Pfändbarkeit des Wohnrechts
Potentielle Schuldner versuchen, werthaltiges Vermögen zu sichern und vor dem Gläubigerzugriff zu schützen. Ein beliebtes Vorgehen ist dabei, auf Grundstücken ein lebenslanges Wohnrecht einzutragen. Dies hilft nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung aber dann nicht, wenn der Eigentümer mit dem Wohnrechtsinhaber identisch ist.
Sachverhalt
Der spätere Insolvenzschuldner war eingetragener Eigentümer eines bebauten Grundstücks. An dem Grundstück bestellte er sich selbst ein auf das Gebäude bezogenes Wohnungsrecht mit der Bestimmung, dass die Ausübung des Wohnungsrechts dritten Personen nicht überlassen werden könne. Außerdem brachte er das Grundstück in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) als Einlage ein. Die GbR wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen, ebenso erfolgte die Eintragung des Wohnungsrechts. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nahm der Insolvenzverwalter im Wege der Insolvenzanfechtung die GbR erfolgreich auf Rückgewähr in Anspruch und veräußerte das Grundstück an eine dritte Person. Er bewilligte und beantragte zudem die Löschung des Wohnungsrechts. Das Wohnungsrecht wurde gelöscht. Gegen die Löschung des Wohnungsrechts legte der Insolvenzschuldner Beschwerde ein mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs. Das Kammergericht wies die Beschwerde zurück.
Entscheidung
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte bereits 1964 entschieden, dass eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dann pfändbar ist, wenn der Eigentümer des Grundstücks und der Berechtigte personenidentisch sind. An dieser Ansicht hält der BGH fest. Das Gesetz gehe in seinem Grundgedanken davon aus, dass eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit (und hier als Unterfall das Wohnrecht) „unter Ausschluss des Eigentümers“ ausgeübt wird, somit Eigentümer und Berechtigter personenverschieden sind. Zwar sei grundsätzlich auch eine Bestellung eines Wohnrechts am eigenen Grundstück zulässig, dies ändere aber nichts am ursprünglichen gesetzlichen Leitbild. Die Unpfändbarkeit des personenverschiedenen Wohnrechts diene dem Schutz des Eigentümers. Sie trage dem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümer und Berechtigtem Rechnung und schließe es aus, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des Eigentümers ausgetauscht werden kann. Dieser Zweck zeige aber, dass der Ausschluss der Pfändbarkeit nur bei einem Fremdrecht gerechtfertigt ist. Für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit und insbesondere das Wohnungsrecht an eigenen Grundstücken sei die Unpfändbarkeit daher einzuschränken. Es ist nach Auffassung des BGH auch unerheblich, ob die Vereinigung von Eigentum und dinglicher Berechtigung von Anfang an bestanden hat oder wie hier durch eine Anfechtungsklage erst später erreicht wurde. Der Insolvenzverwalter ist somit berechtigt, das Wohnrecht zu verwerten.
Praxishinweis
Hat der Schuldner versucht sein Grundstück vor dem Gläubigerzugriff durch Eintragung eines Wohnrechtes und Übertragung auf dritte Personen zu „retten“, besteht die Möglichkeit, sofern die Grundstücksübertragung anfechtbar geschehen ist, durch Geltendmachung eines Anfechtungsanspruches (in der Einzelzwangsvollstreckung nach dem AnfG) das Grundstück unter Löschung des Wohnrechtes zu verwerten.
(BGH, Beschluss vom 02.03.2023 - V ZB 64/21)