Zur Anfechtung von Cash-Pool-Zahlungen in der Insolvenz
Zahlungen auf Rechnungen erfolgen nicht immer durch den Vertragspartner, sondern auch durch dessen Schwestergesellschaften. Häufig ist dieser Sachverhalt in größeren Konzernen gang und gebe, wenn diese sog. Cash-Pools unterhalten. Die Gesellschaften bündeln zum Ende eines Tages ihre Liquidität bei einer Gesellschaft bzw. gleichen die Salden untereinander aus. Vertragspartner werden dann von der Gesellschaft bezahlt, die über genügende Liquidität verfügt. Für den Vertragspartner bestehen hohe Anfechtungsrisiken in einer späteren Insolvenz des Konzerns, da diese Zahlungen als Abweichungen vom normalen Zahlungsweg (normal wäre der Vertragspartner zahlt) als inkongruente Deckung erleichtert anfechtbar sind.
Sachverhalt
Im nun vom BGH entschiedenen Fall handelte es sich bei der Schuldnerin um die Muttergesellschaft des Praktiker-Konzerns. Sie zahlte über eine Tochtergesellschaft, die für die Konzerngesellschaften das Cash-Management betrieb, die Rechnung ihrer Rechtsanwälte. Die Besonderheiten des Falles lagen zum einen darin, dass diese Praxis, obwohl in der schriftlichen Honorarvereinbarung nicht festgehalten, bereits über 10 Jahre so gehandhabt wurde. Zum anderen fungierte die zahlende Tochtergesellschaft als eine Art Konzernbank, in der tatsächlich die komplette Liquidität für alle Konzernunternehmen gesammelt und Rechnungen von dieser dann beglichen wurden.
Entscheidung
Die gegen die Rechtsanwälte gerichtete Anfechtungsklage aus § 131 InsO wegen sog. inkongruenter Deckung scheiterte in allen Instanzen.
Zur Begründung führt der BGH aus, dass ausnahmsweise keine Inkongruenz vorgelegen habe, da der Zahlungsweg nur als „geringfügige“ Abweichung der Zahlungsmodalitäten angesehen werden kann. Dies sei anders, wenn eine gerade liquide Gesellschaft die Rechnung einer gerade nicht liquiden Gesellschaft bezahle (sog. atypischer Cash-Pool). Führe aber die zahlende Cash-Pool-Gesellschaft für die einzelnen konzernangehörigen Unternehmen eigene Konten und fungiere sie als „Konzernbank“, dann könne die Zahlung durch sie nicht als inkongruent angesehen werden.
Durch die fast zehnjährige Handhabung sah der BGH zudem eine Art konkludente Vertragsänderung als gegeben an, die ebenfalls gegen die Inkongruenz sprach.
Praxishinweise
Die Anfechtungsgefahr für Drittzahlungen bleibt unverändert hoch. Der hiesige Fall wies viele Besonderheiten aus, die gerade im sehr viel häufiger anzutreffenden atypischen Cash-Pool nicht vorliegen. Es ist deshalb wichtig, dass in der Krise des Vertragspartners die ursprünglich vereinbarten Zahlungswege auch formal eingehalten werden. Hoffnung kann allenfalls der Hinweis des BGH auf mögliche konkludente Vertragsabänderungen machen. Aber auch hierzu genügt wohl allenfalls eine langanhaltende Übung.
BGH, Urteil vom 12.09.2019 – IX ZR 16/18 –
Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
Berlin