Juni 2025 Blog

Verzicht auf gesetzlichen Mindesturlaub durch Prozessvergleich unwirksam

Der neunte Senat des BAG hat mit Urteil vom 03. Juni 2025 (9 AZR 104/24) entschieden, dass Arbeitnehmer selbst im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs während des laufenden Arbeitsverhältnisses auf ihren gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichten können – auch wenn wegen Krankheit klar ist, dass der Urlaub nicht genommen werden kann. 

Der Fall

Der klagende Arbeitnehmer, bei der Beklagten seit 2019 als Betriebsleiter beschäftigt, war im Jahr 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und konnte daher seinen Urlaub nicht in Anspruch nehmen - insgesamt 7 Tage gesetzlicher Mindesturlaub. Am 31. März 2023 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch einen gerichtlichen Vergleich zum 30. April 2023 beendet. Der Vergleich sah eine Abfindungszahlung in Höhe von 10.000 Euro vor und eine Beendigung durch Kündigung der Beklagten. Unter Ziffer 7 des Vergleichs wurde zudem vereinbart: "Urlaubsansprüche sind in natura gewährt." Im Austausch der Parteien vor dem Vergleichsschluss wies die Prozessbevollmächtigte des klagenden Arbeitnehmers ausdrücklich darauf hin, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne. Unter Verweis auf die rechtlichen Bedenken erklärte sie sich dann aber dennoch mit dem Vergleich einverstanden. Der Arbeitnehmer konnte aufgrund fortbestehender Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub mehr nehmen. Mit seiner Klage vom 13. Juli 2023 machte der Arbeitnehmer entgegen der Regelung unter Ziffer 7 des gerichtlichen Vergleichs die Abgeltung der sieben Urlaubstage (1.615,11 €) gegenüber der Beklagten mit der Begründung geltend, der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch sei ein unabdingbarer Anspruch auf den er im Vergleich nicht verzichtet habe. Das habe er auch explizit in den Vergleichsverhandlungen thematisiert. 

Entscheidung des BAG

Das BAG hat, wie bereits das LAG Köln in der Vorinstanz, zu Gunsten des klagenden Arbeitnehmers entschieden, dass gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs besteht. Danach ist Urlaub dann abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

Der Anspruch sei, so die Pressemitteilung des BAG, auch nicht durch Ziffer 7 des Prozessvergleichs vom 31. März 2023 erloschen. Eine solche Regelung sei gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot – nämlich § 13 Abs. 1 Satz 3 BurlG - verstoße, soweit sie auf den Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs abziele. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG darf, abgesehen von § 7 Abs. 2 BUrlG von den Bestimmungen des BUrlG nicht zuungunsten der Arbeitnehmers abgewichen werden. Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig – mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – entstehender Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs dürfe – so das BAG – im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dies würde selbst dann gelten, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung regelt, bereits feststehe, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen könne.

Bereits das LAG Köln hat in der Vorinstanz darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Regelung lediglich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden könne. Denn der gesetzliche Schutzzweck des § 13 Abs. 1 S. 3 BurlG würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könne. Etwas anderes würde auch dann nicht gelten, wenn das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss der einschränkenden Vereinbarung verbindlich feststehe. Denn nur der Beendigungszeitpunkt selbst bilde eine Zäsur, die nicht nur die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, sondern auch den Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub betreffe.

Das BAG hat ferner ausgeführt, dass auch europäisches Recht finanzielle Ersatzleistungen des gesetzlichen Mindesturlaubs außerhalb der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbiete. Im bestehenden Arbeitsverhältnis dürfe der Arbeitnehmer nicht gegen und erst recht nicht ohne finanziellen Ausgleich auf den gesetzlichen Mindesturlaub "verzichten".

Das BAG hat zudem das Vorliegen eines Tatsachenvergleichs ausgeschlossen, auf den § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht anzuwenden wäre. Ein solcher setze voraus, dass eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden solle. Eine Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs hat das BAG aber aufgrund der seit Anfang des Jahres 2023 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht angenommen.

Letztlich blieb auch der Einwand der Beklagten, dem Kläger sei es aus Gründen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit des Anspruchsausschlusses zu berufen, ohne Erfolg. Ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten auf die Gültigkeit einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung besteht nach Auffassung des BAG nicht. 

Folgen für die Praxis

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Konditionen einer Beendigung verhandeln. Offene Urlaubsansprüche sind dabei oftmals Verhandlungsgegenstand. Sofern ein vereinbartes Ende des Arbeitsverhältnisses in der Zukunft liegt, ist nach dem neuen Urteil des BAG ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub im Wege eines (gerichtlichen) Vergleichs nicht wirksam. Die Parteien sollten daher bei Beendigungsvereinbarungen darauf achten, dass sie noch offenen gesetzlichen Mindesturlaub während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses nicht pauschal „als gewährt“ erklären. Vielmehr sollte klargestellt werden, dass dieser abzugelten ist, sollte er wegen Krankheit oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden können.

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