Juli 2022 Blog

Zu Risiken und Nebenwirkungen uneinheitlicher Abbildungen von Designs im Verletzungsverfahren

Die Verwendung uneinheitlicher Abbildungen bei (nationalen) Design- bzw. (europäischen) Geschmacksmusteranmeldungen können im Verletzungsprozess mitunter zur Nichtigkeit des Klagedesigns führen, soweit auch nach Auslegung unauflösbare Widersprüche verbleiben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich nun kürzlich erneut anschaulich mit den Grenzen der Auslegung des Schutzgegenstands eines möglicherweise widersprüchlichen Designs auseinandergesetzt.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist Inhaber eines eingetragenen, nationalen Designs für Schneidebretter. Das beanspruchte Design ist im Register mit insgesamt drei schwarz-weiß Fotografien hinterlegt. Eine Abbildung zeigt das auf zwei Holzschienen stehende Küchenschneidebrett mit einer halb eingeschobenen Auffangschale. Auf der Schnittfläche ist Gemüse zu sehen, in der Schale liegen Gemüseabfälle. Die zwei weiteren Abbildungen zeigen jeweils eine perspektivische Darstellung des Schneidebretts, jedoch ohne Auffangschale. Eine erläuternde Beschreibung oder ein Warenklassenverzeichnis hatte der Kläger bei der Anmeldung nicht eingereicht. Die beklagte Online-Händlerin bot über ihren Internetshop ähnliche Schneidebretter mit Auffangschale an. Nach erfolgloser Abmahnung wegen Designverletzung verlangte der Kläger gerichtlich unter anderem Schadenersatz und Erstattung der Abmahnkosten. Die Beklagte wiederum beantragte im Wege der Widerklage, das Design für nichtig zu erklären und den Inhaber zu Schadenersatz wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung zu verurteilen. Erstinstanzlich obsiegte der Kläger, das Berufungsgericht erklärte jedoch das Design für nichtig, da es unzulässig sei, aus den verschiedenen Ausführungsformen des dargestellten Schneidebretts mit und ohne Auffangschale eine Schnittmenge zu bilden und die Designanmeldung auf die Erscheinungsform des Schneidebretts ohne Schale zu reduzieren. Die Anmeldung zeige gerade nicht die Erscheinungsform eines Erzeugnisses, sondern zweier Erzeugnisse. Der BGH hob das Urteil nun auf Revision des Klägers auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Die Entscheidung

Der BGH bemängelte die vom Berufungsgericht gegebene Begründung als ungeeignet, das Design für nichtig zu erklären. Das Gericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die zum Register eingereichten Darstellungen keine miteinander unvereinbaren Merkmale zeigten, sondern die erste Darstellung lediglich Elemente enthalte (die Auffangschale mit Gemüseabfällen und Gemüse auf dem Schneidebrett), die auf den weiteren beiden Darstellungen nicht zu sehen sind. Es sei daher im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob mit dem Design Schutz für ein Schneidebrett ohne Auffangschale (als Einzelerzeugnis) oder für ein Schneidebrett mit Auffangschale (als Kombinationserzeugnis) beansprucht wird. Nur falls dies auch nach Auslegung unklar bleibe, sei im Zweifel das Design wegen Uneinheitlichkeit als nichtig anzusehen. Gerade bei Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens lasse sich ein Kombinationserzeugnis nicht allein wegenfehlender ästhetischer Abstimmung der abgebildeten Gegenstände verneinen. Maßgeblich sei letztlich, welchen Schutzgegenstand die Fachkreise den hinterlegten Abbildungen entnähmen. Das Berufungsgericht wird nun durch Auslegung erneut ermitteln müsse, ob sich die (vermeintlichen) Widersprüche nicht doch zu Gunsten eines Einzelerzeugnisses (Schneidebrett) oder Kombinationserzeugnisses (Schneidebrett mit Auffangschale) auflösen lassen.

Anmerkung

Der Fall Schneidebrett zeigt eindrücklich auf, dass bereits bei der Anmeldung von Designs/Geschmacksmustern möglichst eindeutige Ansichten gewählt und ggf. auf die Sammelanmeldungen ausgewichen werden sollte. Potentielle Fehlerquellen, wie etwa unscharfe oder schlecht belichtete fotografische Darstellungen, die Verwendung nicht neutraler Hintergründe, die Darstellung nicht eindeutig als (erläuterndes) Beiwerk erkennbarer Gegenstände oder die Abbildung verschiedener Farben und Oberflächenstrukturen sollten vermieden werden. Verbleibt – trotz Auslegung – ein unauflösbarer Widerspruch zwischen den Ansichten, birgt dies erhebliche Risiken:

Im Anmeldeverfahren führen Widersprüchen zur Zurückweisung des Designs. Im Nichtigkeitsverfahren kommt eine nachträgliche Aufteilung einer Einzelanmeldung in mehrere Designs nicht in Betracht. Im Verletzungsverfahren ist die Vermutung der Rechtsgültigkeit eines eingetragenen Designs und die Möglichkeit der Auslegung des Designs im Zweifel nur schwacher Trost gegen die Möglichkeiten des Verletzers, der Klage durch Nichtigkeitswiderklage oder Nichtigkeitsantrag „den Boden unter den Füßen wegzuziehen“.

(BGH Urt. v. 24.3.2022 – I ZR 16/21 - Schneidebrett)

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