Mai 2015 Blog

Urheberrechtsschutz beim Live-Streaming von Sportübertragungen?

Bundesligaübertragung über Sky Go auf dem Notebook, aktuelle Kinofilme mit Netflix auf dem Tablet oder die neuesten Musikvideos bei YouTube in der U-Bahn auf dem Smartphone. Es ist heutzutage für Nutzer selbstverständlich, dass TV- und sonstige Bewegtbildangebote jederzeit und von überall abrufbar sind. Die Rechtsordnungen können mit den rasenden technischen Entwicklungen rund um Web-TV und IPTV indes kaum mithalten.

Dies gilt im Besonderen für das Urheberrecht, das dem Schutz derjenigen dienen soll, denen an diesen Bewegtbildinhalten Urheber- und Leistungsschutzrechte zustehen, wie Regisseuren, Drehbuchautoren, Schauspielern, Filmherstellern oder Sendeunternehmen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in einer Entscheidung vom 26. März 2015 Gelegenheit, gleich mehrere der aktuell in diesem Zusammenhang diskutierten Urheberrechtsfragen zu behandeln, wenngleich die derzeit brennendste Frage leider unbeantwortet blieb.

Sachverhalt

Dem Urteil lag eine Auseinandersetzung zwischen einem schwedischen Bezahl­sender, der kostenpflichtige Direktübertragungen von Eishockeyspielen im Internet zu knapp 10 Euro pro Spiel anbietet, und dem Betreiber einer Internetseite zugrunde, auf der Hyperlinks zu den Direktübertragungen von zwei Eishockeyspielen unter Umgehung des Bezahlsystems des Bezahlsenders angeboten wurden (sog. Deep Links). Nachdem der Bezahlsender die Zugriffsmöglichkeit auf die Direktübertragungen über die Hyperlinks sogleich technisch unterbunden hatte, wurde im Folgenden der Betreiber der Internetseite in erster Instanz wegen einer Verletzung von Urheberrechten des Bezahlsenders verurteilt. Das Berufungsgericht stellte demgegenüber fest, dass weder ein Teil der Arbeit der Kommentatoren, der Kameraleute oder der Regisseure der Übertragungen von Eishockeyspielen für sich allein, noch einige oder alle Teile zusammengenommen die für den urheberrechtlichen Schutz notwendige Originalität erreichten. Allerdings seien durch das Setzen von Deep Links auf die Live-Streams des Bezahlsenders dessen verwandten Schutzrechte verletzt worden, so dass die Verurteilung des Internetseitenbetreibers dem Grunde nach aufrechterhalten wurde. Der daraufhin vom Bezahlsender angerufene schwedische Oberste Gerichtshof (Högsta domstolen) wies hingegen darauf hin, dass die Anbringung eines Hyperlinks auf einer Internetseite nach europäischem Recht schon keine öffentliche Wiedergabe der verlinkten Inhalte darstelle. Zudem gehe das schwedische Recht über die Vorgaben der europäischen Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (im Folgenden InfoSoc-RL) hinaus, indem auch nicht nur "auf Abruf" zugänglich gemachte Werke dem Ausschließlichkeitsrecht unterworfen würden.

Der Oberste Gerichtshof setzte daher das Verfahren aus und legte dem EuGH zunächst fünf Vorlagefragen vor, von denen es nach einem Hinweis des Kanzlers des EuGH auf die Entscheidung "Svensson" vier Vorlagefragen zurückzog und lediglich die gegenständliche Frage aufrechterhielt, ob die nationalen Gesetzgeber den Sendeunternehmen einen weitergehenden urheberrechtlichen Schutz ihrer Funksendungen gewähren dürfen, als der europäische Rechtsrahmen durch die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (im Folgenden InfoSoc-RL) vorgibt (EuGH, Urteil vom 26.03.2015, Rs. C-279/13 – C More Entertainment).

