Neues zu anfechtungsfesten Vertragsabwicklungen („Bargeschäft“)
Seit der Anfechtungsreform des Jahres 2017 kann ein anfechtungsfester Leistungsaustausch dann nicht vereinbart werden, wenn der spätere Insolvenzschuldner „unlauter“ handelt und der Geschäftspartner dies erkannt hat. Was unter „unlauter“ zu verstehen ist, war bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Der BGH hatte nun erstmals Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Sachverhalt
Der Beklagte war Kommanditist der späteren Insolvenzschuldnerin. Die Schuldnerin war als Dienstleisterin für Bauvorhaben ausführende Projektgesellschaften tätig. Sie arbeitete von Anfang an nicht rentabel. Die fälligen Verbindlichkeiten überstiegen jeweils die liquiden Mittel. Der Beklagte übernahm aufgrund einer Vereinbarung mit der Schuldnerin die gesamte Bauleitung und Baubetreuung für die von der Schuldnerin zu betreuenden Bauvorhaben. Die Leistungen wurden im auf die Leistungserbringung folgenden Monat abgerechnet und bezahlt. Der klagende Insolvenzverwalter verlangt im Wege der Anfechtung Erstattung zweier kurz vor Antragstellung geleisteter Zahlungen. Zu diesem Zeitpunkt war die spätere Insolvenzschuldnerin bereits erkennbar zahlungsunfähig gewesen. Die Zahlungen erfüllten zwar die Voraussetzungen eines anfechtungsfesten „Bargeschäftes nach § 142 InsO (unmittelbarer Leistungsaustausch mit gleichwertigen Leistungen), allerdings vertrat der Insolvenzverwalter die Auffassung, dass aufgrund der unrentablen Fortsetzung des Geschäftsbetriebes ein „unlauteres“ Handeln gegeben sei, so dass die Zahlungen dennoch anfechtbar wären.
Entscheidung
Der BGH hat die Klage abgewiesen. Er hat nunmehr klargestellt, dass ein „unlauteres“ Handeln nur dann vorliegt, wenn es dem späteren Insolvenzschuldner auch mit der Vereinbarung eines Bargeschäftes nur darum ging, die Gläubiger zu schädigen. Der BGH hat dabei drei Kategorien aufgestellt:
- Unlauter kann ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch für Gegenleistungen sein, die nicht zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind und die Gegenleistung dem Geschäftsbetrieb unter keinem erdenklichen Grund zugutekommen kann.
- Wenn es dem späteren Insolvenzschuldner um die Bevorzugung eines einzigen Gläubigers geht, z.B. bei Zahlung zur Abwendung eines Insolvenzantrages, bei Zahlung im Vorfeld eines unabwendbaren Insolvenzantrages oder im Rahmen eines aussichtslosen Sanierungsversuchs.
- Ein unlauteres Verhalten kommt weiter in Betracht, wenn der Schuldner Bargeschäfte mit nahestehenden Personen (§ 138 InsO) vornimmt und der Schuldner diese nahestehenden Personen insoweit anders behandelt als andere Gläubiger.
Die Sichtweise des Klägers, ein „unlauteres“ Vorgehen liege auch dann vor, wenn der Geschäftsbetrieb des späteren Insolvenzschuldners unrentabel arbeite, hat der BGH abgelehnt. Zwar handelte es sich bei dem Beklagten um einen Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin und damit um eine nahestehende Person. Eine unterschiedliche Behandlung mit anderen Gläubigern konnte der BGH jedoch nicht erkennen, da neben dem hiesigen Gesellschafter auch andere Gläubiger Zahlungen erhielten.
Praxishinweise
Die Entscheidung ist für die insolvenzrechtliche Praxis von erheblicher Bedeutung. Hatte der Gesetzgeber doch durch die Einfügung des Begriffes der „Unlauterkeit“ bei § 142 InsO zusätzliche Angriffsflächen für Insolvenzverwalter geschaffen. Die nunmehr benannten Kriterien klären zwar nicht alle Fragen, helfen aber für die notwendige Einzelfallbewertung. Erfreulich ist die klare Ablehnung des Kriteriums „unrentabler Geschäftsbetrieb“, da dies dem Sinn der Einführung der Vorschrift widersprochen hätte. Gerade der bereits insolvente Schuldner sollte die Möglichkeit haben, durch Vereinbarung sog. Bargeschäfte weiter zumindest kurzzeitig am Geschäftsleben teilnehmen zu können.
(BGH, Urt. v. 05. Dezember 2024, IX ZR 122/23)