Privates Baurecht: § 8 Abs.2 VOB/B ist insolvenzfest
Das insolvenzbedingte Kündigungsrecht, welches dem Auftraggeber allein wegen der Stellung eines Insolvenzantrages seines Auftragnehmers ein Kündigungsrecht (ohne Schadensersatzpflicht) zubilligt, ist nach Auffassung des für Bausachen zuständigen VII. Zivilsenates des BGH wirksam.
Das höchste deutsche Zivilgericht setzt sich damit in Widerspruch zu der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (wir berichteten genau vor einem Jahr), der noch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des IX. Zivilsenates zu § 119 InsO einen Verstoß gegen das Verbot insolvenzbedingter Lösungsklauseln angenommen hatte.
Der VII. Zivilsenat begründet nunmehr seine geänderte Sichtweise vor allem mit den Besonderheiten des Bauvertrages, insbesondere der langen Frist nach Antragstellung, bis zu der der Verwalter letztlich erst entscheiden muss, ob der Bauvertrag fortgeführt wird. So vergeht mit Antragstellung regelmäßig eine Frist von 3 Monaten, binnen derer der Verwalter keine Entscheidung treffen muss. In diesem Zeitraum ist regelmäßig nur das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet, in welchem die Vorschrift des § 103 InsO, der die Lösung des Verwalters vom Bauvertrag ermöglicht, keine Anwendung findet. Erst nach Eröffnung des Verfahrens muss der Verwalter entscheiden, ob er den Bauvertrag fortführt oder nicht. Allerdings hat der Gesetzgeber hier keine Frist vorgesehen, binnen derer der Verwalter sich erklären muss. Der Auftraggeber hat die Möglichkeit, den Verwalter aufzufordern, sich darüber zu erklären. In diesem Fall hat der Verwalter aber nur „unverzüglich“ zu handeln, nicht „sofort“. „Unverzüglich“ bedeutet, ohne schuldhaftes Zögern, was für die durchaus komplexe Entscheidung über die Fortsetzung eines Bauvorhabens durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Dies sei keinem Auftraggeber zumutbar. Der 7. Zivilsenat sieht somit ein Sonderrecht für Bauverträge als angemessen an, da der Bauvertrag ein besonderes Vertrauensverhältnis bedinge, welches durch die Insolvenzantragstellung zerstört sei.
Hinweis für die Praxis
Unabhängig von den dogmatischen Schwächen des Urteils darf es nunmehr (wieder) als gesicherte Rechtslage angesehen werden, dass die Kündigung eines Unternehmers allein aufgrund der Insolvenzantragstellung auch ohne Schadensersatzpflicht möglich ist.
Ob sich die Insolvenzverwalter der Hintertür annehmen und versuchen zumindest den entgangenen Gewinn über die Vorschriften der Insolvenzanfechtung (und beim dann zuständigen IX. Zivilsenat des BGH) hereinzuholen, bleibt auch aufgrund der erheblichen praktischen Schwierigkeiten der Berechnung eines solchen Anspruches und der keinesfalls sicheren Rechtslage abzuwarten.
BGH, Urteil vom 07. April 2016 – VII ZR 56/15 –
Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
Berlin