Corona und Betriebsverfassung
Will der Arbeitgeber Vorschriften erlassen, die das soziale Miteinander im Betrieb betreffen (zum Beispiel Schichtzeiten in der Kantine), die den betrieblichen Arbeitsschutz regeln (zum Beispiel Hygienevorschriften) oder die die Lage der Arbeitszeiten betreffen, löst das regelmäßig Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus. Ein verantwortungsbewusster Betriebsrat wird die Mitbestimmung an dieser Stelle schnell und unkompliziert gestalten und insbesondere die Zustimmung zur vorübergehenden Anordnung von Maßnahmen erteilen – wenn es nicht ohnehin bereits eine „Notfall-Betriebsvereinbarung“ gibt. Lässt sich eine Einigung hingegen nicht erzielen oder ist der Betriebsrat mit einer Anordnung nicht einverstanden, kann das bis zu einer einstweiligen Verfügung führen – wie in Berlin, wo der Betriebsrat mittels einstweiliger Verfügung gegen ein Verbot des Arbeitgebers vorgegangen war, dass die Verkäufer im Duty-Free-Shop Mundschutz und Handschuhe bei der Arbeit tragen (ArbG Berlin, 55 BVGa 2341/20).
In Betrieben mit Betriebsrat stellte sich in den letzten Wochen zum Teil noch die Frage, ob der Arbeitgeber geplante Betriebsversammlungen zur Minderung der Infektionsgefahr untersagen könne oder den Betriebsrat auf digitale Plattformen verweisen könne. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht digitale Versammlungen nicht vor. Zugleich regelt es die Organisation der Betriebsverfassung klar als Aufgabe des Betriebsrats, nicht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat damit nicht die Rechtsmacht, Betriebsversammlungen wegen der mit ihr einhergehenden Infektionsgefahr zu untersagen.
Sofern also tatsächlich auch seit Schließung der Schulen noch an der Durchführung geplanter Betriebsversammlungen festgehalten werden soll, lässt sich das vom Arbeitgeber nicht verhindern. Ein umsichtiger Betriebsrat dürfte aber die Verschiebung der einmal jährlich stattfindenden Betriebsversammlungen auf die Zeit nach Corona ohnehin schon eingeleitet haben.