen wurden monatlich abgerechnet und auf ein Provisionskonto verbucht. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Vorauszahlungen auf die Provisionen ergab sich per 31.05.2014 ein Saldo zu Lasten des Beklagten in Höhe von 8.637,58 €. Hierauf schlossen die Parteien im Juni 2014 einen Darlehensvertrag in Höhe des vorgenannten Saldos. Künftig erhielt der Beklagte monatliche Mindestzahlungen, die mit Provisionsforderungen des Beklagten verrechnet werden sollten. Sich daraus zulasten des Beklagten ergebende Monatssalden sollten als Darlehen gewährt sein und mit 3,5% p.a. verzinst werden. Bei Beendigung des Handelsvertretervertrages war „die Restschuld des Darlehens und die zum Stichtag der Vertragsbeendigung aufgelaufenen Zinsen in einer Summe sofort fällig. Hierbei ist es unerheblich, durch wen und aus welchem Grund der Vertrag beendet wurde.“ Das Vertragsverhältnis war unstreitig seit 30.09.2018 beendet.

Zum 31.12.2016 betrug der rechnerische Saldo zu Lasten des Beklagten auf dem Provisionskonto 54.937,47 €. Nachdem die Klägerin den Beklagten erfolglos zum Ausgleich dieses Betrags zzgl. Zinsen aufgefordert hatte, kündigte sie den Handelsvertretervertrag fristlos und klagte den Betrag ein. Das LG Mönchengladbach (Urt. v. 06.03.2020, 9 O 6/19) wies die Klage ab, das OLG Düsseldorf (Urt. v. 15.07.2021, 16 U 187/20) gab ihr statt. Der BGH hat nun das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Entscheidung

Anders als das OLG bejahte der BGH einen Verstoß gegen das Verbot des § 89a Abs. 1 S. 2 HGB. Danach kann das Recht, einen Handelsvertretervertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dieses Verbot könne auch mittelbare Folgen einer Kündigung oder Vertragsbeendigung erfassen, wenn die Vertragsbeendigung aufgrund der Vertragsgestaltung für den Handelsvertreter mit erheblichen Nachteilen verknüpft sei, die seine Entscheidungsfreiheit darüber, ob er das Vertragsverhältnis auflöst, einschränken können. Entgegen der Ansicht des OLG handele es sich bei solchen mittelbaren Auswirkungen - hier die Fälligkeit der (Darlehens)Restschuld - nicht um einen bloßen „Reflex“, der § 89a Abs. 1 S. 2 HGB nicht unterfalle. Überdies umfasse die Unwirksamkeit einer gegen § 89a Abs. 1 S. 2 HGB iVm. § 134 BGB verstoßenden Vereinbarung nicht nur die vertragliche Fälligkeitsvereinbarung des Darlehnsanspruchs, sondern den Rückzahlungsanspruch insgesamt. Hier stelle sich die Darlehensvereinbarung als Umgehungsgeschäft dar. Die Gewährung eines variablen Darlehens an den Handelsvertreter, das monatlich mit Provisionsforderungen verrechnet werden solle, sei der Gewährung eines monatlichen Provisionsvorschusses mit entsprechender Verrechnungsabrede gleichzustellen, sofern das Darlehen nicht der Deckung eines besonderen Kreditbedarfs des Handelsvertreters diene. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung werde der Handelsvertreter in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, sein Vertragsverhältnis zum Unternehmen aufzulösen. Ob diese Beschränkung unzulässig ist, sei im Einzelfall an § 89a Abs. 1 S. 2 HGB zu prüfen. Ergebe sich eine unzulässige Beschränkung, könne die Klägerin die gewährten Vorauszahlungen auch nicht nach § 812 Abs. 1 BGB zurückfordern. Die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB betreffe vorliegend nur die Vereinbarung, nach der bei Beendigung des Handelsvertretervertrages ein Unterverdienst vom Handelsvertreter auszugleichen sei; im Übrigen bleibe der Vertrag aber wirksam und bilde den Rechtsgrund für die erfolgten monatlichen Zahlungen. Wäre nämlich die gesamte Vereinbarung über die Provisionsvorauszahlungen unwirksam, würde dies der Wertung von § 134 BGB iVm. § 89a Abs. 1 S. 2 HGB zuwiderlaufen. Denn das Verbot diene gerade dem Schutz des Handelsvertreters.

Praxisfolgen

Der BGH bestätigt sein Urteil vom 05.11.2015 (VII ZR 59/14), wonach es Einzelfallfrage ist, ob eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters iSv. § 89a Abs. 1 S. 2 HGB vorliegt. Weiter bestätigt er die Rechtsprechung vieler Oberlandesgerichte zu mittelbaren Rückzahlungsklauseln und anderen finanziellen Nachteilen, die an die außerordentliche Kündigung eines Handelsvertretervertrages geknüpft werden (vgl. dazu nur Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 89a, Rn 26). Das macht gerichtliche Entscheidungen wenig vorhersehbar und daher die Gestaltung von Rückzahlungsklauseln in bzw. im Zusammenhang mit Handelsvertreterverträgen schwierig. Lebensnah kann man dem letztlich nur damit begegnen, dass am besten keine, zumindest möglichst niedrige monatliche Mindestzahlungen vereinbart werden. Auch muss das Unternehmen die Entwicklung von Provisionskonten stets im Auge haben, um größere Salden zu seinen Lasten erst gar nicht entstehen zu lassen und so dem Risiko vorgreifen, geleistete Vorschüsse nicht zurückfordern zu können.

(BGH, Urteil vom 19.01.2023 – VII ZR 787/21)

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