Das Corona-Virus und seine rechtlichen Auswirkungen auf Lieferketten
Die Ausbreitung des Corona-Virus hat auch Konsequenzen für Unternehmen und deren Lieferketten: Engpässe drohen, die Produktion ist eingeschränkt, Liefertermine können nicht eingehalten werden. Unternehmen sind in der Corona-Krise diversen Rechtsfragen ausgesetzt. Es drängt sich unter anderem die Frage auf, ob Lieferpflichten aufgrund des Corona-Virus ausgesetzt oder sogar gänzlich ausgeschlossen sein können. Das wäre prinzipiell denkbar in Fällen der höheren Gewalt.
Was bedeutet höhere Gewalt?
Eine (international) einheitliche Definition des Begriffs der höheren Gewalt (auch: „Force Majeure” oder „Acts of God”) gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 16.05.2017 – X ZR 142/15 = NJW 2017, 2677) ist höhere Gewalt ein von außen kommendes, betriebsfremdes, unvorhersehbares und ungewöhnliches Ereignis, das durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbar ist.
Ist das Corona-Virus ein Fall der höheren Gewalt?
Was genau einen Fall der höheren Gewalt darstellt, ist eine Frage des Einzelfalls. Ist in den AGB eines Lieferanten eine sog. Force Majeure-Klausel enthalten, die ausdrücklich Epidemien und Pandemien als Fälle höherer Gewalt definiert, ist die Rechtslage eindeutig. Das Corona-Virus ist spätestens seit der Einstufung der WHO (Word Health Organization) als Pandemie zu klassifizieren und damit als Fall der höheren Gewalt einzustufen. Fehlt hingegen in der Force Majeure-Klausel eine solch eindeutige Definition, kommt es auf eine einzelfallabhängige Gesamtbetrachtung an. Dazu müssen die durch das Corona-Virus verursachten Folgen in den Blick genommen werden. Hier wird die Unterscheidung bedeutsam, ob sich das Virus unmittelbar oder nur mittelbar auf die Lieferbeziehung auswirkt. Eine bloße Verzögerung in der Lieferkette wird den Fall höherer Gewalt weniger erfolgreich erscheinen lassen als eine Produktionsschließung aufgrund behördlicher Anordnung. Auch staatlich anerkannte Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen und deren Auswirkungen auf die Lieferbeziehung dürften den Anwendungsbereich der höheren Gewalt oftmals eröffnen.
Können Force Majeure-Klauseln jetzt noch in AGB aufgenommen bzw. angepasst werden?
Ja, Force Majeure-Klauseln können auch jetzt noch in AGB aufgenommen oder inhaltlich spezifiziert werden, indem z. B. Epidemien und Pandemien ausdrücklich als Fall höherer Gewalt definiert werden. Für zukünftige Verträge können diese Klauseln dann, ihre wirksame Einbeziehung vorausgesetzt, Wirkung entfalten.
Wie ist die Rechtslage, wenn der Lieferant einen eigenen Shut Down anordnet?
In diesem Fall liegt kein betriebsfremdes Ereignis vor, das eine höhere Gewalt begründen könnte. Die Schließung ist im Gegensatz zum Fall der behördlichen Anordnung Ausfluss einer unternehmerischen Entscheidung und liegt daher allein in dessen Verantwortungsbereich. Das Unternehmen muss in solchen Fällen die Erforderlichkeit der Werksschließung konkret darlegen, um sich von seinen Lieferpflichten befreien zu können (z. B. massiver Ausfall erkrankter Mitarbeiter).
Müssen Vertragspartner über den Eintritt der höheren Gewalt informiert werden?
Eine möglichst frühzeitige, bestenfalls unverzügliche, Mitteilung an den Vertragspartner über den Eintritt der höheren Gewalt ist dringend empfohlen. Auch sollte der Lieferant Nachweise sammeln, die zur Begründung der höheren Gewalt führen. Diese Nachweise sollten Ursachen und Auswirkungen bezogen auf den konkreten Einzelfall enthalten. Auch erscheint es sinnvoll, Beweise zu sichern, die belegen, dass alles Mögliche und Zumutbare unternommen wurde, um negative Auswirkungen auf Lieferpflichten abzuwenden.
Wie ist die Rechtslage ohne Force Majeure-Klausel?
Fehlt in den AGB eine Klausel zur höheren Gewalt, greifen die gesetzlichen Regelungen. § 275 Abs. 1 BGB sieht vor, dass die Lieferpflicht ausgeschlossen ist, soweit diese für den Lieferanten unmöglich ist. Wird ein Unternehmen infolge des Corona-Virus derart stark belastet (Mitarbeiterausfall, behördliche Schließung), dass ihm die weitere Lieferung unmöglich ist, kann die Leistungspflicht ausgeschlossen sein. Das kann selbst dann gelten, wenn die Unmöglichkeit nur vorübergehender Natur ist. Schadensersatzansprüche drohen dem Lieferanten nur dann, wenn er die Unmöglichkeit der Lieferung zu vertreten hat. Denkbar wäre dies z. B. bei verspäteten bzw. mangelnden Schutzvorkehrungen im Unternehmen vor der Ausbreitung des Corona-Virus. Muss der Lieferant wegen der Unmöglichkeit nicht leisten, ist es nicht auszuschließen, dass der Abnehmer versucht, ohne die sonst übliche Fristsetzung vom Vertrag zurückzutreten (§ 326 Abs. 5 BGB). Der Abnehmer wäre für das Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen jedoch vollständig darlegungs- und beweisbelastet. Bei einer wirksam vereinbarten Force Majeure-Klausel ist der Rücktritt durch den Abnehmer regelmäßig erst nach Ablauf von mehreren Monaten möglich.
Zusammenfassung
Krisenfeste AGB sind in Zeiten des Corona-Virus unumgänglich. Auch aktuell können Force Majeure-Klauseln überarbeitet oder neu in AGB aufgenommen werden, sodass für zukünftige Verträge eine größere Rechtssicherheit besteht. Fehlen derartige Klauseln, kommt es vor allem auf den Einzelfall an, ob dennoch eine Leistungspflicht besteht.
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