Dezember 2022 Blog

Solaranlagen-Pflicht auf Dächern in Bayern?

Am 13.12.2022 hat der Bayerische Landtag das „Klimaschutzgesetz 2.0“ in Gestalt der Neufassung des bayerischen Klimaschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften mit Wirkung zum 01.01.2023 beschlossen. Mit diesem Gesetzespaket soll eine grundlegende Neuausrichtung der bayerischen Klimapolitik erfolgen. Teil des Pakets ist auch die Einführung eines neuen Art. 44a in die Bayerische Bauordnung, der Regelungen zu Solaranlagen auf Dachflächen von Gebäuden enthält.

Pflichten nach Art. 44a BayBO n.F.

Nach Art. 44a BayBO n.F. müssen auf geeigneten Dachflächen Anlagen für die Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie in angemessener Auslegung errichtet und betrieben werden. Dachflächen sind insbesondere dann nicht geeignet, wenn sie der Belichtung oder Be- und Entlüftung dienen. Eine angemessene Auslegung liegt vor, wenn die Modulfläche mindestsens einem Drittel der geeigneten Dachfläche entspricht.

Adressaten dieser Pflicht sind zunächst der Freistaat selbst und die Eigentümer von Nichtwohngebäuden. Eigentümern von Wohngebäuden wird durch die Soll-Vorschrift in Art. 44a Abs. 4 BayBO n.F. dagegen lediglich die Empfehlung ausgesprochen, entsprechende Anlagen zu errichten und zu betreiben.

Den Freistaat trifft die Verpflichtung sowohl hinsichtlich Neu- als auch Bestandsbauten. Für Eigentümer von Nichtwohngebäuden gilt die Pflicht zunächst nur für neu zu errichtende Nichtwohngebäude. Der Gesetzgeber nimmt dabei eine zeitliche Staffelung vor, nach der die Pflicht ab 01.01.2023 für Gebäude gilt, die ausschließlich dazu bestimmt sind, gewerblicher oder industrieller Nutzung zu dienen, und ab 01.07.2023 für sonstige Nichtwohngebäude. Für Bestandsgebäude gilt die Pflicht bei vollständiger Erneuerung der Dachhaut ab dem 01.01.2025. Maßgeblicher Zeitpunkt ist jeweils der Antrag auf Baugenehmigung oder deren vollständige Bauvorlage.

Ausweislich der Gesetzesbegründung können sich Eigentümer zur Erfüllung dieser Pflichten Dritter bedienen. Dies gilt selbstverständlich für die Errichtung der PV-Dachanlage. Der Eigentümer wird entsprechende Fachunternehmen mit der Errichtung und Installation der Anlagen beauftragen (zur rechtlichen Einordnung solcher Verträge Newsletter-Beitrag September 2016).

Gleiches gilt für den Betrieb der PV-Anlage. Auch hierzu kann sich der Eigentümer Dritter bedienen, wobei es unerheblich ist, wer der Eigentümer des Gebäudes ist, auf dem sich die Anlage befindet. Daher haben Eigentümer auch die Möglichkeit, ihre Dachflächen an ein professionelles PV-Unternehmen zu verpachten, die dann die Anlage errichten und den Strom vermarkten.

Der Betreiber und Eigentümer schließen hierzu einen Nutzungsvertrag über die Dachflächen, wonach sich der Betreiber einer Anlage zur Installation, Betrieb und Erneuerung der Anlage verpflichtet. Auch Instandhaltungs- und Instandsetzungsverpflichtungen am Dach können in zulässiger Weise auf den Betreiber übertragen werden. Neben der schuldrechtlichen Vereinbarung wird die Nutzung regelmäßig auch dinglich über entsprechende Dienstbarkeiten gesichert. Dies gilt vor allem auch im Falle der Finanzierung der PV-Anlage durch ein Kreditinstitut.

Aufgrund der aktuell angespannten Situation am Energiemarkt ergibt sich ein interessantes Szenario für Eigentümer, die den Solarstrom auf dem Dach eines Nichtwohngebäudes erzeugen und diesen zur Versorgung selbigen verwenden oder sogar den einzelnen Mietern zur (anteiligen) Verwendung zukommen lassen (sog. „gewerblicher Mieterstrom“). Die Versorgung der Mieter kann auf Grund der hohen Akzeptanz von Solarstrom auch als Marketinginstrument eingesetzt werden. Der Betreiber schließt sodann eigenständige Stromverträge mit den Abnehmern und entscheidet, über welches Modell er den Strom verkauft.

