Zustimmungsfiktion bei der Änderung der AGB-Banken unwirksam
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken enthaltenen Klauseln, die ohne inhaltliche Einschränkung Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen ohne ausdrückliche Zustimmung des Kunden ermöglichen, sind unwirksam.
Hintergrund
Seit Jahren verwenden Banken und Sparkassen zur Ausgestaltung der vertraglichen Beziehung mit ihren Kunden weitgehend vereinheitlichte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Diese sehen unter anderem vor, dass Änderungen von AGB dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten werden. Bleibt der Kunde untätig und teilt seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen mit, gilt sein Schweigen als Zustimmung zur Änderung. Auf diese Genehmigungswirkung haben ihn seine Bank bzw. Sparkasse in ihrem Angebot besonders hinzuweisen. Zudem hat der Kunde die Möglichkeit der fristlosen Kündigung (vgl. Nr. 1 Abs. 2 und Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken bzw. Nr. 2 Abs. 1 bis 3 und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen).
In der Vergangenheit hatte dies zur Folge, dass Banken und Sparkassen unter anderem Gebührenerhöhungen und veränderte Preisgestaltungen für Leistungen durch Änderungen der AGB unter Beachtung dieses „Fiktionsänderungsmechanismus“ umsetzten. Vor diesem Hintergrund hatten Verbraucherschutzverbände die Wirksamkeit der im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern verwandten Fiktionsklauseln moniert.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Auf eine Klage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hat der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr entschieden, dass die Fiktionsklauseln der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterlägen und zugleich im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB die Kunden unangemessen benachteiligten.
Dabei hat der BGH seine Rechtsauffassung im Wesentlichen damit begründet, dass § 675g BGB, der die Zulässigkeit von Bestimmungen über die Änderung mittels fingierten Erklärungen bei Zahlungsdiensterahmenverträgen regele, entsprechend einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle bei Verbraucherbeteiligung nicht sperre. § 675g BGB genieße daher keinen abschließenden Vorrang vor den §§ 307 ff. BGB, weshalb es dem BGH erlaubt sei, die Fiktionsklauseln auf deren AGB-rechtliche Wirksamkeit zu überprüfen. Zudem erfassten die geprüften Klauseln nicht nur die durch § 675g BGB in Bezug genommenen Zahlungsdiensterahmenverträge, sondern sämtliche im Rahmen der Geschäftsverbindung geschlossenen Verträge der beklagten Bank mit ihren Kunden, wie etwa auch das Wertpapiergeschäft oder den Sparverkehr.
Der beklagten Bank werde es durch die Klausel ermöglicht, mittels der Zustimmungsfiktion das Vertragsgefüge insgesamt ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung umzugestalten und das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Damit werde von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen zum Zustandekommen von Verträgen durch Willenserklärungen abgewichen, indem das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziert werde. Darin erkennt der BGH eine unangemessene Benachteiligung der Bankkunden, die auch nicht dadurch ausgeglichen werde, dass auf diese Weise „vereinbarte“ Änderungen ihrerseits der AGB-rechtlichen Ausübungskontrolle unterliegen. Denn gerade Änderungen, die unmittelbar die vertraglichen Hauptleistungspflichten betreffen und somit besonders tiefgreifend in das Vertragsgefüge eingreifen, seien entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BGH als so genannte Hauptpreisabreden der AGB-Kontrolle entzogen. Vielmehr bedürfe es für weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen des Abschlusses eines den gesetzlichen Erfordernissen zum Zustandekommen von Verträgen durch wechselseitige Erklärungen genügenden Änderungsvertrags.
Praxisfolgen
Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des BGH, dass in der Vergangenheit im Wege des Fiktionsänderungsmechanismus herbeigeführte Vertragsänderungen unwirksam sein können. Soweit dies der Fall ist, finden die Verträge in der Fassung Anwendung, die sie ohne die Fiktionsänderungen hätten, sollten die entsprechenden Änderungen nicht im Wege eines Änderungsvertrages nachgeholt werden können. Es ist zu erwarten, dass Bankkunden auf Grundlage der Entscheidung für unverjährte Zeiträume Ansprüche auf Rückzahlung von vereinnahmten Entgelten und Gebühren geltend machen werden. Banken und Sparkassen werden ferner prüfen müssen, ob sich aus dem Urteil des BGH auch für den Geschäftsverkehr mit Unternehmern Konsequenzen ergeben.
(BGH, Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20)
Dr. Patrick Wolff, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Hamburg
Katharina Teitscheid, Rechtsanwältin
Frankfurt am Main