Die (partielle) Entscheidung des EuGH

Der EuGH beantwortete die Vorlagefrage dahingehend, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, das Ausschließlichkeitsrecht der Sendeunternehmen - über die Vorgaben der InfoSoc-RL hinausgehend - auch auf deren Direktübertragungen im Internet auszudehnen, sofern der Schutz der Urheberrechte dadurch nicht beeinträchtigt wird. Auf die vom Vorlagegericht nicht mehr zur Vorabentscheidung gestellte Vorlagefrage, ob die Anbringung eines anklickbaren Links auf einer Website zu einem vom Rechteinhaber veröffentlichen Werk als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der InfoSoc-RL qualifiziert werden kann, verwies der EuGH lediglich auf seine frühere Entscheidung „Svensson“ (Urt. v. 13.02.2014, Rs. C-466/12). Dort hatte der EuGH zur Verlinkung von Presseartikeln festgestellt, dass ein Link auf ein frei zugängliches (Sprach-)Werk auf einer Drittseite - unabhängig von der konkreten Art und Weise der Einbindung (z.B. im Wege des Framing) - keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der InfoSoc-RL darstellt, es sei denn, die Wiedergabe erfolgt nicht nach demselben technischen Verfahren im Internet oder sie richtet sich - im Vergleich zu dem vom Urheber bei der ursprünglichen Wiedergabe intendierten Empfängerkreis - an ein neues Publikum. Da im vorliegenden Fall durch die direkte Verlinkung der Live-Streams die zugangsbeschränkenden Maßnahmen des Bezahlsenders umgangen wurden, lag im Sinne dieser Rechtsprechung ohne weiteres eine öffentliche Wiedergabe nach Art. 3 Abs. 1 der InfoSoc-RL vor.

Aufgrund der einschränkenden Formulierung der Vorlagefrage hatte der EuGH ferner weder Gelegenheit noch Anlass, zu den Feststellungen des Berufungsgerichts im Hinblick auf einen fehlenden Urheberrechtsschutz der Eishockeyübertragung inhaltlich Stellung zu nehmen. Es bleibt danach bei der grundsätzlichen Wertung des EuGH, dass Übertragungen von Sportereignissen mangels geistiger Schöpfung in der Regel keinen urheberrechtlichen Schutz genießen, insbesondere wenn die Sportereignisse wie hier Spielregeln unterliegen, die für eine künstlerische Freiheit im Sinne des Urheberrechts keinen Raum lassen. Ob moderne aufwändige Sportübertragungen mit verschiedenen Kameraeinstellungen und -perspektiven, einer begleitenden Kommentierung, Zeitlupen, Analysen, Interviews oder mit einer Einbindung von Musikstücken der veranstaltenden Verbände anders zu bewerten seien, wie teilweise vertreten, musste der EuGH daher hier nicht entscheiden.

Der EuGH setzt sich lediglich unter dem Gesichtspunkt des Leistungsschutzrechts der Sendeunternehmen mit der rechtlichen Qualifizierung der Direktübertragung über das Internet auseinander. Die öffentliche Zugänglichmachung als Unterfall der öffentlichen Wiedergabe erfordert nach Art. 3 Abs. 2 der InfoSoc-RL, dass der betreffende Schutzgegenstand der Öffentlichkeit kumulativ sowohl von Orten als auch zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich gemacht werden muss, wie bei den typischen Video-on-Demand (VoD) Angeboten. Das ist indes bei den im Ausgangsverfahren gegenständlichen Direktübertragungen im Internet gerade nicht der Fall, weil diese nur zu festgelegten und nicht frei wählbaren Zeiten abrufbar sind. Solche Live-Streams stellen daher keine öffentliche Zugänglichmachung dar und unterfallen damit nicht dem entsprechenden Ausschließlichkeitsrecht der Sendeunternehmen aus Art. 3 Abs. 2 lit. d) der InfoSoc-RL. Da nach den Feststellungen des EuGH lediglich eine Teil-Harmonisierung auf europäischer Ebene vorliegt, durfte der schwedische Gesetzgeber den Schutz der Sendeunternehmen erweitern.

Fazit: Vieles bleibt offen

Obwohl der EuGH damit zu einigen wichtigen Fragen Stellung nehmen konnte, steht aber leider weiterhin die abschließende Klärung der kontrovers diskutierten Frage aus, ob die Direktübertragung von Bewegtbildinhalten im Internet dem Senderecht oder dem Recht der (Kabel-)Weitersendung unterfällt. Die Rufe nach einer technologieneutralen Ausgestaltung des Kabelweitersenderechts durch den Gesetzgeber werden daher nicht verstummen. 

(EuGH, Neunte Kammer, Urt. v. 26.3.2015 – C-279/13)

Dr. Christian Triebe, Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

 

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