Grenzen und Ausnahmen von der Verpflichtung

Ausnahmen der Pflicht gelten für Gebäude mit einer Dachfläche bis zu 50 m2, Nebengebäude von Wohngebäuden wie Garagen, Carports und Schuppen, unterirdische Bauten, Gewächshäuser, Traglufthallen und Zelte sowie vorübergehend aufgestellte oder benutzbare Gebäude. Weitere Ausnahmen von der Pflicht gelten für den Fall der rechtlichen oder technischen Unmöglichkeit und soweit andere Rechtsvorschriften dem Vollzug entgegenstehen. Darüber hinaus steht die Pflicht für den Freistaat Bayern unter Haushaltsvorbehalt; Solaranlagen sind also nur im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel zu errichten.

Fiktion nach Art. 44a Abs. 6 BayBO n.F.

Auch sonst ist die Vorschrift bei Weitem nicht so strikt, wie sie sich auf den ersten Blick liest und jedenfalls in dieser Hinsicht keine grundlegende Neuausrichtung der bayerischen Klimapolitik. Denn die Pflichten nach Absatz 1 und 2 zur Errichtung und zum Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie werden erheblich entschärft. Absatz 6 sieht vor, dass die Pflichten nach den Absätzen 1 und 2 für Gebäude, die der Nutzungspflicht erneuerbarer Energie nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) des Bundes unterliegen, als erfüllt gelten, wenn sie der Pflicht nach dem GEG durch die Errichtung und den Betrieb solarthermischer Anlagen nach § 35 GEG oder Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie nach § 36 GEG nachkommen. Die dort geregelten Pflichten bestanden bereits vor Einführung des Art. 55a BayBO n.F. und waren daher auch unabhängig davon einzuhalten. Dabei unterliegen dem Anwendungsbereich des GEG nahezu alle Gebäude, die auch im Rahmen des Art. 44a BayBO n.F. eine Rolle spielen. Denn das GEG findet mit wenigen Ausnahmen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GEG auf alle Gebäude Anwendung, soweit sie nach ihrer Zweckbestimmung unter Einsatz von Energie beheizt oder gekühlt werden; die insoweit relevant (anteilige) Nutzungspflicht erneuerbarer Energien nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 GEG kommt dabei sowohl bei der Errichtung von Gebäuden als auch nach § 52 Abs. 1 GEG bei öffentlichen Bestandsgebäude zur Anwendung.

Eine Entschärfung der Pflichten nach Absatz 1 und 2 stellt die Fiktion des Absatzes 6 deshalb dar, weil einerseits auch solarthermische Anlagen nach § 35 GEG und nicht nur Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie zur Erfüllung der Verpflichtungen des Art. 44a BayBO errichtet und betrieben werden können. Andererseits schreibt das GEG nur vor, welchen Anteil des Wärme- und Kälteenergiebedarfs des Gebäudes die jeweilige Anlage abdecken muss bzw. wie groß die Anlage im Einzelnen sein muss, damit der Anteil als erfüllt gilt. Ob die jeweilige Anlage auf dem Dach des Gebäudes oder überhaupt auf dem Gebäudegrundstück errichtet und betrieben werden muss, schreibt das GEG dagegen nicht vor. Vielmehr ist es nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 GEG bei der Erzeugung von Strom als solarer Strahlungsenergie ausreichend, wenn der Strom im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zu dem Gebäude erzeugt wird.

Auswirkungen auf die Praxis

Auswirkungen auf die Praxis werden sich in Zukunft insbesondere im Rahmen der Auslegung des Art. 44a BayBO n.F. ergeben, da dieser unbestimmt formuliert ist. Insoweit bleibt unklar, in welchen Fällen Dachflächen tatsächlich für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie - abgesehen von der entgegenstehenden Notwendigkeit Belichtung oder Be- und Entlüftung – nicht „geeignet“ sind. Auch die Anforderungen an die Ausnahmetatbestände bleiben offen. Die Gesetzesbegründung enthält hierzu keine Erkenntnisse.

Insgesamt bleibt also abzuwarten, wie die Norm in der Praxis von den zuständigen Bauaufsichtsbehörden und im Streitfall von den Gerichten in Zukunft ausgelegt wird und ob der bayerische Gesetzgeber nicht doch noch einmal nachschärfen muss, möglicherweise im Rahmen des Klimaschutzgesetzes 3.0.

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